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Kiel: Nachbarschaftshilfe kämpft gegen Corona-Einsamkeit


Kreativ gegen die Corona-Isolation
Nachbarschaftshilfe kämpft gegen Vereinsamung älterer Menschen

Von Sven Raschke

26.12.2020Lesedauer: 3 Min.
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Dagmar Richter steht vor dem Schaukasten der Organisation. Dort werden Gedichte, Bilder und Geschichten ausgestellt.Vergrößern des Bildes
Dagmar Richter steht vor dem Schaukasten der Organisation. Dort werden Gedichte, Bilder und Geschichten ausgestellt. (Quelle: Sven Raschke/leer)

Die Nachbarschaftshilfe "Anna" versucht, mit kreativen Ideen gegen die Vereinsamung älterer Menschen während der Corona-Isolation anzugehen. In den kalten Monaten stößt sie dabei auf zusätzliche Hindernisse.

Die Anna für Ellerbek/Wellingdorf hat es zurzeit nicht leicht. Anna, das ist das Kürzel für Anlaufstelle für Nachbarschaft, das zugleich die Aufgabe der Einrichtung in der Wahlestraße in Kiel-Ellerbek beschreibt: die Begegnungen und den Austausch von älteren Menschen in den beiden Stadtteilen am Ostufer zu fördern. Was aber tun, wenn in Zeiten von Corona genau das nach Möglichkeit vermieden werden soll? Dagmar Richter, die die Einrichtung betreut, geht mit kreativen Ansätzen gegen Isolation und Vereinsamung im Lockdown an – und nimmt sich dabei mal Italien, mal die Adventszeit als Inspiration.

Insgesamt 15 Annas gibt es in Kiel. Die Diakonie Altholstein ist Trägerin von sieben von ihnen, so auch von der Anna mit Sitz in der Betreuten Wohnanlage in der Wahlestraße, in der Dagmar Richter ihr Büro hat. Von hier aus berät sie die Senioren ihres Viertels, organisiert und unterstützt Veranstaltungen und Treffen. Das können Spieleabende sein, gemeinsam singen, Sport treiben, kochen – alles letztlich mit dem Zweck, sich zu betätigen und der Vereinsamung entgegenzuwirken. "Und oft möchten die Menschen, die zu mir kommen, um sich vielleicht bei der Beantragung eines Pflegegrades oder Behindertenausweises helfen zu lassen, auch von ihren Sorgen erzählen", sagt Richter.

Veranstaltungen finden nicht statt, ältere Menschen vereinsamen

Im März hatte es eigentlich ein lange geplantes und groß angelegtes Treffen geben sollen. Alle 55- bis 65-Jährigen aus Ellerbek und Wellingdorf waren angeschrieben worden. Bei dem Treffen sollten ein neues Nachbarschaftsnetzwerk entstehen, Ideen gesammelt, Kontakte geknüpft werden, damit mit der Rente nicht der Absturz in die Einsamkeit einhergeht. Doch der März war dann auch der Beginn des ersten Lockdowns. "Alles war schon bereit, das war wirklich schade", erinnert sich Richter, "aber wir mussten es absagen. Das Risiko war einfach zu groß."

So geht es seitdem mit den allermeisten Veranstaltungen. Die Beratungsgespräche in Richters Büro sind selten geworden. Und durch Maske und Abstandsregeln weniger persönlich. "Man kann sich kein Lächeln schenken oder mal eben die Hand streicheln", sagt Richter. "Es ist fast wie ein Telefongespräch."

Auch die Sport-, Gesangs- und Spielegruppen können sich nicht länger treffen. "Für die Leute ist das ganz schlimm", sagt Richter. Für manche seien die Treffen die einzige Veranstaltung, bei der sie anderen Menschen begegnen. "Die Gefahr zu vereinsamen ist jetzt noch größer geworden. Ich hatte neulich einen älteren Herrn hier, der sich wegen Corona so zurückgezogen hat, dass er eigentlich nur noch die Kassiererin im Supermarkt sieht."

Mit neuen Ideen gegen die Vereinsamung

Um gegen die Vereinsamung anzugehen, wurden die Veranstaltungen, soweit es ging und solange das Wetter es zuließ, nach draußen verlegt. Die Sportgruppen machten Gymnastik auf dem Bürgersteig. Der Singkreis orientierte sich an den Vorreitern aus Italien: Ein Gitarrist stellte sich auf die Straße, und von den geöffneten Fenstern und Balkonen aus sangen die Menschen gemeinsam.

Für solche Aktionen ist es mittlerweile zu kalt geworden. Und was an weihnachtlichen Treffen noch vorgesehen war, musste wegen des erneuten Lockdowns kurzfristig abgesagt werden. Aber einen kleinen Ausgleich hat Dagmar Richter mit ihren Adventsideen geschaffen.

Zum Beispiel mit dem Adventskalender für die ganze Stadt. In Ellerbek und Wellingdorf, aber auch in anderen Stadtteilen wurden die Menschen dazu aufgerufen, jeweils gemeinsam einen Kalender zu gestalten. Jeder Teilnehmer sollte sich etwas für jeweils ein "Türchen" überlegen. Ob etwas Gebasteltes oder ein niedergeschriebenes Gedicht – "ganz egal, Hauptsache, mit Liebe gemacht und verpackt", so Richter. So sollte die Gemeinschaftsaktion das fehlende Zusammensein kompensieren. "Wir wussten erst gar nicht, ob wir genügend Leute dafür finden – wir hatten schließlich kaum Zeit zu planen", so Richter. "Wir haben es aber tatsächlich geschafft! In dieser kurzen Zeit haben sich ganz viele engagiert. Das ist was ganz Besonderes."

Eine weitere Idee möchte Dagmar Richter im nächsten Jahr noch weiter ausbauen: In der Wellingdorfer Straße hat sie einen Infokasten zum Adventstürchen für die Nachbarschaft umfunktioniert. Dort werden jetzt täglich Bilder, Gedichte und Geschichten von Menschen aus dem Stadtteil ausgehängt. "Ich habe dazu aufgerufen, dass die Leute mir etwas zuschicken. Und ich fand sehr schön, was dabei rumgekommen ist", so Richter. Da findet sich etwa ein Foto von einem Weihnachtsfest aus den 50ern. Oder ein Gedicht, von dem der Zusender sagt: "Dieses Gedicht begleitet mich schon mein ganzes Leben." Dagmar erzählt bewegt von diesen Momenten: "Es ist einfach schön, das miteinander im Stadtteil zu teilen."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Dagmar Richter
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