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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Helden des Monats Chemnitzer Ukraine-Haus: "Alle stehen unter enormem Druck"

Von einer spontanen Hilfsaktion zum unverzichtbaren Anker für hunderte Menschen: Veronika Smalko, Vorsitzende des Ukraine-Hauses Chemnitz e.V., engagiert sich seit Jahren für Menschen aus ihrer Heimat
Veronika Smalko weiß, was es bedeutet, Heimat zu verlieren – und eine neue zu finden. Die gebürtige Kiewerin kam vor 25 Jahren nach Chemnitz, gründete hier eine Familie und arbeitete als Modeberaterin. Als Russland 2014 die Krim annektierte, konnte sie nicht tatenlos zusehen. Gemeinsam mit ihrem Mann und einer Freundin organisierte sie erste Hilfsaktionen für neu ankommende Ukrainerinnen und Ukrainer. "Wir dachten, das dauert zwei, drei Monate – dann ist der Krieg vorbei", erinnert sie sich.
Doch es kam anders. Aus den anfänglichen Hilfstreffen entwickelte sich ein Netzwerk, aus dem am 9. April 2015 der Verein Ukraine-Haus Chemnitz e.V. hervorging. Heute ist Smalko die erste Vorsitzende, und aus der lokalen Unterstützungsstruktur wurde eine feste Institution: Das Ukraine-Haus hilft nicht nur Geflüchteten, sondern bringt Menschen zusammen – mit Kultur, Bildung und Herz.
"Wir wollten dort helfen, wo Hilfe gebraucht wird"
"Wir wollten dort helfen, wo Hilfe gebraucht wird", erklärt Smalko. Inzwischen betreibt der Verein zwei Ukraine-Häuser. Im größeren gibt es nicht nur ein Lager für Spenden, sondern auch eine Änderungsschneiderei, eine Kleiderkammer, eine Bibliothek sowie Räume für Sprachkurse, Konzerte und Infoveranstaltungen. Das zweite Haus ist ein lebendiger Ort mit Kursen für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren – von Tanz über Deutschunterricht bis hin zum Sprachcafé.
Ein besonderes Anliegen ist Smalko die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt. "Ich unterstütze viele bei Bewerbungsgesprächen, schreibe Lebensläufe oder helfe einfach mit Rat und Tat", sagt sie. Doch der Weg ist oft steinig: Bürokratie, psychische Belastung und Unsicherheiten erschweren gerade jungen Menschen den Start. Viele der rund 8.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Chemnitz haben mittlerweile Deutsch gelernt – die Jobsuche bleibt trotzdem eine Herausforderung.
"Sind unsere Liebsten noch am Leben?"
"Alle stehen unter enormem Druck. Der Krieg geht jetzt über drei Jahre – und wir wachen morgens auf mit der Frage: Sind unsere Liebsten noch am Leben?", sagt die 52-Jährige. Parallel dazu laufen wöchentlich Hilfstransporte in die Ukraine – organisiert, gepackt und verschickt vom Verein. "Gerade gestern haben wir für ein krankes Kind Medikamente und Kleidung verschickt. Die Familie konnte sich nicht einmal Essen leisten."
Und trotzdem: Die Kraft der Gemeinschaft ist spürbar. Von Spendenaktionen bis zu interkulturellen Veranstaltungen – das Ukraine-Haus ist Teil der Chemnitzer Stadtgesellschaft geworden. "Wir wollen nicht nur helfen, sondern auch dazugehören", sagt Smalko.
Im April feierte der Verein sein zehnjähriges Bestehen – ein Jubiläum, das eigentlich nie geplant war. "Wir wollten nur ein paar Monate helfen", sagt Smalko. Aus diesen Monaten wurde ein Jahrzehnt. Und aus einer kleinen Initiative eine Bewegung, die zeigt: Menschlichkeit kennt keine Grenzen.