t-online - Nachrichten fΓΌr Deutschland
Such IconE-Mail IconMenΓΌ Icon

MenΓΌ Icont-online - Nachrichten fΓΌr Deutschland
Such Icon
HomeLebenFamilieFamilie & Beruf

Mitte 40, keine Kinder: "Der Zug ist abgefahren"


"Der Zug ist abgefahren und es kommt auch keiner mehr"

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 17.11.2016Lesedauer: 5 Min.
Eine Frau, die keine Kinder bekommt, muss sich hÀufig rechtfertigen - nicht nur vor sich selbst.Vergrâßern des BildesEine Frau, die keine Kinder bekommt, muss sich hÀufig rechtfertigen - nicht nur vor sich selbst. (Quelle: Symbolfoto/Thinkstock/leer)
Facebook LogoTwitter LogoPinterest LogoWhatsApp Logo

Alexandra ist eine attraktive Frau Mitte 40. WÀhrend ihre Freundinnen nach und nach eine Familie gründeten, steckte sie ihre Energie in den Beruf. Die Yogalehrerin liebt Kinder, glaubt aber nicht, dass ein Baby für jede Frau der Weg zum großen Glück ist. Niki ist 46. Sie war immer überzeugt, irgendwann einmal Mutter zu sein. Heute bereut sie es, ihren Kinderwunsch nicht stÀrker verfolgt zu haben.

Nikis Versuche, mit ihrem langjΓ€hrigen LebensgefΓ€hrten Nachwuchs zu bekommen, waren eher halbherzig. Es schien noch so viel Zeit zu sein. Bis es irgendwann zu spΓ€t war. Der Mann trennte sich von ihr, ging eine neue Beziehung ein und erwartet nun sein erstes Kind.

"Habe mich immer als Mama gesehen"

"Ich gΓΆnne es ihm, aber es tut weh. Ich finde es ungerecht, dass er mit fast 50 diese MΓΆglichkeit noch hat und mir diese TΓΌren nun fΓΌr immer verschlossen bleiben. Ich habe die biologische Uhr zwar ticken hΓΆren, aber vor meinem inneren Auge habe ich mich immer als Mama gesehen."

Niki war sicher, dass es noch irgendwann klappen wΓΌrde. Sie wollte nicht wahrhaben, dass sie nicht mehr wirklich jung war, dass es mit ΓΌber 40 schwerer sein wΓΌrde. "Jetzt habe ich das GefΓΌhl, mein GlΓΌck verspielt zu haben."

Das GlΓΌck hat viele Gesichter

Nachgedacht hat auch Alexandra ΓΌber das Thema Nachwuchs. Aber in ihren Augen gibt es nicht nur den einen Weg fΓΌr ein ausgefΓΌlltes Leben. "Ich glaube, dass unser aller Ziel die Suche nach dem wahren GlΓΌck ist, und das hat viele Facetten. Das persΓΆnliche GlΓΌck ΓΌber einen Partner, beruflichen Erfolg, Wohlstand oder eben ein Kind zu definieren, halte ich fΓΌr riskant. Denn das wahre GlΓΌck kΓΆnnen wir letztendlich nur in uns selbst finden."

Für sie gehârt dazu auch ein Stück weit die persânliche Freiheit, die sie nie wirklich bereit war aufzugeben. Ein Kind ist für sie eine große Verantwortung, vor der sie immer zurückgeschreckt ist.

"24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche fΓΌr das Wohlergehen eines anderen zustΓ€ndig zu sein - wenn ich darΓΌber nachdenke, habe ich hΓΆchsten Respekt vor allen Eltern." Sie schmunzelt: "Ich kann ja manchmal nicht mal hundertprozentig die Verantwortung fΓΌr mich ΓΌbernehmen."

Die Zeit schien noch nicht reif

Niki versteht, was Alexandra meint, trauert aber trotz dieser Argumente um die verpasste Chance. Auch den finanziellen Aspekt lΓ€sst sie nicht gelten. Sie hΓ€tte das genauso hinbekommen wie viele andere. Auch wenn sie selbststΓ€ndig ist.

Trotzdem ließ sie in den ersten Jahren, in denen ihre Freundinnen Kinder bekamen, die Zeit erst einmal verstreichen und beobachtete. "Am Anfang, als die ersten Mütter wurden, da habe ich sie tatsÀchlich nicht gerade beneidet." Tiefe Augenringe statt Wellness, vollgespuckte praktische T-Shirts statt cooler Klamotten, durchwachte NÀchte an Krankenbetten statt Restaurantbesuchen mit Freunden und Urlaub auf dem Bauernhof statt tollen Urlaubsorten.

"Aber", fΓΌgt sie hinzu, "da waren auch diese innigen Momente. Diese glΓ€nzenden Augen, wenn sie von ihren Kindern erzΓ€hlten. So ein GefΓΌhl, das wie Dauerverliebtheit scheint. Wenn das nicht beneidenswert ist", seufzt sie.

Windelinhalte und eklige Krankheiten

"Mir ist das eher auf die Nerven gegangen", antwortet Alexandra. "Erst ging es dauernd um Windelinhalte, Kindergartenplatz, kleine Bonmots und die seltsamsten und auch ekligsten Krankheiten. Egal, welches Thema man anschnitt, es schien diese Frauen, die frΓΌher genauso waren wie ich, plΓΆtzlich nichts anderes mehr zu interessieren."

Sie dachte damals noch, das gibt sich. "Aber heute hΓΆre ich mir an, wie gemein die Grundschullehrerin ist, dass der Teenager seine Mama wieder zum Heulen gebracht hat, dass der 18-JΓ€hrige dauernd die Hand aufhΓ€lt und nicht im Geringsten daran denkt, etwas AnstΓ€ndiges zu machen."

"Manchmal nervt es mich!"

In ein paar Jahren wird es dann wahrscheinlich das Gejammer darΓΌber sein, dass die Enkelkinder zu hΓ€ufig oder zu selten zu Besuch sind, dass man aufgrund der Erziehungsjahre keinen Anschluss mehr im Beruf findet oder die Rente zu gering ausfΓ€llt. "Manchmal nervt es mich!"

Niki findet diese Ansicht ungerecht. Sie ist der Meinung, dass gerade die Frauen, die ein Kind großgezogen haben und jetzt wieder Fuß fassen im Beruf, eine selbstbewusste Ausstrahlung haben.

"Das ist doch auch cool. Gerade die, die etwas jΓΌnger ihre Kinder bekommen haben, haben ein Lebenskapitel erfolgreich zu Ende gebracht und kΓΆnnen jetzt noch mal ganz neu durchstarten."

Die Eltern würden gerne Großeltern werden

Auf die Frage nach den eigenen Eltern verdrehen beide die Augen: "Irgendwie hΓ€ngt da immer so ein unausgesprochener Vorwurf im Raum - und dann diese spitzen Bemerkungen. Meine Eltern lassen keine Gelegenheit aus, mich dezent darauf hinzuweisen, dass ich sie um einen Lebensinhalt bringe. Ich kann es manchmal nicht mehr hΓΆren.", meint Alexandra. "Als gΓ€be es nichts anderes im Leben."

"Was meinst du, wie es mir geht?", antwortet Niki. "HΓ€tte ich nicht so stark das GefΓΌhl, meine Eltern hΓ€tten mit ihrem stummen Vorwurf Recht, dann wΓ€re es vielleicht einfacher. Aber wenn man selbst das GefΓΌhl hat, seine Chancen im Leben nicht genutzt zu haben, wenn einen der Anblick jeder Schwangeren einen Stich versetzt, dann spΓΌre ich bei diesen Blicken meiner Mutter eine tiefe Traurigkeit. Es ist das GefΓΌhl, dass etwas Entscheidendes fehlt und ich daran schuld bin."

Angst vor dem Alter?

Am schlimmsten finden beide die Blicke anderer MΓΌtter, wenn es um das Thema Nachwuchs geht. Niki empfindet sie als mitleidig, Alexandra als arrogant.

"In diesen Momenten helfe ich mir selbst, indem ich an die andere Seite der Elternmedaille denke", meint Alexandra. "SpontaneitΓ€t und FlexibilitΓ€t sind mir wichtig, beruflich wie privat."

Sie mΓΆchte nicht so gestresst sein wie manche ihrer Freundinnen, deren MΓ€nner sich jetzt noch mal selbst verwirklichen - meist mit jΓΌngeren Frauen - und die tΓ€glich bis zur vΓΆlligen ErschΓΆpfung versuchen, ihren Beruf, die Schule, die tausend Termine und all das unter einen Hut zu bekommen.

"Aber kennst du nicht diese Angst, im Alter mal alleine dazusitzen?" Nachdenklich schΓΌttelt Alexandra den Kopf. "Wer garantiert dir denn, dass deine Kinder dich besuchen kommen? Ist das dann nicht noch viel schlimmer, wenn man sich so viele Jahre aufopfert und dann kommen sie vielleicht gerade mal an Jubeltagen. Wenn ΓΌberhaupt."

"Du glaubst also, du wirst Deine Entscheidung nie bereuen?" Niki ist skeptisch. "Irgendwann ist man weg und dann bleibt nichts. Niemand wird sich spΓ€ter mal liebevoll an mich erinnern oder seinen eigenen Kindern von mir erzΓ€hlen." "Das kommt doch auf dich an", protestiert Alexandra.

Leih-Kinder machen Spaß

"Die MΓΌtter, die ich kenne, sind alle froh, wenn ich mich mal ein wenig um ihre Kinder kΓΌmmere. Es gibt LeihmΓΌtter, ich habe Leihkinder. Ich kann die schΓΆnen Dinge mit ihnen machen. Die KΓΌr sozusagen, von den Pflichten bin ich ja befreit."

Alexandra ist sehr gerne mit Kindern zusammen, aber sie geht auch gerne wieder in ihre ruhige und aufgerΓ€umte Wohnung. Niki seufzt tief. "Ich wΓΌrde lieber ΓΌber Spielzeug stolpern. Aber der Zug ist nun mal abgefahren und es kommt auch keiner mehr."

Loading...
Loading...
Loading...

Die AuflΓΆsung

TatsΓ€chlich sind Alexandra und Niki PersΓΆnlichkeitsanteile einer Person. Dieses GesprΓ€ch hat nicht real stattgefunden, sondern ist eines der vielen inneren ZwiegesprΓ€che, von denen die 46-jΓ€hrige Alexandra Niki im Interview mit t-online.de erzΓ€hlte.

Solche ZwiegesprΓ€che fΓΌhrt sie fast tΓ€glich: wenn ihr beim Anblick einer Mutter mit ihrem Baby die TrΓ€nen in die Augen steigen. Aber auch dann, wenn sie ihren beruflichen Erfolg auskostet und durch die Welt reist, um ihre Arbeit zu vertiefen.

Die Hamburgerin fΓΌhlt sich, wie viele andere kinderlose Frauen in ihrem Alter, zerrissen. Bei einem allerdings sind sich beide Teile in ihr einig: Es geht niemanden etwas an, welche Entscheidung sie in ihrem Leben trifft und warum. Das GefΓΌhl, sich dauernd dafΓΌr rechtfertigen zu mΓΌssen, warum sie kein Kind hat, empfindet die 46-JΓ€hrige als bedrΓΌckend und als unfair.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

t-online - Nachrichten fΓΌr Deutschland


TelekomCo2 Neutrale Website