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Antisemitismus in Dortmund: So viel Hass erfährt die jüdische Gemeinde


Hass gegen Juden: So dramatisch ist die Situation in Dortmund

Von David Peters

08.04.2021Lesedauer: 3 Min.
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Männer tragen Kippa als Ausdruck des jüdischen Glaubens: Dortmund steht immer wieder mit antisemitischen Vorfällen in der Öffentlichkeit.Vergrößern des Bildes
Männer tragen Kippa als Ausdruck des jüdischen Glaubens (Archivbild): Dortmund steht immer wieder mit antisemitischen Vorfällen in der Öffentlichkeit. (Quelle: IPON/imago-images-bilder)

Antisemitische Übergriffe nehmen

Immer wieder stand Dortmund durch antisemitische Vorfälle in der Öffentlichkeit – verursacht meist durch die lokale Neonaziszene, die als größte in Westdeutschland gilt. 2018 demonstrierten die Rechten im Stadtteil Marten und skandierten die Parole "Wer Deutschland liebt, ist Antisemit".

Zum 70. Geburtstag des Staates Israel präsentierten sie auf einer Kundgebung ein Banner mit der Aufschrift "Israel ist unser Unglück". Dieser Spruch war im Europawahlkampf 2019 auch auf den Wahlplakaten der Neonazi-Partei "Die Rechte" zu lesen und ist angelehnt an die Parole "Juden sind unser Unglück" aus der NS-Zeit.

Der letzte Vorfall: Ein Teilnehmer einer rechten Kundgebung vergangene Woche zeigte offen seine Kopftätowierungen. Abgebildet war der Spruch "Jedem das Seine", wie er auf dem Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald zu lesen ist. Um keine Zweifel an der Intention aufkommen zu lassen, zeigten weitere Tattoos ein stilisiertes Hakenkreuz und das Logo der SS-Sondereinheit Dirlewanger, die für besonders brutale und menschenverachtende Verbrechen bekannt wurde.

Betroffene von Antisemitismus stärken

Um solche und ähnliche Vorfälle zu dokumentieren, aber auch Betroffene von Antisemitismus zu beraten, wurde im Oktober 2020 die Servicestelle ADIRA in Dortmund ins Leben gerufen und am Mittwoch auf einer Pressekonferenz vorgestellt. ADIRA steht für "Antidiskriminierungsberatung und Intervention bei Antisemitismus und Rassismus" und ist gleichzeitig ein hebräischer Vorname, der mit "Stärke" oder "Macht" übersetzt werden kann.

Daran angelehnt ist auch die Intention der Beratungsstelle. Man wolle Betroffenen von Antisemitismus und anderen Diskriminierungsformen den Rücken stärken und ihnen Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. ADIRA wird vom Land Nordrhein-Westfalen finanziert und steht in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde Dortmund.

Antisemitische Anfeindungen nehmen stark zu

Zwi Rappoport, der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Dortmund, begrüßt die Einrichtung von ADIRA und betont die Notwendigkeit. Die Tatsache, dass unter dem Dach der jüdischen Gemeinde Dortmund eine Antidiskriminierungsstelle mit dem Schwerpunkt Antisemitismus eingerichtet wurde, spiegele die gesellschaftliche Realität wider. Antisemitische Anfeindungen, Bedrohungen und Angriffe, denen jüdische Menschen ausgesetzt sind, hätten stark zugenommen, so Rappoport.

Deswegen sei die Einrichtung der Beratungsstelle "folgerichtig". "Ich hoffe, dass hierdurch die bei den Betroffenen vorhandene Hemmschwelle sinken wird, Hilfe und Unterstützung bei antisemitischen Vorfällen in Anspruch zu nehmen", führt Rappoport aus.

Johanna Lauke bildet mit Anna Ben-Shlomo und Micha Neumann das Team von ADIRA. "Wir beraten und unterstützen vor allem Betroffene von Antisemitismus. Das können Beleidigungen in der Schule, auf der Straße oder im Internet oder antisemitische Schmierereien an öffentlichen Gebäuden oder jüdischen Einrichtungen sein", fasst Lauke die Arbeit von ADIRA zusammen, die ein wichtiger Fortschritt für die Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund sei. An die Beratungsstelle können sich aber neben Betroffenen auch Angehörige oder Zeugen antisemitischer Vorfälle wenden.

Meldestelle für antisemitische Vorfälle

Zusätzlich möchte ADIRA antisemitische Vorfälle im Bereich Dortmund und Westfalen-Lippe statistisch erfassen, um die Tragweite des Problems genauer beziffern zu können. Dazu wird auf der Homepage ein Meldeformular angeboten, bei dem auch anonym Hinweise eingereicht werden können. Eine NRW-weite Meldestelle zur Erfassung solcher Vorfälle soll Mitte des Jahres gegründet werden.

Im vergangenen Jahr gab es in Nordrhein-Westfalen 276 antisemitische Straftaten. Lauke vermutet, dass die Dunkelziffer wesentlich höher ist. "Deshalb ist es wichtig, dass Antisemitismus in all seinen Facetten wahrgenommen werden muss." Als Beratungsstelle wolle man deshalb auch auf verstecktere Formen des Antisemitismus reagieren, die beispielsweise keinen Straftatbestand erfüllen.

Kräfte bündeln im Kampf gegen Antisemitismus

"Antisemitismus wird häufig nicht erkannt oder verharmlost, daher ist es wichtig in diesem Bereich noch weiter zu sensibilisieren", führt Anna Ben-Shlomo aus. Deshalb gehören zu ADIRA Bildungs- und Präventionsangebote an Dortmunder Schulen und eine Vortragsreihe anlässlich des Jubiläums 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland.

"Diskriminierungserfahrungen können bei Betroffenen Hilflosigkeit und Ohnmacht auslösen", so Neumann. Die Betroffenen von Antisemitismus sollen deshalb dabei unterstützt werden, sich dagegen zur Wehr zu setzen – auch auf dem Rechtsweg.

In einem "Kompetenzverbund Antisemitismus" arbeitet ADIRA mit weiteren bereits bestehenden Beratungsstellen in Köln und Düsseldorf zusammen, um die Kräfte im Kampf gegen Antisemitismus zu bündeln. Die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, konnte terminbedingt nicht an der Vorstellung der neuen Beratungsstelle teilnehmen. In einem aufgezeichneten Grußwort betonte sie die Wichtigkeit von Beratungsstellen wie ADIRA.

ADIRA hat seit Beginn ihrer Tätigkeit bereits eine "niedrige zweistellige Anzahl" von Fällen bearbeitet. Genaue Zahlen liegen aktuell noch nicht vor. In Dortmund seien die Fälle aufgrund der starken Neonaziszene vor allem rechtsextremer Antisemitismus. Antisemitismus sei aber nicht nur den Rechten zuzuschreiben, so Neumann, sondern auch der islamistischen Szene, der Mitte der Gesellschaft oder den "Corona-Leugnern". Gerade Letztere fallen immer wieder durch antisemitische Chiffren oder relativierende Holocaustvergleiche auf.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Pressekonferenz ADIRA am 7. April
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