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Kindernotdienst Berlin: Dramatische Situation und "unhaltbare Zustände"


"Katastrophe mit Ansage"
"Kinder bewaffnen sich": Notdienst in Berlin schlägt Alarm

  • Nils Heidemann
Von Nils Heidemann

Aktualisiert am 09.06.2023Lesedauer: 3 Min.
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Zwei Kinder streiten sich (Archivbild): Der Kindernotdienst in der Hauptstadt spricht von "struktureller Überlastung".Vergrößern des Bildes
Zwei Kinder streiten sich (Archivbild): Der Kindernotdienst in der Hauptstadt spricht von "struktureller Überlastung". (Quelle: phototek/imago images)

Der Kindernotdienst in Berlin spricht von struktureller Überlastung. Das birgt laut der Stelle erhebliche Gefahren.

In der Hauptstadt schlägt der Kindernotdienst Alarm. Es komme derzeit bei den bedürftigen Kindern immer wieder zu Selbstverletzungen und körperlichen sowie sexualisierten Übergriffen. Das geht aus einem Schreiben an Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, Katharina Günther-Wünsch (CDU), hervor, das t-online vorliegt.

Grund dafür sei eine im Kindernotdienst seit Jahren zunehmende strukturelle Überlastung. Es fehle an räumlicher, personeller und fachlicher Ausstattung. Die Aufenthaltsdauer der teils schwer traumatisierten Kinder ist für wenige Tage ausgelegt, heißt es in dem Brandbrief. Doch die Jüngsten bleiben häufig mehrere Monate. Viele seien daher "frustriert und verzweifelt".

"Situation, die nicht auszuhalten ist"

Das führt den Angaben zufolge zu Problemen: "Einige der Kinder bewaffnen sich mit spitzen Gegenständen oder Messern, um sich vor Übergriffen zu schützen oder selbst welche zu begehen", so die Warnung an den Senat. Deshalb seien seit mehreren Monaten Security-Mitarbeiter im Einsatz. "Polizei und Rettungsdienste sind Dauergäste im Kindernotdienst", heißt es in dem Schreiben.

Man habe den Senat über Jahre immer wieder auf diese Probleme aufmerksam gemacht und Fälle dokumentiert. Doch dieser handelte laut des Kindernotdienstes offenbar nicht in ausreichendem Maße: "Ergriffene Maßnahmen zielen lediglich darauf ab, den Kindernotdienst an die vielen Eskalationen und die unverhältnismäßigen und rechtswidrig langen Aufenthalte anzupassen."

Notdienst warnt: "Katastrophe mit Ansage"

Der Notdienst spricht wegen der immer wiederkehrenden eskalierenden Gewalt von einer "Situation, die nicht auszuhalten ist". Immer wieder fallen die neun Mitarbeitenden laut eigener Aussage wegen Krankheit, Rückzug, Selbstschutz oder Resignation aus – insgesamt kamen sie offenbar Stand Anfang Mai auf mehr als 1.000 Überstunden.

In dem Brief kommt auch das von zwei Kindern getötete zwölfjährige Kind zur Sprache. "Wir sagen an dieser Stelle in aller Deutlichkeit, dass dazu nicht mehr viel fehlt. Sei es durch Fehleinschätzungen aufgrund unzureichenden Personals, sei es durch Selbstverletzung oder körperliche Übergriffe", so die Bilanz des Kindernotdienstes. Was aktuell passiere, sei eine "Katastrophe mit Ansage". Der Notdienst fordert neben politischen Änderungen unter anderem konkret, die Personalsituation zu verbessern, eine zweite Gruppe im Kindernotdienst und den geplanten vierten Standort, "der seit mindestens einem Jahr im Gespräch ist", zu schaffen.

Senat nimmt das Schreiben sehr ernst

Jugendsenatorin Günther-Wünsch sagte dem "Tagesspiegel", dass sie den Brief mit großer Ernsthaftigkeit zur Kenntnis genommen habe. "Der Schutz von Kindern und Jugendlichen hat für den Senat hohe Priorität." Sie halte die Eröffnung des vierten Standortes für dringend geboten.

Laut dem RBB nimmt auch Jugendstaatssekretär Falko Liecke (CDU) die Vorwürfe sehr ernst, stellt aber auch fest: "Es geht um zehn Plätze, die nie oder in den seltensten Fällen zu hundert Prozent belegt sind. Es geht um einen relativ überschaubaren Kreis von jungen Leuten. Wenn Sie überlegen, dass sie 45 Kolleginnen und Kollegen vor Ort haben, stellt sich die Frage, ob das nicht überzogen ist, was da geschildert wird." Gleichzeitig räumt er ein, dass die vorgesehene Betreuungsdauer häufig nicht eingehalten werde.

Es werde schon viel getan, um die Situation im Kindernotdienst zu verbessern, sagt er dem RBB, etwa durch tagesstrukturierende Angebote für die dort betreuten Kinder. "Fairerweise wäre es gut, vielleicht mit uns direkt zu reden und keine Brandbriefe in die Welt zu setzen, wo auch in Teilen Unwahrheiten drinstehen." Liecke will sich in den kommenden Tagen vor Ort ein Bild machen.

Verwendete Quellen
  • Schreiben des Berliner Kindernotdienstes an den Senat
  • tagesspiegel.de: "Überlastung und Gewaltvorfälle – Kindernotdienst warnt vor Zusammenbruch"
  • rbb24.de: "Berliner Kindernotdienst warnt vor 'unhaltbaren Zuständen'"
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