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Radlader-Unfall in Toppenstedt: Freiheitsstrafe für 44-Jährigen


Urteil im Radlader-Prozess
"Werde die Schuld ein Leben lang spüren"


06.02.2024Lesedauer: 3 Min.
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Fortsetzung Prozess zum Radlader-UnfallVergrößern des Bildes
Anwalt Dirk Meinicke (l), und der Angeklagte stehen vor Prozessbeginn im Saal vom Landgericht hinter rotem Absperrband. (Quelle: Philipp Schulze/dpa/dpa)

Es sollte ein fröhliches Sommerwochenende werden. Doch ein Vater-Kind-Camp endete in einer Tragödie. Nun wurde ein Urteil gesprochen.

Als der Angeklagte zu seinem letzten Wort ansetzt, hebt er seinen Kopf und blickt den Angehörigen der Verstorbenen in die Augen. Mit roten Wangen, aber gefasster Stimme sagt er: "Es tut mir unendlich leid. Das Letzte, was ich wollte, ist, dass Menschen zu Schaden kommen. Ich werde die Schuld ein Leben lang spüren."

Dann spricht der Vorsitzende Richter Michael Herrmann das Urteil. Stefan I. wird zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Diese wird für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das Landgericht Lüneburg befand den 44-Jährigen am Dienstag der fahrlässigen Tötung zweier Menschen und der fahrlässigen Körperverletzung in elf Fällen für schuldig.

Ferienlager vor dem Grundschulstart wird zur Katastrophe

Was war passiert? 30 Väter hatten gemeinsam mit ihren 20 Jungen und Mädchen ein Zeltlager auf einer Wiese im niedersächsischen Toppenstedt veranstaltet. Es war eine besondere Zeit für die Kinder – bald würden sie von der Kita in die Grundschule wechseln. Die Bedingungen für das Zeltlager waren perfekt: Sonnenschein, Väter und Kinder duellierten sich beim Fußball, am Abend rösteten sie Stockbrot über dem Lagerfeuer.

Das Highlight des Camps: Eine Fahrt in einer Transportkiste, in der eigentlich Kartoffeln gelagert werden – getragen von einem Radlader. Zweimal fuhr Stefan I. die Kinder durch das Dorf. Alle hätten Spaß gehabt, heißt es später. Niemand habe gedacht, dass sie etwas Schlimmes oder Verbotenes tun.

Stefan I. war zu der Zeit ehrenamtlicher Bürgermeister der 2300-Einwohner-Gemeinde, in der er fest verwurzelt ist. Es war zum achten Mal bei dem Zeltlager dabei.

Doch bei der dritten Fahrt passierte es. Die Kiste stürzte aus mehr als einem Meter Höhe ab, überschlug sich und krachte kopfüber auf den geteerten Feldweg. Ein Vater (39) und ein fünfjähriger Junge kamen dabei ums Leben. Elf weitere Kinder zwischen vier und neun Jahren wurden teils schwer verletzt. Auch die zwei Töchter des Angeklagten waren in der Gitterbox und mussten nach dem Sturz in ein Krankenhaus eingeliefert werden.

Gutachten zeigt: Sicherung war nicht ordnungsgemäß verschlossen

Am ersten Prozesstag konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden, wie es zu dem Unglück kam. War es menschliches Versagen oder doch ein technischer Defekt? Ein Gutachter legte am zweiten Verhandlungstag eine neue Untersuchung vor.

Er kam zu dem Schluss, dass die Sicherungsbolzen der Transportkiste nicht ordnungsgemäß verschlossen waren. Der für die Steuerung der Transportvorrichtung vorgesehene Joystick sei ebenso ungesichert gewesen. Der Angeklagte selbst oder eines der Kinder, die mit in der Fahrerkabine saßen, muss dann versehentlich das Abkippen der Gitterbox ausgelöst haben, so die Staatsanwaltschaft.

Angeklagter habe mehrere Sorgfaltspflichten verletzt

Die Tragödie hätte also verhindert werden können. Regungslos und sichtlich mitgenommen folgt Stefan I. den Ausführungen des Gutachters. Der Radlader gehörte dem 44-jährigen Landwirt selbst, er hatte Routine in der Bedienung des Geräts. Doch Routine könne eben auch tödlich enden, begründete Richter Herrmann das Urteil. Stefan I. habe mehrere Sorgfaltspflichten verletzt. In erster Linie hätte er in der Gitterbox aber gar keine Personen transportieren dürfen.

Der Richter zeigte sich aber auch mitfühlend mit dem Angeklagten. Die Fahrt mit der Gitterbox fand im Einvernehmen vieler Kinder und Eltern statt. "Jeder, der auf dem Dorf aufgewachsen ist, weiß, dass solche Aktionen dort ein Stück weit Normalität sind. Man macht das, weil das Spaß bringt." Erst beim genaueren Hinsehen könne man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

"Sie werden das sicherlich nie wieder machen"

Am Ende sei es so: Keine Strafe eigne sich, um das Geschehene wiedergutzumachen. "Sie werden das auch sicherlich nie wieder machen", sagte Richter Herrmann. Doch der Gesetzgeber sehe strafrechtliche Konsequenzen vor: Zwei Menschen sind gestorben. Die Hinterbliebenen werden mit dem Verlust ein Leben lang zu kämpfen haben. Auf eine Freiheitsstrafe könne man aufgrund der Schuld nicht verzichten.

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