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Hunderte demonstrieren gegen Polizeigewalt in Dortmund


Nach tödlichen Polizeischüssen
Hunderte demonstrieren gegen Polizeigewalt in Dortmund

Von dpa, t-online, tht

10.08.2022Lesedauer: 3 Min.
Die Polizei begleitete die Demonstration am am Kurt-Piehl-Platz.Vergrößern des Bildes
Die Polizei begleitete die Demonstration am am Kurt-Piehl-Platz. (Quelle: Mauermann / Wickern, news 4 Video-Line TV )
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Nach den tödlichen Polizeischüssen auf einen 16-Jährigen gingen in Dortmund aufgebrachte Bürger auf die Straße.

Nach den tödlichen Polizeischüssen fand am Dienstagabend in Dortmund eine Demonstration gegen Polizeigewalt statt. Rund 200 bis 300 Demonstranten versammelten sich am Kurt-Piehl-Platz in direkter Tatort-Nähe und skandierten Parolen gegen die Polizei. Im Anschluss zog eine unangemeldete Demonstration direkt vor die Polizei-Nordwache.

Auch die Polizei war vor Ort. Sie begleiteten die Kundgebung. Die Demonstration sei emotional, aber friedlich verlaufen, teilte die Polizei mit.

Am Vortag hatten Polizisten mehrfach auf einen Jugendlichen aus einer lokalen Jugendhilfeeinrichtung geschossen. Elf Polizisten waren bei der Jugendhilfeeinrichtung im Dortmunder Norden im Einsatz. Einer von ihnen drückte ab: Mindestens sechsmal feuert er aus einer Maschinenpistole vom Typ MP5.

Nur eines der Projektile verfehlte sein Ziel: Einen 16-Jährigen, der womöglich suizidal ist, aber auch die Beamten mit einem Messer angegriffen haben soll. Eine Kugel traf den Jugendlichen im Bauch, eine im Kiefer, drei weitere an Schulter und Unterarm. Bei einer Not-Operation starb er an den Schussverletzungen.

Polizei setzte auch Reizgas und Elektroschocks ein

Einen Tag nach dem blutigen Einsatz am Montagnachmittag liefen bei der Staatsanwaltschaft weiter die Ermittlungen zu den Hintergründen der Tat. Der Polizist, der schoss, werde – wie in solchen Fällen üblich – als Beschuldigter geführt, sagte der zuständige Oberstaatsanwalt Carsten Dombert am Dienstag. Es gehe um den Anfangsverdacht der Körperverletzung mit Todesfolge.

Laut Dombert hatte einer der Betreuer der Jugendhilfeeinrichtung am Montag die Polizei gerufen, weil er den 16-Jährigen mit einem Messer gesehen habe. Der war der Einrichtung demnach erst vor Kurzem zugeteilt worden und soll dort zuletzt übernachtet haben.

Was der Jugendliche ursprünglich mit dem Messer vorhatte – ob er sich selbst oder auch andere verletzen wollte – war laut Staatsanwaltschaft zunächst noch unklar. Es stehe Suizidalität im Raum, sagte Dombert.

Im Verlauf des Einsatzes in der Holsteiner Straße zwischen der Einrichtung und einer Kirche sollen die Polizisten erst auch Reizgas und ein Elektroschockgerät – einen sogenannten Taser – eingesetzt haben. Schließlich fielen die tödlichen Schüsse. Bei der Staatsanwaltschaft sei nicht bekannt, dass auch ein Polizeibeamter verletzt worden sei, sagte Dombert.

Erkenntnisse über den genauen Ablauf erhoffen sich die Ermittler von Zeugenbefragungen: Laut Dombert sollten drei Betreuer vernommen werden, die den Einsatz mitbekamen. Auch die Polizisten, die nicht schossen, sollen als Zeugen befragt werden. Die Leiche des 16-Jährigen wurde obduziert.

Das endgültige Ergebnis stand am Dienstag noch aus, laut Oberstaatsanwalt Dombert ergab der vorläufige Obduktionsbefund Verletzungen durch fünf Schüsse. Zudem seien sechs Projektilhülsen gefunden, also wohl sechs Schüsse abgegeben worden.

Polizeigewerkschaft: Messerangriffe sind äußerst gefährlich

Wie kann es sein, dass eine Drohung oder ein Angriff mit einem Messer mit mehreren Schüssen aus einer Maschinenpistole erwidert wird? Unabhängig von dem Dortmunder Fall sagte Frank Schniedermeier aus dem Vorstand der Gewerkschaft der Polizei NRW, Messerangriffe gehörten zu den gefährlichsten Angriffen auf Polizisten: "Wenn Arterien getroffen werden, verblutet man innerhalb weniger Minuten." Laut LKA gab es in NRW 2020 mehr als 50 Messerangriffe auf Polizisten.

Gefahrensituationen entwickelten sich oft innerhalb von Sekunden, sagte Schniedermeier. Rückzug und den Rücken zudrehen ist demnach meist nicht möglich – schließlich hätte man dann den Straftäter nicht mehr unter Kontrolle. Messerangriffe müsse man auf Distanz abwehren.

Wenn ein Täter erst einmal neben einem stehe, habe man keine Chance mehr, sagte der Polizeigewerkschafter. Bei einem Angriff habe man nur Sekundenbruchteile für eine Entscheidung. Bleibt noch Zeit, soll ein Warnschuss abgegeben werden – ansonsten müsse man so schießen, dass das Gegenüber "angriffsunfähig" sei, erklärte Schniedermeier.

Polizei setzte 2020 insgesamt 159 Mal Schusswaffe ein

Die Polizei in Nordrhein-Westfalen verwendet Maschinenpistolen vom Typ MP5 von Heckler und Koch. Diese gehören in allen Streifenwagen zur Ausrüstung. Schniedermeier sagte, es gebe regelmäßig Schießtrainings mit allen bei der Polizei eingesetzten Waffen.

Laut einer Statistik des auf polizeilichen Schusswaffengebrauch spezialisierten Professors an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit, Clemens Lorei, setzten Polizisten in Deutschland 2020 insgesamt 159 Mal die Waffe gegen Personen ein.

49 davon waren Warnschüsse. In dem Jahr starben demnach 15 Menschen an den Folgen von Polizeischüssen, 41 wurden verletzt. In NRW starben laut Innenministerium 2021 drei, 2020 vier und 2019 fünf Menschen.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Nachrichtenagentur dpa
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