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Deutsches Bier in Gefahr: Wie die Klimakrise den Geschmack bedroht


Braukunst muss sich ändern
Dem deutschen Bier droht ein Geschmacksverlust

  • Theresa Crysmann
Von Theresa Crysmann

Aktualisiert am 24.04.2023Lesedauer: 4 Min.
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Wiesnbesucher auf dem Oktoberfest 2022: Der Bierdurst mag groß sein, doch die Brauereien in Deutschland stehen vor einem wachsenden Problem.Vergrößern des Bildes
Wiesn-Besucher auf dem Oktoberfest 2022: Der Bierdurst mag groß sein, doch die Brauereien in Deutschland stehen vor einem wachsenden Problem. (Quelle: IMAGO/Wolfgang Maria Weber)

Die anhaltende Dürre macht den Böden zu schaffen, der nächste Hitzesommer scheint gewiss. Deutschlands Brauereien müssen einlenken, um ihre Rezepturen zu retten.

Hopfen gehört zu den deutschen Exportschlagern, ein Drittel der weltweiten Ernte stammt aus Bayern. Doch die Bauern in den mehr als 1.000 Jahre alten Anbaugebieten der Bundesrepublik stehen vor einer nie dagewesenen Herausforderung: Die Klimakrise droht ihre Lebensgrundlage zu vernichten – und damit auch die Zukunft deutscher Biere.

Denn egal ob Pils, Kölsch, Helles oder Weißbier: Ohne Hopfen geht es nicht. Die stetig steigende Zahl an Hitzetagen und Sonnenstunden, der zunehmend unberechenbare Niederschlag und das wachsende Dürreproblem stellen die bisherigen Rezepturen immer stärker infrage.

"Hopfen ist praktisch den ganzen Sommer über der extremen Witterung ausgesetzt. Gerade ältere Sorten leiden darunter sehr stark, weil sie vor Jahrhunderten unter ganz anderen Klimabedingungen selektiert worden sind", sagt Anton Lutz, Züchter am Hopfenforschungszentrum Hüll im ältesten Anbaugebiet der Republik, der oberbayerischen Hallertau.

Im vergangenen Jahr mussten die Hopfenbauern knapp ein Drittel an Ernteeinbußen schultern, bei den besonders anfälligen alten Hopfensorten – die wichtigste Zutat für die herben Traditionsbiere – sei teils knapp die Hälfte der Ernte verloren gegangen.

Trockenstress zerstört wichtigste Geschmackseigenschaft

Das Problem: Hopfen wächst schnell und ist relativ durstig. In Dürrejahren wird ihm das zum Verhängnis. Viele Pflanzen gehen mangels ausreichender Bewässerung ein – bundesweit können nur rund 20 Prozent der Hopfenanbauflächen künstlich bewässert werden.

Trotz meist wassersparender Tröpfchenbewässerung reichen die von den Wasserwirtschaftsämtern genehmigten Kontingente nicht, wenn lange Hitze- und Trockenperioden zuschlagen. Hinzu kommen vermehrt Schädlinge wie Spinnmilben oder der sogenannte Hopfenerdfloh, die sich bei steigenden Temperaturen besonders wohlfühlen.

Überleben Pflanzen der alten Sorten all das, sei ihre Qualität zum Erntezeitpunkt im September dennoch stark eingeschränkt, erklärt Experte Lutz. Der Trockenstress reduziere die Bitterstoffe der Pflanze und Brauereien bräuchten die doppelte Menge, um auf den gewohnten Biergeschmack zu kommen.

"Bei den hohen Ansprüchen unserer Kunden an die Bierqualität müssen die Auswirkungen auf das Endprodukt durch extrem hohen Aufwand beim Mälzen und Brauen so gering wie möglich gehalten werden", klagt auch Walter König, Geschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds.

In gewissem Rahmen dürfte sich das Problem durch Lagerbestände aus besseren Jahren auffangen lassen – noch. Denn die kommenden Sommer werden den Prognosen von Meteorologen und Klimaforschern zufolge noch heißer und trockener. Die einzige wirkliche Lösung liegt wohl im Labor.

Neue Sorten wecken noch Skepsis

Im Hopfenforschungszentrum feilen Anton Lutz und seine Kollegen daher an neuen Sorten. Das Team zählt zur Weltspitze der Hopfenzüchter und soll das Brautum mit klimaresistenteren Varianten zukunftsfest machen. "Je neuer die Sorten sind, desto weniger reagieren sie auf diese extremen Bedingungen", so Lutz. Idealerweise sind die neuartigen Hopfensorten hitzeresistenter, genügsamer in der Bewässerung, besser gegen Schädlinge gewappnet und werden von den Bauern ebenso akzeptiert wie von den Brauereien. Letzteres ist jedoch nicht einfach.

Gerade die Brauer gelten in der Branche als veränderungsscheu, besonders, wenn es um den Aromahopfen geht. Dieser sorgt am Ende des Brauprozesses für die feineren Geschmacksnoten. "Da sind die Brauer sehr vorsichtig, weil sie immer Angst haben, dass sich der Gesamteindruck des Bieres ändert und die Verbraucher das nicht akzeptieren", sagt Hopfenzüchter Lutz.

Besonders groß sei die Sorge, die deutschen Traditionsbiere könnten zu fruchtig werden. Bevor eine neue Aromasorte angenommen werde, bestünde jede Brauerei deshalb auf aufwändige Testreihen über mehrere Jahre, um größere Geschmacksabweichungen auszuschließen und die eigenen Rezepturen anzupassen.

"Und wenn dann wieder günstige Jahre kommen und die alten Sorten doch wieder gut wachsen, verschwinden die Sudversuche teils wieder in der Versenkung", sagt Anton Lutz. Er hält diesen Ansatz für riskant: "Neuzüchtungen bieten die einzige Möglichkeit, sich an die künftigen Herausforderungen durch den Klimawandel anzupassen. Langfristig werden die Brauer nicht darum herumkommen, sich sortenmäßig umzustellen."

Auf Anfrage heißt es beim Bayerischen Brauerbund, es sei brautechnisch "sehr schwer und in vielen Fällen unmöglich", traditionelle Hopfensorten durch neuere Aromasorten zu ersetzen. Die maue Nachfrage hat bereits dazu geführt, dass Hopfenbauer, die den Umstieg bereits gewagt hatten, wieder zurückgerudert sind und hektarweise Aromahopfen gerodet haben.

Verbandschef Walter König betont dennoch, die Brauereien seien bemüht, auch diese Sorten abzunehmen und ihre Rezepturen entsprechend abzuwandeln. Nur: So schnell wie sich die Hopfenbauern sich das wünschten, gehe es eben nicht.

Mit Titan und Tango gegen Extremwetter

Immerhin: Bei den Bitterhopfensorten, die zu Anfang des Brauprozesses den geschmacklichen Grundstock eines Bieres liefern, kann Züchter Lutz schon Erfolge vorweisen: "Titan" ist seit Freitag zum Anbau freigegeben und wird, so hofft er, gut angenommen werden. "In diesem Bereich wird eine neue Sorte von Landwirten und Brauern schnell akzeptiert, wenn man nachweisen kann, dass die Qualität mit älteren Sorten vergleichbar ist", sagt Lutz.

Dafür helfen er und seine Kollegen auch mit entsprechenden Namen nach – potent und mächtig sollen sie klingen. Mit "Herkules", einer Sorte von 2006, haben sie es bereits an die Weltmarktspitze geschafft. Der klimafestere "Titan" soll jetzt nachziehen.

Und auch eine neue Aromazüchtung darf seit dieser Woche in den Boden: "Mit Tango haben wir jetzt eine Sorte rausgebracht, bei der nachgewiesen ist, dass im Brauprozess eine ganz klassische Bitterheit rauskommt", sagt Anton Lutz. Er hofft, dass damit die Angst der Brauer vor blumigen Fruchtnoten gebannt und das bevorstehende Interesse groß ist.

"Die Braumeister werden durch ihre Braukunst und die zunehmende Erfahrung im Einsatz der neuen Sorten dafür sorgen, dass sich der Biergeschmack der einzelnen Sorten und Marken nicht merklich verändern wird", verspricht auch Brauereiverbandschef König. "Die neuen klimatoleranten Hopfensorten werden nach und nach ihren Weg auch in die klassischen Rezepturen finden." Eine andere Wahl bleibt den Brauern wohl auch nicht. Der nächste Hitzesommer steht bevor.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Anton Lutz, Hopfenforschungszentrum Hüll, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
  • Schriftliche Anfrage beim Bayerischen Brauerbund
  • Regensburger Nachrichten: "Deutsche Hopfenernte 2022: Ein besonders schlechtes Jahr"
  • Augsburger Allgemeine: "Sorge ums bayerische Bier: Der Klimawandel setzt dem Hopfen zu"
  • Donau-Kurier: "Mit schwerem Gerät gegen die neuen Hopfensorten"
  • Pressemitteilung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft: "LfL-Forschung: Bester Hopfen für die besten Biere der Welt"
  • Hops Academy: "Wie reagiert Hopfen auf den Klimawandel?"
  • Biermap24-Magazin: "Deutsche Hopfensorten"
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