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Erfurt: 70-Jährige hilft ausländischen Studierenden, sich einzuleben


Rentnerin hilft Studierenden
"Gebraucht zu werden ist ein schönes Gefühl"

Von Florian Eßer

05.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Christine Siewert (zweite von rechts) mit anderen Mitgliedern von "Fremde werden Freunde".Vergrößern des Bildes
Christine Siewert (zweite von rechts) mit anderen Mitgliedern von "Fremde werden Freunde". (Quelle: Fremde werden Freunde)

Mit der Aktion "Held des Monats" werden in Erfurt ehrenamtliche Helfer für ihr Engagement geehrt. Dieses Mal: Christine Siewert von dem Verein "Fremde werden Freunde."

Jedes Jahr kommen rund 150 ausländische Studentinnen und Studenten an die Erfurter Hochschulen. Die Integration an den Hochschulen gelingt dabei meist schnell – außerhalb des Campus kann es aber schon schwieriger sein, neue Kontakte zu knüpfen. Der Verein "Fremde werden Freunde" will helfen und vermittelt den Studierenden jeweils einen Paten oder eine Patin.

"Fremde werden Freunde" wurde 2002 gegründet und ist eine gemeinsame Initiative der Erfurter Stadtverwaltung, der Universität und Fachhochschule sowie des Thüringer Instituts für Akademische Weiterbildung. Seit seiner Gründung stellt der Verein ausländischen Studierenden Paten zur Seite, die ihnen bei der Orientierung in der neuen Stadt sowie bei Behördengängen und der deutschen Sprache helfen. Inzwischen ist die Zahl der vermittelten Patenschaften auf 200 gestiegen.

Eine dieser Patinnen ist Christine Siewert. Die 70-Jährige ist selbst erst vor fünf Jahren nach Erfurt gezogen und hilft heute jungen Menschen dabei, sich im neuen Umfeld zurecht zu finden. Sie spricht mit ihnen Deutsch und hilft bei Behördengängen.

Frau Siewert, wie sind Sie zum Verein "Fremde werden Freunde" gekommen?

Früher habe ich als Berufsschullehrerin in Köthen gearbeitet. Als ich dann berentet wurde, bin ich nach Erfurt gezogen, weil meine Tochter hier lebt. Sie war der Meinung, sie könnten mich hier gut gebrauchen. Da ich alleine lebe, habe ich mir beim Umzug gesagt, dass ich etwas tun muss, um ein soziales Umfeld zu finden. Dadurch habe ich den Verein gefunden.

Das Konzept hat mir gut gefallen, weil ich im Beruf ja auch mit jungen Leuten zu tun hatte – und das finde ich immer schön. Ich glaube, dass das einen auch selbst jung hält. Die Ansichten und Weltanschauungen ändern sich von Generation zu Generation ja auch – so kann man auf dem neuesten Stand bleiben und am Leben teilhaben.

Gerade bei ausländischen Menschen ist das spannend, weil einem der Austausch mit anderen Kulturen auch selbst guttut.

Wie waren Ihre bisherigen Erfahrungen mit den Patenschaften?

Als ich im Verein begonnen habe, wurde mir eine Journalistik-Studentin aus Moskau vermittelt. Diese war zwar nur für ein Semester in Deutschland, aber es war direkt eine sehr angenehme Patenschaft. Als nächstes war ich dann die Patin einer jungen Frau aus Argentinien, die auch heute noch in Erfurt lebt und arbeitet.

Wir haben auch bis heute noch Kontakt, schreiben uns und treffen uns ab und zu. Seit zweieinhalb Jahren bin ich die Patin einer Doktorandin aus dem Iran. Sie sagte mir vor kurzem, dass sie mir ihr Leben lang dankbar sein wird, weil ich ihr so viel geholfen hätte und immer Deutsch mit ihr gesprochen habe. Das zu hören ist ein schönes Gefühl – gebraucht zu werden und auch helfen zu können.

Wie sieht eine solche Patenschaft genau aus?

Als Ehrenamt ist es recht unverbindlich. Jeder kann die Patenschaft so mit Leben füllen, wie es ihm passt. Mit der iranischen Doktorandin war ich zum Beispiel auf dem Weihnachtsmarkt, wir treffen uns regelmäßig, besuchen Kunstausstellungen oder gehen ins Kino.

Ich werfe zum Beispiel mal einen Blick auf ihren Schriftverkehr mit Behörden, helfe ihr bei der Krankenversicherung und konnte ihr einen Job bei der Volkshochschule vermitteln. Es geht darum, die jungen Menschen zu unterstützen, aber auch einfach gemeinsam Zeit zu verbringen.

Einmal im Monat treffen wir uns in einer Bar zum Stammtisch. Da kommt man dann auch mit anderen Studenten ins Gespräch. Ich freue mich immer, wenn sie erzählen, was sie sich in Deutschland schon alles angesehen haben. Die jungen Leute sind sehr wissbegierig, wenn es darum geht, Deutschland und Europa kennenzulernen.

Worauf kommt es bei "Fremde werden Freunde" besonders an?

Dass man den Studenten unsere Lebensweise vermittelt, die oft anders ist, als sie das aus ihrer Heimat gewohnt sind. Wir sind in Deutschland zum Beispiel nicht mehr so familiär gekettet, wie es etwa im Iran der Fall ist. Auch unsere Esskultur ist eine andere – nicht nur hinsichtlich Schweinefleisch und Alkohol.

Das schöne an dem Projekt ist, dass man jungen Leuten, die aus dem Ausland kommen, die deutsche Mentalität vermitteln kann. Und dass man ihnen dabei helfen kann, sich in Deutschland wohlzufühlen. Wir drängen uns unseren Paten nicht auf. Sie sollen frei entscheiden, was sie machen wollen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Vereins?

Ich wünsche mir, dass das Projekt erhalten bleibt – es ist ja auch immer so eine Sache, ob die Mittel zur Verfügung stehen, damit es weiterlaufen kann.

Für das Ehrenamt generell würde ich mir wünschen, dass man manche Ausgaben irgendwie absetzen könnte. Ich lade meine Paten gerne ins Kino oder mal zum Essen ein. Aber es wäre schön, wenn man Fahrkosten erstattet kriegen würde, wenn man den Paten im Krankenhaus besucht.

Unsere Vorsitzende Dana Kittel schenkt uns am Jahresende Gutscheine als Dankeschön für gute Patenschaften. Von diesen Gutscheinen bin ich mit meinen Patinnen immer gemeinsam essen gegangen. Da habe ich gesagt: "Das geben wir jetzt zusammen aus."

Vielen Dank für das Gespräch!

Disclaimer: Das Nachrichtenportal t-online ist ein Angebot der Ströer Content Group, in deren Zusammenarbeit die "Held des Monats"-Aktion entstanden ist.

Verwendete Quellen
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