Wer ist Opfer, wer Täter? Bremer "Tatort" hinterfragt Vorstellung von Gut und Böse

Ein Toter, eine überforderte Mutter und viele offene Fragen: Der "Tatort" aus Bremen hinterfragt die Täter-Opfer-Logik. Auch die Kommissarinnen geraten aneinander.
Eine entstellte Leiche am Weserufer – ohne Handy, ohne Papiere, ohne Gesicht: So beginnt der neue Bremer "Tatort". Die Kommissarinnen Liv Moormann und Linda Selb stehen zunächst vor einem Rätsel. Bald deutet alles darauf hin, dass das Opfer selbst Täter gewesen sein könnte. Der Fall führt sie in ein Netz aus Angst, Kontrolle und Gewalt.
Der "Tatort" mit dem Titel "Solange du atmest" läuft am Sonntag, 11. Mai, um 20.15 Uhr in der ARD. Er greift das Thema Stalking auf – und das mit konsequentem Perspektivwechsel. Regisseurin Franziska Margarete Hoenisch erzählt aus der Sicht einer alleinerziehenden Mutter, deren Leben zunehmend aus den Fugen gerät.
Bedrohung hinter der Fassade
Rani Ewers (gespielt von Via Jikeli) lebt mit ihrer Tochter bei der Pflegerin Paula Södersen (Sarina Radomski). Die Notgemeinschaft ist längst zur Ersatzfamilie geworden. Doch der scheinbare Schutzraum beginnt zu bröckeln, als Rani merkwürdige Hinweise findet – etwa Familienfotos mit ausgeschnittenen Augen.
Kurze Rückblenden und Perspektivwechsel in der Kameraführung zeigen, wie subtil sich die Bedrohung anbahnt. Rani glaubt, ihr Ex-Partner Marek Kolschak (Jonathan Berlin) verfolge sie, aber auch nach seinem Tot nimmt der Wahnsinn kein Ende.
Zweifel an der Wahrheit
Die beiden Ermittlerinnen stoßen auf widersprüchliche Aussagen. Der tote Kolschak war Investigativjournalist und hatte zuletzt im Drogenmilieu recherchiert. Ein dort bekannter Dealer gerät ins Visier – nicht zum ersten Mal.
Doch auch im privaten Umfeld von Rani Ewers tun sich Abgründe auf. Wer ist Opfer, wer Täter? Der Krimi stellt diese Frage mehrfach – ohne einfache Antwort. Zeugen werden zu Verdächtigen, Täter zu potenziellen Opfern. Sogar Moormann und Selb geraten in einen persönlichen Konflikt. Zum ersten Mal steht ihre Partnerschaft auf der Kippe.
Sozialkritik mit Längen
Wie schon frühere Bremer Fälle verbindet auch dieser "Tatort" eine Kriminalhandlung mit einem gesellschaftlichen Thema. Die Umsetzung gerät jedoch stellenweise ins Wanken. Einige Wendungen wirken konstruiert, das Verhalten einzelner Figuren unrealistisch – etwa wenn Rani ihre Tochter allein lässt, obwohl sie sich bedroht fühlt.
Dennoch bleibt der Eindruck haften: Stalking ist ein ernstes Thema, das tiefe Spuren hinterlässt – psychisch, sozial, körperlich. Der Krimi zeigt das drastisch, wenn auch nicht immer subtil.
Laut polizeilicher Kriminalstatistik gab es im vergangenen Jahr mehr als 24.700 registrierte Fälle von Stalking in Deutschland. In Bremen waren es über 340. Die Polizei rät Betroffenen, frühzeitig Anzeige zu erstatten. Unterstützen können auch spezialisierte Beratungsstellen oder digitale Helfer wie die App "No Stalk".
- Nachrichtenagentur dpa
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