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Waffenverbotszone in Leipzig: Das Ende einer Lachnummer


Waffenverbotszone in Leipzig
Das Ende einer sächsischen Lachnummer

MeinungVon Andreas Raabe

Aktualisiert am 24.06.2022Lesedauer: 4 Min.
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Sachsens Ex-Innenminister Wöller bei der Einführung der Waffenverbotszone (Archiv): Das Schild wurde schon in der ersten Nacht geklaut. (Quelle: Sebastian Willnow)

Mit einem Waffenverbot sollte ein Kriminalitäts-Hotspot befriedet werden. Doch der Staat machte sich lächerlich: Sogar Schraubenzieher waren geächtet. Gefährlich wird es, wenn dahinter der Wille zu entgrenzter Überwachung steckt.

Sie war von Anfang an eine Lachnummer – und eine Mogelpackung: Die Waffenverbotszone um die Leipziger Eisenbahnstraße. Zum Glück soll sie jetzt abgeschafft werden.

Es ging schon lustig los, damals im Jahr 2018. Als Leipzigs Oberbürgermeister, der Polizeichef und Sachsens Innenminister Wöller die Zone einweihten, hielten sie ein gelbes Schild mit der Aufschrift "Waffen verboten" in die Kameras.

Waffenverbotszone Leipzig: Ständig wurden die Schilder geklaut

Das Schild wurde auf einen Pfahl montiert und die drei Männer fuhren in ihren Limousinen davon. Doch schon am nächsten Morgen war das Schild weg: geklaut. Freche Diebe hatten es nur Stunden nach dem Termin abgeschraubt und weggetragen.

So ging es dann fröhlich weiter. Allein im ersten Monat nach Einführung der Zone verschwanden 11 der insgesamt 30 Schilder. Frisch zugezogene Hipster klauten sie in Massen und hängten sie in ihre WG-Küchen – oder einfach aufs Klo. Die übrigen wurden bemalt und zugeklebt. Inzwischen wurden 60 Schilder gestohlen, 53 waren so stark verschmutzt, dass sie ausgetauscht werden mussten. Die Stadt baut seit Mitte vergangenen Jahres keine neuen mehr an.

All die Absurditäten der Waffenverbotszone waren so bizarr, dass sie von Anfang an niemand ernst nahm. Waffen sind, wie jeder weiß, sowieso verboten: Pistolen, Maschinengewehre, Ninja-Schwerter, Panzerhaubitzen. Rund um die Eisenbahnstraße sollte aber alles verboten sein, was man als Waffe benutzen könnte – Baseballschläger und Obstmesser, Schraubenzieher und Hämmer zum Beispiel.

Menschen, die sich an die Regeln halten wollten, – so wurde es damals verkündet – sollten besagten Schraubenzieher für den Weg vom Baumarkt nach Hause in einen versiegelten Behälter legen, den sie dann erst innerhalb ihrer Wohnung öffnen durften. Wer anderes tat, wurde mit 10.000 Euro Strafe bedroht.

Was gilt als Waffe? Es gibt auch Menschen, die mit ihrem Atem töten können

Einen genau definierten Katalog, was nun nicht mehr erlaubt war, gab es allerdings nie. Stattdessen schrieb die Polizei eine Mitteilung an die Öffentlichkeit mit einer Auflistung verbotener Gegenstände und dem letzten Punkt "und andere Dinge …".

Und andere Dinge: darüber muss man in Leipzig lachen. Ob "die Eisenbahnstraße nun auch für Rentner mit geländetauglichen Wanderstöcken und Mütter mit Regenschirm zur No-go-Area wird?", fragte damals beispielsweise das Stadtmagazin Kreuzer.

Es passierte, was immer passiert, wenn man absurde Verbote erlässt, die man gar nicht durchsetzen kann: Natürlich hält sich niemand daran. Die Leute machen sich lustig, sie verlieren den Respekt vor Politik und Sicherheitsorganen.

Waffenverbotszone: "Großer Vorteil, verdachtsunabhängig kontrollieren zu können"

Und wer sollte das alles kontrollieren? Wer wollte ernsthaft einem unbescholtenen Anwohner die angedrohten 10.000 Euro Strafe aufbrummen, weil er einen Schraubenzieher vom Baumarkt nach Hause trägt?

Man stelle sich vor, eine Baseballmannschaft wäre aus Versehen an der falschen Straßenbahnhaltestelle ausgestiegen. Was ist denn nun "gefährlich"? Es soll ja auch Leute geben, die mit ihrem schlechten Atem töten können.

Aber Spaß beiseite: Eine Mogelpackung war die Waffenverbotszone, weil es nie darum ging, Waffen zu verbieten. Sondern nur darum, neue Möglichkeiten der Überwachung und Kontrolle zu schaffen, oder etwas direkter gesagt: Es ging darum, Grundrechte auszuhebeln.

Das gab der damalige Polizeisprecher Andreas Loepki sogar ganz offen zu: "Für uns wäre es vielmehr ein großer Vorteil, wenn wir damit die Legitimation erhalten, Personen anlassunabhängig kontrollieren zu können", sagte er 2018 der Leipziger Volkszeitung.

Aber warum ausgerechnet an der Eisenbahnstraße? Ganz einfach: Hier sollen sich Ausländer und Linke ballen, meinte man im Ministerium des Inneren. Die Straße wurde nämlich von Boulevardmedien einst zur "gefährlichsten Straße Deutschlands" ausgerufen. Statistiken haben dieses Stigma nie bestätigt – und Anwohner schon gar nicht, wenn man sie denn fragte.

Es war mal wieder eine sächsische Krankheit am Werk: eigenartige Vorurteile und öffentlichkeitswirksame Phantomjagden

Hier war mal wieder eine sächsische Krankheit am Werk: Man jagt öffentlichkeitswirksam Phantomen hinterher, die eigenartige Vorurteile bedienen. Konkret: kriminellen Migranten und sehr bösen jungen Leuten, die nicht irgendwie rechts sind.

Und das in dem Bundesland, wo sich der NSU jahrelang verstecken konnte – ja bis zuletzt nicht entdeckt wurde, man hatte sich damals ja durch eine Bombenexplosion in der eigenen konspirativen Wohnung selbst enttarnt.

In Sachsens Sicherheitspolitik müssen dringend Profis ans Werk. Leute, die wissen, was sie tun, statt den Gespenstern ihrer Vorurteile hinterherzujagen. Oder von ihren Chefs aus Wahlkalkül dazu gezwungen werden. Das ist nämlich nicht nur lächerlich, sondern auch wirklich gefährlich, weil man dadurch Grundrechte aushöhlt, Ängste und Stigmata verbreitet und Ressourcen verschwendet, die besser in die Verfolgung echter Kriminalität investiert werden sollten.

Nach der Waffenverbotszone auf der "Eisi": Äxte, Mordhämmer, rasiermesserscharfe Klappspaten

Am Ende scheiterte die Waffenverbotszone nicht an der Einsicht im Innenministerium, sondern an einem Gerichtsurteil: Nach der Klage eines Anwohners und jahrelangem Rechtsstreit erklärte das Sächsische Oberverwaltungsgericht 2021 das "Verbot zum Mitführen gefährlicher Gegenstände" an der Eisenbahnstraße für unwirksam. Seitdem sind die besonderen Befugnisse der Polizei innerhalb der Zone außer Kraft gesetzt.

Die Konsequenzen werden schrecklich sein: Ab sofort dürfen kriminelle Nicht-in-Sachsen-Geborene und gewaltbereite Linksextremisten wieder fröhlich mit Äxten, Baseballschlägern, Mordhämmern und zum Töten geschliffenen Klappspaten die Eisenbahnstraße, ihre geliebte "Eisi", terrorisieren. Man hat es schon schwer in Sachsen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anfrage bei der Stadt Leipzig
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