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Schicksale aus dem Bremer Tierheim: Diese Tiere will kaum einer – Warum?


Diese Tiere sind kaum vermittelbar
"Nachts sind sie allein – das tut schon weh"


Aktualisiert am 12.12.2023Lesedauer: 5 Min.
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Ein Hund schaut durch das Gitter eines Zwingers (Symbolfoto): Einige Bewohner des Bremer Tierheims sind seit mehreren Jahren dort. Gibt es für sie bald ein Happy End?Vergrößern des Bildes
Ein Hund schaut durch das Gitter eines Zwingers (Symbolfoto): Einige Bewohner des Bremer Tierheims sind seit mehreren Jahren dort. Gibt es für sie bald ein Happy End? (Quelle: IMAGO/Sergiy Tryapitsyn)

Während manche Hunde und Katzen nur wenige Tage in einem Heim verbringen müssen, sind es für andere mehrere Jahre. Was macht die Tiere so unvermittelbar?

Die einen schnappen zu, andere verkriechen sich ängstlich in der Ecke. Oft haben sie unvorstellbares Leid erfahren, wurden geschlagen, vernachlässigt und dann einfach abgegeben. Die Schicksale der Vierbeiner im Bremer Tierheim sind verschieden – was sie eint, ist die Tatsache, dass sie in einem Zwinger leben. Manche nur für kurze Zeit, andere hingegen für viele Jahre. Was ist den Tieren passiert?

"Ein Hund mit Ecken und Kanten", so beginnt der Text zu "Romeo" auf der Internetseite des Bremer Tierheims. Offenbar hat der kleine Bracken-Mix solch scharfe Kanten, dass ihn niemand haben will – und das bereits seit fast vier Jahren. Seit Mai 2019 lebt der mittlerweile elf Jahre alte Hund im Tierheim Bremen. Mehr als ein Drittel seines Lebens verbringt er nachts allein.

"Romeo" stammt aus Polen, erzählt Pressesprecherin Gaby Schwab im Gespräch mit t-online. Als Welpe war er damals nach Deutschland und zu seiner neuen Besitzerin gekommen. Lange blieb er jedoch nicht. Doch warum? Schwab sagt, "Romeo" sei "nicht ohne", er "schnappe auch mal zu". Das liege eigentlich nicht in seiner Natur; da sich die Vorbesitzer jedoch nicht um seine Erziehung gekümmert hätten, beiße er in Stresssituationen zu.

Und trotzdem, so Schwab, sei "Romeo" ein "Mega-Kandidat": Der Mischlingshund sei wissbegierig, wolle etwas erleben und habe Spaß an der frischen Luft. Investiere man etwas Zeit und Geduld, bekomme man "einen ganz tollen Hund". Er mache eben nur "etwas Mühe". Ideal wäre ein Haus samt Garten in Stadtrandnähe, Kinder sollten eher nicht im Haushalt leben.

"Den muss man halten können"

Weniger kompliziert, dafür wesentlich schwerer: "Argus". Der Kangal-Mix bringt es laut Schwab auf rund 60 Kilo Gewicht, "den muss man halten können". Typisch für einen Hund seiner Rasse sei die Affinität zu Wasser, davon sei er ein "totaler Fan".

Katzen seien eher "nicht so seine Freunde", mit anderen Hunden komme er aus. Da entscheide die Sympathie. Seit beinahe drei Jahren lebt "Argus" nun im Tierheim – ihn zu vermitteln, gestalte sich bislang schwer.

Schwab sagt, "Argus" sei "ein toller Hund durch und durch" – nur Vertrauen müsse das "Sorgenkind" fassen. Dann tobe der fünfeinhalb Jahre alte Rüde liebend gerne, renne durch die Gegend und sei ein "klasse Wegbegleiter".

Sechsmal vermittelt – sechsmal zurück ins Heim

Sechsmal glaubte "Buddy" bereits, angekommen zu sein – sechsmal kam er wieder zurück ins Heim. Seit Februar 2021 und somit mehr als zwei Jahre lebt der Rüde nun in verschiedenen Heimen. Zuletzt übernahm der Bremer Tierschutz seine Pflege und sucht jetzt ein neues Zuhause für den neun Jahre alten Hund.

"Buddy" zeige – und das sei sein größtes Problem – sogenannte "Ressourcenverteidigung". Was nach einem Fachbegriff klingen mag, heißt einfach: "Buddy" will auch das Essen seiner Besitzer. Und das fordere er "nachhaltig ein", sagt Schwab. Die letzten Menschen, die "Buddy" mit nach Hause genommen hatten, brachen das Experiment nach nur drei Tagen ab.

Dabei seien die Regeln bei diesem Rüden simpel, macht Schwab klar: "Wenn die Besitzer essen, gehört der Hund in einen anderen Raum." Das verstehe "Buddy" auch und niemand habe Probleme. Alles in allem sei "Buddy" ein "toller Hund", wichtig sei: "Beachten Sie die Eigenarten!", so Schwab im Gespräch mit t-online.

Aufgrund seines Verhaltens könne das Tier nicht in einen Haushalt mit Kindern vermittelt werden. Vor seinem Auszug sei ein Training zu absolvieren. Dies könne sich "möglicherweise lange hinziehen". Aber sei "Buddy" erst mal bei einem Halter oder einer Halterin angekommen, sei auch er ein "mega toller Hund", sagt Schwab.

"Manchmal pöbelt er"

Jung, verspielt, aber auch mit einer großen Klappe: So könnte man "Lucky" beschreiben, sagt Sprecherin Gaby Schwab. Drei Jahre hat der unkastrierte Rüde bislang auf dem Buckel, und "Lucky" war bereits einmal im Bremer Tierheim. Dort lebt er auch jetzt wieder; mit seinen zwischenzeitlichen Besitzern sei es "schwierig" gewesen.

"Lucky" sei aufgeweckt, verschmust, aber auch sehr unsicher. Deshalb gestalte sich eine Vermittlung weiterhin schwierig. Aber das Tierheim gebe nicht auf, gerade weil er ein "mega Hund" sei – wenn er einmal Vertrauen gefasst habe.

Ähnlich ist die Situation bei "Kayla". Auch sie lebt mittlerweile seit mehreren Jahren im Bremer Tierheim, Ende April 2021 kam sie in die Einrichtung. "Kayla" sei "sehr eigenwillig", spiele gerne und lasse sich auch streicheln. Nur eines brauche es: Vertrauen.

Diese Erfahrung machten die Mitarbeiter des Tierheims gleich zu Beginn: Zunächst sei die Katze "unnahbar" gewesen, mittlerweile lasse sie sich streicheln und verteile "Kopfnüsse".

"Nicht bedrängen, aber führen"

Welche Regeln gibt es generell zu beachten, wenn ich ein Tier aus dem Tierschutz hole? Grundsätzlich, so Sprecherin Schwab zu t-online, gelte bei allen Tieren, ob nun Hund, Katze oder auch Wellensittich: "Lassen Sie die Tiere erst einmal ankommen." Das könne einen, aber auch mehrere Tage dauern. Wichtig in dieser Zeit sei vor allem, dass den Tieren vermittelt werde: "Hier bin ich sicher, hier ist mein Zuhause."

Um das zu gewährleisten, brauche es Ruhe, aber auch konsequentes Verhalten und eine große Portion Souveränität. Gaby Schwab fasst es in einer einfachen Formel zusammen: "Bedrängen Sie das Tier nicht, führen Sie es." Die meisten Tiere kommen von alleine – zumindest in den meisten Fällen. Es gebe auch Ausnahmen, gerade bei abgegebenen Tieren wisse man nie, "was sie durchgemacht haben".

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Nachts sind die Tiere allein

Anders als noch vor einigen Jahren, als rund 600 Katzen und viele Hunde im Tierheim waren, habe sich die Situation etwas entspannt. Zurzeit lebten 102 Katzen, 32 Hunde und 42 Kleintiere an der Hemmstraße. Hinzu kommen 69 Exoten, 49 Vögel und 14 Großtiere.

Zur Osterzeit habe das Tierheim zudem auf die Vermittlung von Kaninchen verzichtet. Da sei der Tierschutzverein "ganz konsequent", sollte nur der Verdacht bestanden haben, dass die Tiere als Ostergeschenk gedacht gewesen seien. Genau wie Bremens Tierschutzbeauftragte findet auch Schwab: "Kaninchen sind keine Schmusetiere." (Mehr dazu lesen Sie hier.)

Trotz der vielen Jahre, die die Katzen und Hunde teilweise im Heim verbringen müssen, ist sich Schwab sicher: "Kein Tier leidet bei uns." Mitarbeiter drehen regelmäßig Runden mit den Tieren, "Katzenstreichler" kümmern sich täglich um die Vierbeiner. Eines könne das Tierheim jedoch nicht verhindern: "Nachts sind die Tiere allein – das tut schon weh."

Verwendete Quellen
  • bremer-tierschutzverein.de: Hunde und Katzen
  • bremer-tierschutzverein.de: Tierheim in Zahlen
  • Telefonat mit Presssprecherin Gaby Schwab
  • Eigene Recherche
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