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Brandanschläge auf Bremer "Friese": Kommt es jetzt zum Prozess?


Brandanschläge auf Jugendhaus
Kommen die Täter jetzt endlich vor Gericht?

Von Steffen Koller

13.09.2022Lesedauer: 3 Min.
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Völlig zerstört: In diesem Raum brannte es innerhalb weniger Stunde zweimal.Vergrößern des Bildes
Völlig zerstört: In diesem Raum brannte es innerhalb weniger Stunden zweimal. (Quelle: Steffen Koller)

Zwei Brandanschläge zerstören das Bremer Jugendhaus "Friese", Menschen werden verletzt. Jetzt könnte es den Tätern an den Kragen gehen.

Verzogene Türen, geplatzte Fenster, dicker Rauch, der aus der "Friese" quillt. Es ist die Nacht zum 16. Februar 2020, als sich rund 30 Gäste der Jugendeinrichtung im Bremer Viertel zu einem Konzert treffen. Der Abend beginnt wie viele davor auch: Ausgelassene Stimmung, Musik aus den Boxen, Menschen trinken Bier und unterhalten sich. Doch plötzlich kippt die Stimmung.

Gegen Mitternacht rennen Besucher in Panik auf die Straße, Flammen schlagen aus den Fenstern im ersten Stock. Die "Friese" brennt, es besteht Gefahr für Leib und Leben. Geschäftsführer Holger Lauster, so beschreibt er es der Mediengruppe Kreiszeitung im Januar 2021, schafft es gerade so, letzte Räume nach Kollegen und Besuchern abzusuchen, dann rettet auch er sich ins Freie.

Feuerwehr und Polizei sind vor Ort, der Brand ist schnell gelöscht. Die Beamten versiegeln den Brandort und rücken wieder ab. Da die Einsatzkräfte keine weitere Gefahr für Besucher und Haus sehen, wird das Konzert eines Antwerpener Musikerduos fortgesetzt.

Bremen: Drei Aufkleber mit rechtsradikalem Inhalt

Ein Feuer, so etwas könne mal passieren, denken Lauster und seine Kollegen damals noch. Doch das wird sich ändern. Nur zweieinhalb Stunden später, gegen 2.45 Uhr, brennt es erneut im Gebäude. Aus demselben Raum schlagen Flammen und Lauster denkt: "Jetzt wird es richtig schrecklich."

Vermutungen, das Feuer könnte nicht richtig abgelöscht worden sein, zerschlagen sich schnell. Bereits kurz nach dem Brand, der einen Schaden von rund 200.000 Euro verursacht, gehen Ermittler von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Wer dahinterstecken könnte, ist zunächst völlig unklar. Auch das wird sich recht schnell ändern.

Drei Aufkleber finden Lauster und seine Kollegen. Alle drei, da ist er sich sicher, müssen an diesem Abend angebracht worden sein. Und alle liefern den Ermittlern zufolge eindeutige Hinweise, aus welchem Milieu die mutmaßlichen Täter stammen: Fotos der Aufkleber, die t-online vorliegen, deuten auf eine neonazistische Organisation hin, deren Mitglieder auch im Land Bremen bereits politische Gegner eingeschüchtert und ihnen gedroht haben sollen.

Ermittler werten Spuren an mehr als 100 Bierflaschen aus

Für "Friese"-Leiter Lauster seien die Aufkleber "eine klare Signatur" der Täter, wie er der Mediengruppe Kreiszeitung sagte. Die Staatsanwaltschaft sieht das zu diesem Zeitpunkt anders, auch rund ein Jahr danach könne "keine belastbare Einstufung der Delikte als politisch motiviert erfolgen", heißt es in dem Bericht. Mittlerweile hat sich diese Ansicht jedoch geändert.

Wie t-online erfuhr, wurde mittlerweile Anklage gegen drei Männer im Alter von 27, 33 und 38 Jahren erhoben. Der Vorwurf lautet schwere Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, sagte der Sprecher des Bremer Landgerichts, Jan Stegemann, t-online. Ihnen war die Polizei bereits im September 2021 auf die Spur gekommen, wie die Beamten damals mitteilten. Ein Sprecher der Polizei sagte, Ermittler hätten die Wohnungen und Autos der drei Männer durchsucht und Beweismaterial sichergestellt. Man ordne die Personen der rechtsextremistischen Szene zu.

Im Rahmen der Ermittlungen untersuchten die Beamten "unzählige Spuren" sowie mehr als 100 Bierflaschen auf Fingerabdrücke und DNA-Spuren, die am Abend der Brände im und rund um die "Friese" sichergestellt werden konnten. Zeugenaussagen, Recherchen in der Szene sowie die Bierflaschen führten die Polizei letztlich zu dem Trio, hieß es.

Jetzt könnte der Fall endlich vor Gericht landen – mehr als zweieinhalb Jahre nach den Anschlägen. Wie Sprecher Stegemann sagte, befinde sich der Fall inzwischen in der Phase des sogenannten Zwischenverfahrens. Bedeutet: Nachdem die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hatte, prüfe nun die zuständige Kammer des Landgerichts, ob sie die Klage zulässt.

Dabei würde das Gericht nach – vereinfacht ausgedrückt – folgendem Prinzip vorgehen: Auf Grundlage der Akten beurteile die Kammer, ob eine Verurteilung "aus rechtlichen oder aus tatsächlichen Gründen" wahrscheinlicher ist als ein Freispruch, so Stegemann. Je nachdem, zu welchem Schluss die Richter kommen, werde das Verfahren eröffnet oder nicht.

Möglicher Prozessbeginn könnte sich noch Jahre hinziehen

Am 14. Juli ging die Anklage laut Stegemann bei der zuständigen Kammer ein. Trotz mittlerweile zwei Monaten, in der die Richter prüfen, könne er keine Angaben zu einem möglichen Eröffnungsverfahren machen. Das liege an einem entscheidenden Umstand: Da keiner der Beschuldigten in Untersuchungshaft sitzt, behandele die Kammer den Fall nicht mit oberster Priorität. Das würde nur passieren, wenn die Männer in Haft säßen und die Frist für den Prozessbeginn auf maximal sechs Monate begrenzt ist.

Sollten der zuständigen Kammer zwischenzeitlich Haftsachen vorgelegt werden, müssten diese zuerst behandelt werden. Somit hinge "es tatsächlich auch ein wenig vom Zufall ab", wann es zu einem möglichen Prozessbeginn kommen könnte. "Aktuell ist ein Zeitpunkt für die Entscheidung noch nicht absehbar", sagte Stegemann t-online.

Verwendete Quellen
  • Schriftliche Anfrage an das Landgericht Bremen
  • kreiszeitung.de: "Brandanschläge im Jugendzentrum "Friese" bis heute nicht aufgeklärt" vom 4. Januar 2021
  • taz.de: "Und an der Tür ein Nazi-Sticker" vom 17. Februar 2020
  • Eigene Recherchen
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