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Flex: Wie geeignet sind die Flex-Klassen?


Einschulung
Wie gut sind die Flex-Klassen für Schüler?

t-online, Simone Blaß

03.02.2014Lesedauer: 4 Min.
In Flex-Klassen wird jahrgangsübergreifend gelehrt, um Schülern unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten zu ermöglichen.Vergrößern des BildesIn Flex-Klassen wird jahrgangsübergreifend gelehrt, um Schülern unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten zu ermöglichen. (Quelle: dpa-bilder)
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Schüler

Vor allem die Klassen eins und zwei werden jahrgangsübergreifend unterrichtet, manchmal auch die Klassen drei und vier. Ähnlich wie man es von Schulentwicklungskonzepten wie Jenaplan kennt. Zusätzliche Lehrerwochenstunden, abgedeckt durch eine zweite Lehrkraft, neue Formen der Leistungserhebung, kleine Klassenstärken - so sollte es sein. Die Schüler dürfen mindestens ein Jahr, maximal drei Jahre brauchen, um den Stoff zu verinnerlichen. Wer dieses dritte Jahr benötigt, dem wird es nicht angerechnet.

Wie empfinden die Kinder das dritte Jahr?

Ein drittes Verweiljahr gilt also nicht als Wiederholjahr und wird, so Eva Lang vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) in München, auch nicht als Sitzenbleiben wahrgenommen: "Das Kind braucht es nicht zu erleben, dass alle Themen, die es schon kennt, noch einmal eingeführt und geübt werden, unabhängig davon, ob Nachholbedarf besteht oder nicht. In einer jahrgangsgemischten Klasse wird der Unterricht so organisiert, dass Lernende entsprechend ihrer Lernbedürfnisse üben, und nicht nur entsprechend ihres Schulbesuchsjahres."

Kritiker sehen diese Lösung nicht ganz so entspannt, sprechen gar, wie der Schulexperte und Fachautor Günter Jansen, von einem Stigma: "Dann nämlich, wenn Mitschüler schon nach einem Jahr, die meisten der anderen nach zwei Jahren, schließlich sogar später Eingeschulte an ihnen vorbei in die dritte Klasse versetzt werden. Keine auch noch so charmant formulierte Sprachvorlage aus dem Ministerium wird den Kindern diese Kränkung nehmen können."

Leichterer Übergang zwischen Kindergarten und Grundschule

Lang sieht das ganz anders. Schließlich findet sich das entsprechende Kind nicht in einer völlig neuen Klasse wieder, sondern lernt mit etwa der Hälfte der alten Klasse zusammen weiter, und nimmt mit ihnen gemeinsam die Funktion der Schulexperten ein. "Die Kinder im zweiten beziehungsweise dritten Schulbesuchsjahr nehmen die Neulinge ganz selbstverständlich mit, sind ihnen Vorbild, zeigen und erklären." Bereits erworbene Kompetenzen können so praktisch angewendet werden, was Selbstbewusstsein und Sozialkompetenz stärken soll. "Die den Schulanfängern bereits aus dem Kindergarten vertraute Situation einer altersgemischten Gruppe findet in der Schule ihre Fortsetzung, und die Kinder erhalten durch erfahrene Paten ein Maß an Aufmerksamkeit und individueller Zuwendung, das weit über das hinausgeht, was eine einzelne Lehrkraft zu leisten imstande wäre."

Allerdings findet man immer wieder in der Fachliteratur Hinweise darauf, dass Kinder sich auch in Flex-Klassen gleichaltrige und ähnlich leistungsstarke Freunde suchen. Das neue System somit anfällig ist für Spannungen und Konflikte zwischen den Altersstufen.

Mit der Dorfschule von früher nicht zu vergleichen

Das Ziel der flexiblen Schuleingangsphase ist es, Lernen im für das Kind richtigen Tempo zu ermöglichen, individuell und optimal integriert in den Klassenverband. Die Aufgaben sollen so konzipiert sein, dass sie allen Schülern ein Arbeiten auf verschiedenen Niveaustufen möglich machen, am besten mit Arbeitsmaterialen, die ein selbstgesteuertes Lernen ermöglichen.

Auf den ersten Blick erinnert das Konzept ein wenig an die Dorfschulklassen von früher. Udo Beckmann, der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, hat in seiner Kindheit selbst eine solche Schule besucht: "Es gibt Ähnlichkeiten insofern, dass auch hier miteinbezogen wird, dass die Jüngeren mit Unterstützung der älteren Schüler unterrichtet werden. Aber der Unterricht hat sich weiterentwickelt, genau wie die Kinder und die Gesellschaft an sich. Beide Modelle sind also nicht zu vergleichen."

Schüler sind keine Versuchskaninchen

Noch ist die flexible Schuleingangsphase ein Modellversuch, von jedem Bundesland anders ausgelegt und umgesetzt. "Es macht auch wenig Sinn, so etwas von oben zu verordnen, die Schulen sollen die Möglichkeit haben, sich auf ein bestimmtes pädagogisches Konzept zu einigen, um dieses dann auch über Jahre durchzuziehen", erklärt Beckmann. Schließlich sollten die Kinder keine Versuchskaninchen sein. Doch im deutschen Schulsystem mahlen die Mühlen langsam. Was anderswo bereits große Erfolge zeigt, muss sich hier erst einmal durchsetzen. Und Verbesserungspotenzial ist vorhanden.

Ein weiteres Experiment an Schulkindern?

Nicht überall, so befürchten Skeptiker, steht das Wohl der Kinder im Vordergrund. "Dies ist eine weitere Sparmaßnahme, vor der nicht genug gewarnt werden kann!" Mit diesen klaren Worten wendet sich Günther Jansen, früher selbst Lehrer, an die Öffentlichkeit. Er hält die Flex-Klassen für ein schulministerielles Experiment an und mit Grundschulkindern. Auch viele Eltern stehen dem Projekt kritisch gegenüber. Und zwar sowohl die von leistungsstarken, als auch die von leistungsschwachen Schülern: Befürchten die einen, der Lehrer könnte sich verstärkt den Schwachen zuwenden, haben die anderen Bedenken, schwache und vor allem schüchterne Kinder könnten nun komplett in der Menge untergehen. Wie in so vielen Fällen steht und fällt alles mit der Gesamtsituation der Schule und dem Engagement der Lehrer.

Nicht nur die schulische Reife ist wichtig

Eltern, die ihr Kind von der flexiblen Schuleingangsphase profitieren lassen wollen, können, wenn der eigene Sprengel nicht über die Schulform verfügt, einen Gastschulantrag stellen. "Voraussetzung dafür ist in Bayern eine entsprechende Einigung zwischen dem Schulamt sowie der abgebenden und der aufnehmenden Gemeinde", so eine Vertreterin des Kultusministerium. Conny Schmidt und ihr Mann Matthias haben sich für diesen Weg entschieden. "Wir sind total zufrieden mit der Entscheidung", berichtet sie. Der Übergang zur Schule verlief reibungslos. Charlotte ist ein aufgewecktes Mädchen, gleicht sich in ihrem Wissen bereits jetzt schon den Zweitklässlern an. "Das ist allerdings meine einzige Sorge: Ich bin nicht begeistert, wenn sie die zwei Jahre bereits in einem bewältigt, denn selbst, wenn sie dann vom Stoff her reif wäre für die dritte Klasse, die Seelen- und die soziale Reife spielen hier ja auch noch eine Rolle."

Im Rahmen des Modellversuchs treffen die Erziehungsberechtigten die Entscheidung über eine einjährige Verweildauer nach Beratung durch die Schule. "Auch die Entscheidung über eine dreijährige Verweildauer soll im Einvernehmen zwischen Schule und Erziehungsberechtigten getroffen werden", so Lang. "In den Fällen, in denen das nicht hergestellt werden kann, entscheidet das staatliche Schulamt nach Anhörung eines Schulpsychologen."

Grundschullehrer werden überfordert

Das immer wieder laut werdende Argument, diese Schulform eigne sich nicht für alle Schulanfänger - vor allem nicht für solche mit AD(H)S - lässt sie nicht gelten. "Der Unterricht in einer Klasse der flexiblen Grundschule eignet sich für alle Kinder, wie jede andere Grundschulklasse auch. Die Aufgabe, Unterricht fach- und sachgerecht zu planen und Strukturen zu schaffen, die Sicherheit und Ordnung bieten, zum Beispiel durch Rituale oder immer gleiche Routinen bei bekannten Arbeitsabläufen, betrifft Lehrkräfte in flexiblen Grundschulklassen und in Regelklassen gleichermaßen." Eine echte Herausforderung angesichts der heterogenen Klassen. Die Kritiker sind sich sicher: Das, was heute von Grundschullehrern gefordert wird, können diese selbst bei bester Ausbildung nicht leisten.

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