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Was tun, wenn die Tochter promisk ist?
Zu viel Make-up, kurze Röcke und stĂ€ndig wechselnde Freunde â das Verhalten pubertierender MĂ€dchen sorgt in vielen Familien fĂŒr Ărger und Sorge. Ist das noch normal oder schon promisk?
Das Verhalten gibt es bei beiden Geschlechtern. Nur: Wenn ein junger Mann seine Freundinnen wie die UnterwĂ€sche wechselt, heiĂt es: Der muss sich seine Hörner abstoĂen. MĂ€dchen dagegen haben schnell einen schlechten Ruf, wenn sie ein Ă€hnliches Verhalten an den Tag legen. Es sind die typischen Klischees. Eltern sollten trotzdem wissen, wie sie sich verhalten sollten, wenn ihre Tochter mal diesen und mal jenen kĂŒsst.
Einen schlechten Ruf hat man schnell
"Hilfe, meine Tochter treibt es mit jedem!", "Was tun, wenn die 15-jĂ€hrige Tochter mannstoll ist?" oder "Die Jungs nennen mein Kind eine geile Schlampe" â solche und Ă€hnlich besorgte Anfragen kann man zahlreich in Internetforen finden. Und immer wieder folgende Fragen: Was ist noch normales Ausprobieren? Wo ist die Grenze zur PromiskuitĂ€t? Und wo die zur Selbstzerstörung?
MĂ€dchen in der PubertĂ€t merken alle, dass sie auf Jungs und auch auf MĂ€nner eine Wirkung haben. Wie sie damit umgehen, ist allerdings unterschiedlich. Die einen schĂ€men sich fĂŒr ihren sich verĂ€ndernden Körper und die entstehende Weiblichkeit und verstecken sich hinter unförmiger Kleidung. Die anderen probieren aus, kokettieren, ahmen erwachsene Frauen nach und ĂŒbertreiben es dabei auch manchmal. Was schnell nach hinten losgehen kann, denn das Attribut "Schlampe" bezieht sich nicht nur auf Verhalten, sondern das beginnt schon beim Aussehen.
Zu viel Make-up, zu hohe Schuhe, zu kurze Röcke und zu viel Haut â da kann der Ruf bereits ins Wanken geraten und zwar schon im engsten Umfeld. Nicht selten sind die ersten, die lĂ€stern, die vermeintlichen "Freundinnen". "Da spielt Neid durchaus eine Rolle", erklĂ€rt Diplompsychologe Andreas Engel. "Zum Beispiel, wenn die andere etwas auslebt, was man sich selbst nicht erlaubt. Oder wenn sie einfach mehr Erfolg hat beim anderen Geschlecht."
Neinsagen sollte von klein auf geĂŒbt werden
NatĂŒrlich wĂŒnschen sich Eltern fĂŒr ihr Kind, dass die ersten sexuellen Erfahrungen geprĂ€gt sind von Zeitlassen und Vertrauen. Geht die Entwicklung in eine andere Richtung, dann ist es normal, sich Sorgen zu machen, was passieren könnte: eine ungewollte Schwangerschaft, sexuell ĂŒbertragbare Krankheiten und natĂŒrlich schlechte Erfahrungen.
Aber die wichtigste Rolle im Leben eines Jugendlichen nehmen nun mal nicht mehr die Eltern ein. Die Meinung der anderen ist in diesem Alter allein schon entwicklungsbedingt viel entscheidender. Da kann es passieren, dass ein MĂ€dchen in eine Situation kommt, die es so gar nicht wollte und die sie ĂŒberfordert: "BefĂŒrchtet das MĂ€dchen, dass ein Nein zu Sex Abwertung oder Ausgrenzung bei den anderen bedeuten kann, dann ist es schwer, die eigenen BedĂŒrfnisse ĂŒber die der Gruppe zu stellen", so die Psychotherapeutin Uta GĂŒnther. "Vor allem dann, wenn das MĂ€dchen nicht von klein auf gelernt hat, dass ihr Körper nur ihr gehört, wo die Grenzen sind und dass andere diese zu respektieren haben!"
Die entscheidende Frage ist also, ob sie das tut, was sie möchte und was ihr guttut, ob sie etwas sucht bzw. vermisst oder ob es eine Strategie ist. Mit der die junge Frau â bewusst oder unbewusst â etwas ganz anderes erreichen möchte: Anerkennung zum Beispiel oder ein GefĂŒhl des Dazugehörens und der Geborgenheit. Vielleicht auch eine Flucht aus einem schwierigen Elternhaus.
Sie suchen Liebe und bekommen Sex
VerhĂ€lt sich eine junge Frau promiskuitiv, dann sollte man also genau hinsehen. Denn immerhin erfĂ€hrt jedes vierte MĂ€dchen in Deutschland sexuellen Missbrauch durch eine ihm nahestehende Person. Erlebt MachtausĂŒbung und Grenzverletzung. Das Verhalten kann ein Symptom sein sowohl dafĂŒr als auch zum Beispiel fĂŒr Borderline- und Traumafolgestörungen und soll oft ablenken vom eigenen Leid.
"Allerdings", darauf weist die SozialpÀdagogin Dagmar Stöhr von Wildwasser e.V. hin, "ist es sicher nicht richtig, jedem MÀdchen, das sich mit vielen Jungs einlÀsst, einen Leidensdruck zu unterstellen. Man muss genau hinsehen und -hören und einen individuellen Blick darauf haben."
Eine Aufgabe, die den Erwachsenen zukommt. Denn gerade in dieser schwierigen Lebensphase braucht es einen stabilen Ansprechpartner, der nicht wertet. "Bei der ganzen Thematik stellt sich auch die Frage, inwieweit Vertrauen zu Erwachsenen da ist, um ĂŒber alles reden zu können", so die Psychologin. "Und auch die Erwachsenen um das MĂ€dchen herum sollten einmal reflektieren, was sie vorleben und welche Einstellung zu Körper und zu SexualitĂ€t sie vermitteln."
Zugang zu GefĂŒhlen bieten
Die Frage ist nur, wie erreicht man sein Kind, wenn man merkt, die eigene Tochter (oder natĂŒrlich auch der Sohn) legt ein Verhalten an den Tag, das ĂŒber das gebotene MaĂ hinausgeht und nicht mehr gut fĂŒr sie ist? Eine Frage, die Andreas Engel kritisch beantwortet. "Eltern sind mit ihren Jugendlichen oft nicht positiv im GesprĂ€ch, sind genervt, gereizt, kritisieren an ihren Kindern dauernd herum â da ist es dann auch schwer, den anderen zu erreichen. Aber nur, wenn das gelingt, kann man das MĂ€dchen auch zum Nachdenken ermutigen."
Zum Beispiel, indem man fragt, welche Erfahrungen es mit seinem Verhalten macht, ob es Risiken sieht und wie es selbst die Reaktionen bewertet, die es auslöst. Wie es ihm geht, wenn die anderen tuscheln. Dabei darf und soll auch zur Sprache gebracht werden, wie man sich selbst fĂŒhlt, wenn die Nachbarn das eigene Kind ganz offensichtlich in die Schlampen-Schublade stecken: "Ich-Botschaften erreichen das jugendliche GegenĂŒber dabei deutlich besser als VorwĂŒrfe", erinnert der Diplompsychologe.
"Du verhÀltst dich wie eine Schlampe!"
Wichtig dabei ist nicht nur der richtige Moment, sondern auch der geeignete Tonfall. Eine schwierige Aufgabe fĂŒr Eltern, die bereits innerlich aufgewĂŒhlt sind: "NatĂŒrlich kann es auch mal dazu kommen, dass einem ein blöder Spruch rausrutscht. Aber dann sollte man sich darĂŒber klar werden, dass so etwas nur dann passiert, wenn in einem bereits etwas gĂ€rt, das negative GefĂŒhle auslöst. Aggressionen oder vielleicht sogar auch Neid auf die Jugend des Kindes. Das sind unbewusste Hinweise, die man ernstnehmen und ansprechen sollte." Im GesprĂ€ch bleiben und WertschĂ€tzung zeigen â das ist wichtig. Denn durch ein ehrliches GesprĂ€ch verlieren die Dinge die unbewusste Seite, werden ins Bewusstsein gerĂŒckt und ganz anders betrachtet.
Problematisch wird es, wenn das MĂ€dchen beginnt, sich mit seinem Ruf zu identifizieren und sich selbst abwertet. Wenn die junge Frau in einer schwierigen Phase steckt, keinen Zugang zu ihren eigenen BedĂŒrfnissen mehr findet und sich selbst zu wenig liebt, um gut auf sich zu achten: "Da kommt man im Erziehungsalltag wirklich an seine Grenzen und sollte sich Hilfe holen." Eine Erziehungsberatung kann hier die erste Anlaufstelle sein.