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Alexander B.: Star-Korruptionsermittler in Frankfurt auf der Anlagebank


Prozess um Frankfurter Oberstaatsanwalt
"Ausgerechnet er ist vom Korruptionsgegner zum Täter geworden"

Von Roxana Frey

13.01.2023Lesedauer: 3 Min.
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Von links nach rechts: Rechtsanwältin Brigitta Hohnel, Rechtsanwalt Andreas Hohnel, der mitangeklagte Geschäftsmann, der angeklagte ehemalige Frankfurter Oberstaatsanwalt, Rechtsanwalt Johannes Corsten und Rechtsanwalt David Püschel im Gerichtssaal. (Quelle: Arne Dedert/dpa)

Er jagte die Korrupten – und steht nun selbst vor Gericht. In Frankfurt hat der Prozess gegen Oberstaatsanwalt Alexander B. begonnen.

Im Saal des Frankfurter Landgerichts sind an diesem Freitag alle Rollen vertreten, die man in einem gewöhnlichen Prozess erwartet: ein vorsitzender Richter, die Staatsanwaltschaft, Angeklagte, mehrere Strafverteidiger. Das Ungewöhnliche hier: Einer der Angeklagten ist es nicht gewohnt, auf dieser Seite des Raumes zu sitzen, obwohl er sich durchaus in der Justiz auskennt – nur eben normalerweise auf der Seite der Staatsanwaltschaft.

Denn der Angeklagte ist der Frankfurter Oberstaatsanwalt Alexander B., Star-Ermittler in Sachen Korruption und Ärztebetrug. Mehr als drei Jahre nach Aufnahme der Ermittlungen beginnt an diesem Freitag der Korruptionsprozess gegen ihn und einen Mitangeklagten.

B. soll dem befreundeten Unternehmer Bernhard A. gegen Geld zu Aufträgen für Gutachten verholfen haben. Die Staatsanwaltschaft legt ihm insgesamt 101 Fälle der fortgesetzten und gewerbsmäßigen Bestechlichkeit zur Last. Der befreundete Unternehmer muss sich unter anderem wegen der gewerbsmäßigen Bestechung in 82 Fällen verantworten. Zudem muss sich der suspendierte Oberstaatsanwalt nun doch wegen schwerer Untreue in 55 Fällen verantworten. Die Kammer hatte diesen Teil der Anklage zunächst nicht zugelassen und weitere Beweiserhebungen angeordnet.

Über eine halbe Millionen Euro Schaden für die Staatskasse

Laut Staatsanwaltschaft gründeten B. und der mitangeklagte Unternehmer im Jahr 2005 eine Gesellschaft, deren Geschäftszweck überwiegend in der Erstellung von Gutachten für Justizbehörden bestanden haben soll. Die Aufträge habe B. erteilt. So soll er dem Unternehmen zu Dienstleistungsaufträgen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Ärzte und Kliniken verholfen haben.

Als Gegenleistung habe ihm der Freund einen Teil der Erlöse weitergeleitet. B. soll so in dem noch nicht verjährten Zeitraum zwischen 2015 und 2020 rund 280.000 Euro Schmiergeld kassiert haben. Zudem wird B. vorgeworfen, viel zu hohe Stundensätze für die Erstellung beispielsweise von Gutachten abgerechnet haben. Dadurch sei der Staatskasse ein Schaden in Höhe von 644.836,73 Euro entstanden, so die Staatsanwaltschaft.

Schwerer Schaden für die Justiz

Alle Verfahrensbeteiligte sind gleichzeitig auch Betroffene: Denn B. hat mit den Vorwürfen gegen ihn dem Ansehen der Justiz schweren Schaden zugefügt, sagt sein Strafverteidiger Andreas Hohnel. Sein Mandant sei sich dieses Schadens durchaus bewusst: "Er bereut es sehr", sagt Hohnel nach dem ersten Prozesstag. "Er weiß, dass gerade eine Staatsanwaltschaft, eine Justiz, ein Gericht integer sein muss und eben nicht korrupt. Und ausgerechnet er, als Korruptionsgegner, ist nun Täter geworden." Laut seinem Anwalt hatte B. bereits im Ermittlungsverfahren den Korruptionsvorwurf gegen ihn eingeräumt.

B. habe sein halbes Berufsleben in der Staatsanwaltschaft Frankfurt zugebracht – auch sein Strafverteidiger Hohnel kenne ihn seit Jahrzehnten. Das dürfte für viele der Verfahrensbeteiligten gelten.

Die Situation scheint Alexander B. sichtlich unangenehm zu sein: Im schwarzen Rollkragenpullover wurde er mit angelegten Handschellen in den Gerichtsaal geführt, denn B. sitzt aktuell nach einer zwischenzeitlichen Haftentlassung aufgrund eines neuen Haftbefehls seit Anfang 2022 in Untersuchungshaft. Zuvor hatte er bereits von Juli 2020 bis Mitte September 2020 in Untersuchungshaft gesessen. Er schaut bei der mehrstündigen Anklageverlesung nur selten von seinen Unterlagen vor ihm auf – und auch die anderen Beteiligten richten ihre Blicke selten auf ihn.

"Das ist nicht besonders raffiniert oder gerissen"

Vielmehr verfolgen sie die Vorwürfe der Anklage. Die rund 260 Seiten lange Anklageschrift wird in verkürzter Form vorgetragen. Dabei stehen enorm hohe Summen im Raum, die B. als Schmiergelder erhalten haben soll. Daneben sollen auch einfache Tätigkeiten wie das Kopieren oder Scannen von Akten zu einem hohen Stundensatz abgerechnet worden sein. "Dies führte zu Umsatzsteigerungen, die nach dem Willen von B. im Rahmen einer Gewinnverteilung zu einem möglichst hohen und dauerhaften Nebeneinkommen für ihn selbst führen sollten", sagte Staatsanwältin Gisela Leimeister.

B. soll zudem Steuern hinterzogen haben. Er soll die an ihn geleisteten Schmiergeldzahlungen sowie Einkünfte aus der Vermietung einer Immobilie den Finanzbehörden gegenüber nicht erklärt und dadurch Steuern in Höhe von über 185.000 Euro hinterzogen haben.

B. ist ein juristischer Vollprofi. Der suspendierte Jurist hatte bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt eine bundesweite Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen geleitet. Mag der eine oder andere Zuhörende bei der langen Anklage an manchen Stellen nur wenig verstehen, braucht er keine Erklärung von seinem Anwalt. Ein Vorteil, der allerdings die Frage aufwirft, wie es zu einem solchen Verfahren gegen ihn kommen konnte. Steckt dahinter ein System?

"Es ist halt ein langer Zeitraum, das System ist eigentlich simpel", erklärt sein Verteidiger Andreas Hohnel nach dem ersten Prozesstag. "Man lässt andere arbeiten und kriegt davon immer ein bisschen was ab. Das ist nicht besonders raffiniert oder gerissen, sondern das ging halt viele Jahre lang gut." Die Reue und das Geständnis könnten sich laut seinem Strafverteidiger strafmildernd auf B.s Urteil auswirken. Am kommenden Freitag will sich B. zu den Vorwürfen gegen ihn auslassen und ein Geständnis ablegen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort
  • Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
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