Sebastian Fitzek und Vincent Kliesch Star-Autoren verraten einen Trick, der beim Lügen hilft
Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Dunkle Wolken, pfeifender Wind und eine verlassene Ruine auf dem Teufelsberg in Berlin – die perfekte Thrillerkulisse. Sebastian Fitzek und Vincent Kliesch erzählen im Interview, wie die Idee zu ihrem jüngsten Thriller "Auris" entstanden ist. Und woran man einen Lügner erkennt.
Unter einer alten Abhörstation der westlichen Alliierten findet eine Lesung mit den Bestseller-Autoren Sebastian Fitzek und Vincent Kliesch statt. Fitzek, der in der Buchszene gefeiert wird, wie ein Popstar, ist bekannt für seine ausgefallenen Thriller, die meist auf alltäglichen Problemen oder Ausgangssituationen entstehen.
In ihrem gemeinsamen Projekt "Auris", das Anfang Mai als Hörspiel und als Buch erschienen ist, geht es um einen forensischen Phonetiker, der anhand der Stimme eines Menschen Dinge wie Größe, psychische Verfassung und Charaktereigenschaften erkennen kann. Und der der Justiz dabei hilft, Lügen aufzudecken. Im Verlauf der Geschichte gerät er unter Mordverdacht und wird selbst der Lüge überführt.
Wie kommt man auf eine solche Idee? Und gibt es diesen Job wirklich? Sebastian Fitzek kam die Idee zu der Geschichte in einem Funkloch: "Ich war auf der Autobahn und nicht nur Peter Altmaier beschwert sich darüber, dass unser Handynetz da sehr löchrig ist. Ich habe am anderen Ende nur noch merkwürdige Aliengeräusche gehört, dachte mir: Stimmenprofiler müsste man sein – also jemand, der anhand der Stimme Täter überführt, heraushören kann, mit wem man redet, was ist das eigentlich für eine Person? Und da fragte ich mich – Stimmenprofiler, gibt es das? Und es gibt tatsächlich forensische Phonetiker, die arbeiten für Gerichte, erstellen akustische Profile und ich dachte: Das ist doch die Idee für eine Hauptfigur in einem Hörspiel. Und dann kam Vincent Kliesch hinzu, denn ich konnte mein Plappermaul nicht halten und er fand die Idee so gut, dass er fragte, ob er daraus nicht auch einen Roman machen könnte. So entstanden sowohl ein Hörspiel als auch ein Roman" erklärt der Bestsellerautor.
Sebastian Fitzek, geboren 1971 in Berlin, ist Schriftsteller und Journalist. Seit 2006 schrieb er 24 Psychothriller, die alle Bestseller wurden (Gesamtauflage 11 Mio. Stück). Fitzek lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Berlin. (Foto: Carsten Koall)
Fitzek hat gemeinsam mit Kliesch an der Ausarbeitung des Buchs gefeilt, geschrieben hat den Thriller aber Kliesch. Letzterer lächelt bescheiden und besteht darauf, dass "Auris" ein gemeinsames Projekt sei, auf das er sehr stolz sei.
Woran erkennt man einen Lügner?
Wie setzt man sich mit dem Thema Lügen auseinander? Wen befragt man dazu? "Wenn ich wissen will, ob jemand lügt, frage ich ihn, ob ich gute Bücher schreibe. Wenn er dann ja sagt ...", witzelt Vincent Kliesch, bevor er ernsthaft auf die Frage eingeht.
"Zur forensischen Phonetik findet man viel im Internet, aber um wirklich tief in die Materie einzutauchen, muss man sich mit einem Experten treffen. Es gibt zwar nicht viele, aber die, die es gibt, sind Meister auf ihrem Gebiet. Sie analysieren, erstellen Grafiken, Spektogramme, arbeiten streng wissenschaftlich. Das ist keine Kaffeesatzleserei. Sie erzählen mir mit so einem Eifer die verschiedensten Geschichten, nennen ausgefallene Beispiele, sodass man den Eifer mit an den Schreibtisch nimmt", so Kliesch.
Fitzek nennt ein Beispiel für die Stimmveränderung bei Personen mit psychischen Erkrankungen: "Die Stimme verändert sich, wenn man beispielsweise psychische Beeinträchtigungen hat. Sie wird tiefer, was als Signal gelten könnte, wenn man einen Stimmvergleich hat. Es kann also teilweise von der Stimme auf die Psyche geschlossen werden."
Vincent Kliesch ergänzt: "Wenn Menschen selbstbewusst die Wahrheit sagen, atmen sie, unterbrechen ihre Sätze auch mal, wohingegen Menschen, die lügen, eher dazu neigen, alles auf einmal sagen zu wollen, die Luft rauspressen und sich verhaspeln."
Fitzek und Kliesch: "Wir lügen nie"
Auf die Frage, ob die beiden Autoren sich durch die intensive Recherche Tricks zum Lügen angeeignet haben, müssen beide schmunzeln. "Wir lügen ja nie", grinst Sebastian Fitzek und bleibt auch auf Nachfrage bei dieser Aussage.
Vincent Kliesch verrät uns sein Geheimnis. "Ich kann auch nicht lügen, man merkt es mir sofort an. Aber wenn ich dann doch mal lügen muss, wende ich eine Technik an. Ich erzähle eine wahre Geschichte und versetze sie zeitlich. Ich erzähle dann beispielsweise, dass ich bei Sebastian war und schmücke das Ganze mit wahren Details aus. So merkt niemand, dass ich lüge, weil die Geschichte wahr ist – nur eben nicht zu diesem Zeitpunkt", so Kliesch.
Vincent Kliesch, geboren 1974 in Berlin, ist Schriftsteller, Comedian und Moderator. Sein Debütroman "Die Reinheit des Todes" wurde zum Bestseller, ebenso wie die Folgewerke des Autors. Er lebt in Berlin. (Foto: Carsten Koall)
Sebastian Fitzek erzählt breit lächelnd eine Anekdote aus seinem Privatleben, wie er seinen jüngsten Sohn beim Lügen ertappt: "Wenn er sofort sagt, 'Ich war’s nicht!' obwohl noch nicht mal nach dem Schuldigen gefragt wurde, weiß ich direkt Bescheid."
Lesung in einer düsteren Lagerhalle
Neben dem forensischen Phonetiker namens Matthias Hegel spielt auch die junge True-Crime-Podcasterin Jula Ansorge eine große Rolle in "Auris". Fitzek, der früher beim Radio gearbeitet hat, erklärt uns, wie er auf die Figur gekommen ist: "Die Grundidee für die Geschichte war ja ein Hörspiel, da bietet es sich also an, dass eine Person einen Podcast nutzt, um ihre journalistische Arbeit zu verbreiten. Jula möchte Menschen helfen, die zu Unrecht in Haft sitzen. Ein Podcast ist für mich ein so schnelles und aktuelles Medium, dass es einfach super in die Geschichte gepasst hat."
Ausschnitte aus der "Auris"-Story um Stimmen, Lügen und Podcasts lesen die beiden Autoren im Anschluss an das Interview – in einer Lagerhalle unter der alten Abhörstation auf dem Teufelsberg. Wer sich jetzt eine langweilige Lesung vorstellt, liegt falsch. In der Mitte der Lagerhalle ist ein Käfig aufgebaut, der von Stühlen umringt wird. Die Betonböden sind mit Drahtzäunen abgesteckt, Nebelmaschinen und Scheinwerfer sorgen für eine schaurige Atmosphäre. Hinter den Zäunen stehen als Sträflinge verkleidete Männer und Frauen, starren die Besucher durchdringend an. Draußen pfeift der Wind, inzwischen ist es dunkel.
Der Autor, schon fast ein Popstar
Als alle Zuschauer sitzen, schallt eine Stimme aus den Lautsprechern, mit lauter Musik und jeder Menge Nebel betritt Sebastian Fitzek hinter einem "Sträfling" die Lagerhalle und wird mit tosendem Applaus empfangen. Fast so wie ein Popstar. Nach einigen Minuten folgt ihm auch Vincent Kliesch, beide laufen im Käfig in der Mitte des Raumes auf und ab. Doch nicht nur die beiden Autoren sorgen für Unterhaltung und Gänsehaut: auch zwei Sprecher des Hörspiels, Oliver Masucci ("Four Blocks", "Babylon Berlin") und Svenja Jung ("Fucking Berlin, "A G'schicht über d‘Lieb") tragen eine Szene vor. Der Abend ist gespickt mit Anekdoten, Auszügen aus Buch und Hörspiel, kleinen Spielereien mit dem Publikum und – wer hätte das bei einer Thrillerlesung gedacht – jede Menge Witzen und Gelächter.
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So locker wie Sebastian Fitzek und Vincent Kliesch im Gespräch mit t-online.de wirken, sind sie auch während der Lesung – gelassen, witzig und vollkommen begeistert von ihrem Projekt.
Hinweis: "Auris" ist als Original-Hörspiel bei Audible erschienen und als Buch bei Droemer. Es hat 352 Seiten, kostet gebunden knapp 13 Euro und als eBook 10 Euro.
- Eigene Recherche