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Kölner Karneval: Sechs Auftritte am Tag – mit Brings auf Tour


Ein Tag mit Brings im Karneval
"Kann nicht so schnell pinkeln, wie wir auf der Bühne stehen"

Von Laura Isabel Schameitat

Aktualisiert am 01.02.2024Lesedauer: 4 Min.
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145 Auftritte in 5 Wochen: So läuft der Karnevalsalltag der Band Brings. (Quelle: t-online)

Bis zu sechs Auftritte am Tag, vom Dorfzelt bis zur Riesen-Arena: Das Pensum kölscher Bands in der Karnevalssession ist einzigartig. So schafft es Brings, den letzten Auftritt wie den ersten aussehen zu lassen.

Um 18.51 Uhr steigen Peter Brings und seine Band-Kollegen nach ihrem Auftritt in Lindlar in ihren Bus. Um 19 Uhr bereits grölen 1.000 kostümierte Frauen in einem Partyzelt in Engelskirchen vor der Bühne mit: "Denn wir sind alles kleine Sünderleeeeeein, nieeeeeemand will heut' Nacht alleine sein!".

In den neun Minuten dazwischen ist einiges passiert: Peter Brings hat aus Versehen die falsche Jacke aus dem Backstage-Bereich in Lindlar mitgenommen – das fällt gerade noch rechtzeitig auf. Udo Deimel, in Personalunion Fahrer, Tontechniker und Tour-Manager der Band, ist mit dem Bus knapp sieben Kilometer über kurvige Landstraßen gebrettert und hat vor dem Zelt in Engelskirchen geparkt. Die Band hat ihre Instrumente gepackt, ist aus dem Bus gesprungen, hat schnell noch ein paar Selfies mit Fans gemacht – in dieser Zeit hat die Technik-Crew alles vorbereitet. Um 19 Uhr ertönt der erste Ton von "Sünderlein".

Der Mittwochabend, an dem sich all das auf den Dörfern im Kölner Umland abspielt, ist ein stinknormaler Tag im rheinischen Karneval. Es ist grau, mit 14 Grad viel zu mild für Ende Januar, ein "fisseliger" Sprühregen, wie man es im Rheinland nennt, fällt vom Himmel auf die weißen Partyzelte.

Brings ist seit 14 Uhr unterwegs, der erste Stopp war ein Pressetermin in einer Kneipe, danach ging es von Damensitzung zu Damensitzung. Dieser Name klingt eigentlich zu vornehm für das, was in den Zelten passiert: Tausende Frauen "reißen die Hütte ab", wie Peter Brings es nennt. Eine Horde Zebras tanzt auf der Bierzeltgarnitur, eine Gruppe gelber "Bibo"-Vögel aus der Sesamstraße liegt sich in den Armen, zwei per Aufschrift auf den grünen T-Shirts selbsternannte "Schnapsdrosseln" tanzen Discofox zwischen Tupper-Dosen voller mitgebrachter Mettbrötchen und kleinen Tisch-Fässchen Kölsch. Auf Herrensitzungen spielt die Band seit knapp 15 Jahren prinzipiell nicht mehr. "Die jagen nackte Mädchen über die Bühne und saufen nur, darauf haben wir keine Lust", sagt Peter Brings.

"Die Stimme muss warm bleiben"

Knapp 150 Auftritte absolviert Brings in der Hochphase der Karnevalssession, von Anfang Januar bis Aschermittwoch. Kölner Bands unterscheiden sich damit in zwei Dingen entscheidend von anderen Künstlern in Deutschland: Zum einen spielen sie mehrfach am Tag und zum anderen in einer Bandbreite von Dorf-Partyzelt bis Großstadt-Arena. Während andere Künstler in der Größenordnung von Brings Dorffeste längst hinter sich gelassen haben, kehren Kölner Bands auch nach ausverkauften Stadion-Touren noch aufs Land zurück. Warum? Peter Brings begründet das so: "Wer uns im Karneval auf dem Dorf erlebt und geil findet, der kauft sich auch eine Karte fürs Konzert."

Über 500 Buchungsanfragen bekommt die Band pro Session, Manager Stefan Kleinehr wählt aus, wen Peter, Stephan, Christian, Kai und Harry besuchen und wen nicht. Entscheidend seien dabei auch perfekt geplante Routen, sagt Peter Brings: "Wir wollen möglichst wenig Wartezeiten. Dann sackt das Adrenalin runter und du bist am Arsch." Was andere als puren Stress empfinden würden, ist von Brings also gewollt. "Die Stimme muss warm bleiben", sagt Peter Brings.

Zwei Minuten braucht die Band an guten Tagen vom Ausstieg aus dem Bus bis zum ersten Ton auf der Bühne. Jeder Handgriff sitzt: raus aus dem Bus, rein ins Zelt, fünf Hits gespielt, rein in den Bus. "Ich kann gar nicht so schnell pinkeln, wie wir auf der Bühne stehen", fasst Peter zusammen. Die Setlist ist an jedem Ort gleich: "Sünderlein" macht den Anfang. "Bei dem Lied sind die Leute schnell da", meint Peter Brings. Ganz zum Schluss, als Zugabe, wird es mit "Die Liebe gewinnt" ruhiger. Den Klassiker "Superjeile Zick", mit dem die Band vor 24 Jahren ihren Durchbruch schaffte, spielen sie fast gar nicht mehr. "Das habe ich schon gefühlte 100.000 Mal gespielt", sagt Peter Brings.

Fencheltee statt Ramazotti

Andere Songs fallen aufgrund nachlassender Beweglichkeit aus dem Raster. "Am Anfang der Session haben wir noch 'Mir sind Kölsche' gespielt, aber da muss man immer so in die Knie gehen, das ging nicht mehr", sagt Peter Brings, der dieses Jahr 60 Jahre alt wird.

Überhaupt – das Alter: Vieles hat sich verändert in den letzten 30 Jahren Bandgeschichte. "Früher haben wir im Tourbus viel Chips und so einen Kram gegessen und haben uns eine Pulle Ramazzotti geteilt", erinnert er sich. Heute trinkt Peter Anis-Fenchel-Tee, isst Rohkost aus der Tupperdose und lässt sich auf den Fahrten zwischen den Auftritten von einer App durch geführte Meditationen leiten, während Schlagzeuger Christian die Zeit am liebsten für ein Nickerchen nutzt. Ein Stück Kuchen, hastig im Backstage-Bereich heruntergeschlungen, ist das höchste der Gefühle in Sachen Sünden. Gesunde Kost, gesundes Reisen. Immer wieder wird Keyboarder Kai, der seinen Stammplatz an der Bustür hat, ermahnt, bloß schnell die Tür zu schließen, damit sich niemand erkältet.

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700.000 Menschen sollen begeistert sein

"Ich gehe jeden Tag joggen und zusätzlich noch zum Kieser-Training für meinen Rücken", erzählt Peter Brings. Nur so könne er den Marathon in der Session durchstehen – und dem Publikum das bieten, wonach es verlangt. "Unsere Fans haben einen Anspruch darauf, motivierte und fokussierte Musiker auf der Bühne zu sehen", findet er. Und ergänzt: "Der erste Auftritt am Tag muss genauso gut sein wie der letzte." Knapp 600.000 bis 700.000 Menschen sehen Brings irgendwann, irgendwo, während der Karnevalssession im Rheinland. Und alle sollen begeistert nach Hause gehen.

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Dass das ganz gut funktioniert, bestätigt sich abends beim allerletzten Auftritt an diesem Tag. Zurück in Köln, in der "guten Stube" der Stadt, dem Gürzenich, wartet noch die Damensitzung der "Roten Funken" auf die Band. Parken, Rausspringen, kurzes Schwätzchen im Künstlerbereich, rauf auf die Bühne, fünf Songs, dann ist Feierabend. "Ihr verbreitet Emotionen als wäre es euer erster Auftritt", sagt der Funken-Präsident.

Zum Abschluss des Arbeitstages verteilt Fahrer Udo Quarkbällchen an die müden und verschwitzten Musiker im Bus. Viel gesprochen wird nicht mehr. Morgen geht es weiter: wieder nach Lindlar, wieder ins Gürzenich, dazwischen ins Kölner Maritim Hotel, Abschluss im Tanzbrunnen.

Verwendete Quellen
  • Reporterin unterwegs mit Brings
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