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"Kieler helfen mit Herz" unterstützt Obdachlose und ihre Hunde


"Kieler helfen mit Herz"
Organisation unterstützt Obdachlose und ihre Hunde

Von Sven Raschke

17.12.2020Lesedauer: 5 Min.
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Peter Könnecke steht mit gepackten Tüten vor dem Kieler Hauptbahnhof: Etwa 60 bis 100 Obdachlose kommen zur Lebensmittelausgabe.Vergrößern des Bildes
Peter Könnecke steht mit gepackten Tüten vor dem Kieler Hauptbahnhof: Etwa 60 bis 100 Obdachlose kommen zur Lebensmittelausgabe. (Quelle: Sven Raschke/leer)

Die Gruppe "Kieler helfen mit Herz" verteilt in Kiel Essen an Bedürftige und deren Hunde. Die Corona-Krise hat den Bedarf deutlich erhöht – und zugleich die Arbeit der Helfer erschwert.

Die Menschenansammlung am Donnerstagnachmittag vor dem Kieler Bahnhof ist ein ungewöhnlicher Anblick, so mitten im Lockdown. Doch sie hat einen guten Grund. Hier versorgen gerade die Freiwilligen von "Kieler helfen mit Herz" Obdachlose, Bedürftige und – nicht zu vergessen – deren Hunde mit Essen und anderen Bedarfsgütern des täglichen Lebens.

Normalerweise verteilen Peter Könnecke und sein Team immer alle zwei Wochen unter der Gablenzbrücke. Zurzeit sind sie aber deutlich öfter unterwegs: am Bahnhof, auf dem Wilhelmplatz, in Gaarden und anderen Orten – eben dort, wo sich die Kundschaft trifft. Denn der Bedarf ist laut Könnecke aktuell besonders hoch. Gleichzeitig fallen Einrichtungen, an denen Bedürftige sonst versorgt werden, weg. "Die Weihnachtsmärkte, bei denen die Menschen immer sehr spendabel sind, gibt es ja dieses Jahr nicht", so Peter Könnickes Frau Kirsten. "Und die Tafeln mussten auch wieder zumachen."

Offiziell gibt es in Kiel weniger als 100 Obdachlose. Dabei wird aber die Dunkelziffer nicht berücksichtigt. "Die ist auf jeden Fall höher", sagt Könnecke. "Und die Bedürftigkeit ist in diesem Jahr extrem angestiegen, durch Corona und den Lockdown."

Hunde als Lebensinhalt

Der Zulauf zu den Verteilungen von "Kieler helfen mit Herz" bestätigt die Einschätzung. 60 bis 100 Menschen kommen laut den Könneckes jedes Mal, manchmal auch mehr. Nur bei den aktuellen unangekündigten Verteilungen außer der Reihe sind deutlich weniger anwesend. Und immer nur ein kleiner Teil hat einen Hund dabei. "Zu viele Hunde auf einem Haufen gäbe Stress", erklärt Könnecke.

Dass scheinbar so viele Obdachlose einen Hund besitzen, wird von manchen darauf zurückgeführt, dass sie die damit verbundenen staatlichen Leistungen einstreichen wollen. Aber das hält Könnecke für Unsinn. "Viele von ihnen lehnen es ja ab, überhaupt soziale Leistungen in Anspruch zu nehmen. Der Hund ist deren Lebensinhalt."

Die Regeln bei der Verteilung sind allen längst klar. "Kein Alkohol, keine Pöbeleien. Seid nett zueinander, vertragt euch. Wir freuen uns, dass ihr hier seid", sagt Könnecke. "Ein bisschen Pöbelei kommt schon mal vor", ergänzt er später. "Da ist jemand angetrunken oder unter Drogen. Aber selbst in diesem Zustand sind die Leute hier sehr einsichtig, und wir regeln das höflich und nett." Die freiwilligen Helfer sind ein eingespieltes Team. Auch die meisten Bedürftigen kommen seit Jahren. Da habe sich Vertrauen aufgebaut, so Könnecke. "Es gab noch keine einzige Handgreiflichkeit. Wir kommen mit Respekt an und werden auch mit Respekt behandelt."

Spendenbereitschaft so hoch wie nie

Die Verteilung beginnt. Zuerst sind die Menschen dran. Neben Essenspaketen gibt es Hygieneartikel: Deo, Duschgel, Zahnpasta und auch Unterwäsche und Socken. Anschließend kommt die Hundestation: Trocken- und Nassfutter, Leckerlies. Mittel gegen Zecken und andere Wehwehchen, Flokämme, Bürsten, Halsbänder und Hundemäntel gegen die Kälte.

"Wir sind ausgestattet wie ein Futterhaus", sagt Peter Könnecke. Seine Frau Kirsten bestätigt dies. "Die Spendenbereitschaft ist Wahnsinn dieses Jahr. Das haben wir so noch nicht erlebt." Sie glaubt, dass die Menschen wegen Corona bewusster über die Bedürftigen nachdenken. Auch die vor ein paar Monaten eingeführte Möglichkeit, für "Kieler helfen mit Herz" Essensboxen über Amazon zu spenden, werde sehr viel genutzt. Zudem werden die Menschen- und Hundehelfer von vielen Firmen unterstützt.

Dass die Spenden so reichlich fließen, liegt auch an Peter Könneckes hauptberuflicher Tätigkeit. In Projensdorf betreibt er einen An- und Verkaufsladen. "Dadurch bin ich gut vernetzt, nicht nur im Norden. Da war es nicht schwer Sponsoren zu finden. Wir kriegen auch Pakete aus der Schweiz und Österreich."

Lennox ist einer der regelmäßigen Empfänger. Mit 34 Jahren war er sieben Jahre im Gefängnis. Seit zwei Jahren ist er draußen, obdachlos und Kunde bei "Kieler helfen mit Herz". "Das Herz passt, das haben sie wirklich", sagt er. "Die sind super lieb und reißen sich den Arsch auf für uns. Die nehmen uns, wie wir sind, fragen auch mal, wie's einem geht. Ich bin froh, dass es sie gibt." Andere stimmen ihm zu: "Ich bin arbeitsloser Koch und kann nur sagen: Die Qualität hier ist Eins A." Oder: "Es gibt nichts besseres. Die schneiden einem auch mal die Haare, wenn man kein Geld für den Friseur hat."

Eine fordernde Arbeit

Die gemeinnützige Arbeit hält die Gruppe tatsächlich ordentlich auf Trab. Spenden sammeln, kochen, backen, organisieren, verteilen. Und neben den Sachspenden erledigen sie auch mal Behördengänge oder Tierarztbesuche. Viele der Bedürftigen haben die Telefonnummer von Familie Könnecke. "Da meldet sich jemand, der kein Hundefutter mehr hat", sagt Peter Könnecke. "Oder wir bekommen einen Notruf, weil jemand Magenschmerzen hat oder kotzt. Da muss ich dann auch schon mal nachts los zur Notfallapotheke."

Gegründet hatte Peter Könnecke die Gruppe "Kieler helfen mit Herz" zusammen mit seiner Frau und einer Handvoll Freunden im Mai 2018. Das Ehepaar hatte schon immer Hunde und sich sozial engagiert, unter anderem für die Kieler Tiertafel. "Wir haben selbst schon Zeiten erlebt, als wir finanziell nicht so gut gestellt waren", sagt Kirsten Könnecke. "Da merkt man, wie schnell man abrutschen kann."

Die Idee mit den Bedürftigen und ihren vierbeinigen Freunden lag also nicht fern. Die Gruppe wuchs schnell an. 300 Mitglieder sind es mittlerweile in der Facebook-Gruppe. Zum festen Kern, der auch tatsächlich auf die Straße geht, gehören etwa 25. Einer von ihnen stand früher selbst auf der anderen Seite des Gabentisches. Rimas war obdachlos, bevor er schließlich einen Job und eine Wohnung fand. "Rimas ist sehr engagiert und hilfsbereit. Er kennt sich in der Szene aus und ist ein ganz feiner Kerl!", sagt Peter Könnecke.

Corona erschwert das Helfen

Die Corona-Regeln haben das Helfen nicht leichter gemacht. Als die Gruppe am vergangenen Wochenende unter der Gablenzbrücke ihre vorweihnachtlichen Gaben verteilte, kamen nach kurzer Zeit Polizei und Ordnungsamt vorbei. Jemand hatte die Behörden alarmiert, weil er eine ungenehmigte Demonstration vermutet hatte. "Die Beamten waren besorgt, ob die Regeln eingehalten werden können, wenn da 50 Leute zusammenkommen. Aber letztendlich haben sie uns gewähren lassen, nachdem wir einige Helfer als Ordner umdisponiert hatten."

Trotz der Widrigkeiten – Peter Könnecke und sein Team machen die Arbeit gern. Nach einer Viertelstunde sind die "Kieler helfen mit Herz" mit der Verteilung am Bahnhof durch. Feierabend ist aber noch nicht. Nächste Station ist der Wilhelmplatz.

Verwendete Quellen
  • Gespräche bei der Essensvergabe von "Kieler helfen mit Herz"
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