Ukrainer bei Pro-Russland-Demo in Leipzig beschimpft
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Etwa 3.000 Menschen demonstrierten in Leipzig gegen die Russlandpolitik der Regierung. Es blieb zunΓ€chst ruhig β dann traf der Demozug auf eine Gruppe Ukrainer.
Fast sah es so aus, als hΓ€tte Leipzig, die selbsternannte "Heldenstadt", auch die neuartigen Demonstrationen frustrierter WutbΓΌrger besiegt. Nur 300 Teilnehmer waren angemeldet fΓΌr die Demonstration "FΓΌr Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung", die sich gegen die Energie- und Russlandpolitik der Regierung wendet. An den letzten beiden Montagen waren noch bis zu 2.000 Menschen auf die StraΓe gegangen.
Am Montag vor einer Woche stellte sich dem Aufzug, der unter anderem von den rechtsextremen "Freien Sachsen" gefΓΆrdert wird, ein breites BΓΌndnis der Leipziger Zivilgesellschaft entgegen. Ebenfalls etwa 2.000 Gegendemonstranten verhinderten so den Zug der bunt gemischten Truppe, zu der auch viele Querdenker strΓΆmten, um den geschichtstrΓ€chtigen Leipziger Ring. Frustration in den einschlΓ€gigen Telegram-KanΓ€len der Querdenker-Szene war die Folge. Leipzig galt ihnen als verloren.
Leipzig: 3.000 ziehen um den gesamten Innenstadtring
Doch an diesem Montag kam es anders. Denn es gingen laut SchΓ€tzungen der Polizei sogar 3.000 Menschen zu dem Protest, wΓ€hrend sich im Gegenprotest nur 400 BΓΌrgerinnen und BΓΌrger versammelten.
Folgerichtig zogen die 3.000 dann auch mit ihrem Frontbanner: "FΓΌr diese ScheiΓe waren wir 89 nicht auf der StraΓe" um den gesamten Innenstadtring, auf der Route der Montagsdemonstrationen von 1989. Die Leipziger Sankt-Trinitatis-Kirche, die direkt am Weg liegt, hielt mit einem groΓen Banner "22 ist nicht 89" dagegen.
Insgesamt verlief der Abend ruhig, bis auf einen Moment: Am Richard-Wagner-Platz traf der Demozug der Russland-Versteher auf eine deutlich kleinere Demonstration, die sich dort mit der Ukraine solidarisierte und an der β auch anlΓ€sslich der jΓΌngsten russischen Rakentangriffe β viele ukrainische GeflΓΌchtete teilnahmen.
Leipzig: Wortgefechte ΓΌber die Polizeiketten hinweg
An dieser Stelle kam es zu einer Sitzblockade, an der der groΓe Demonstrationszug spΓ€ter vorbeigeleitet wurde. Die dadurch entstehende Pause nutzten aber die Ukrainer wie auch die Pro-Russland-Demonstranten fΓΌr ein Wortgefecht ΓΌber die Spalier stehenden Polizeiketten hinweg.
"Nazis raus!" riefen die Demonstrierenden den ukrainischen GeflΓΌchteten zu. Laut einem Twitter-Nutzer, der ein Video der Szene verΓΆffentlichte, sollen weitere ΓΌble Beschimpfungen gefolgt sein. Unter anderem habe man den KriegsflΓΌchtlingen zugebrΓΌllt: "Ihr Schweine verpisst euch, ihr lebt auf unsere Kosten."
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Passanten Γ€tzten zurΓΌck: "Ihr seid doch eine Bewegung, warum steht ihr dann?", brΓΌllte einer. Oder β mit Bezug auf die "Ami go home"-Schilder, die bei der Pro-Russland-Demo gezeigt wurden β "Wer ist denn dieser Amigo? Und warum soll er nach Hause gehen?" Es blieb bei solcherlei SchmΓ€hrufen, handgreiflich wurde es nicht.
An ihrem Ziel, dem Augustusplatz, zerlief sich die Energiepolitik-Demo, abgeschirmt von Hunderten Polizisten. Man wolle sich am 15. Oktober wieder treffen, sagte ein Redner, wieder in Leipzig, diesmal an einem Sonnabend.
MinisterprΓ€sident und OberbΓΌrgermeister verurteilen PΓΆbeleien
Am Dienstagnachmittag verurteilten Leipzigs OberbΓΌrgermeister Burkhard Jung und Sachsens MinisterprΓ€sident Michael Kretschmer die PΓΆbeleien gegen Ukrainer.
Aus einem "seltsamen Gemisch von RechtsradikalitΓ€t, Feinden der Demokratie, seltsamer freundschaftlicher Anmutung, Putin zu verstehen, und ReichsbΓΌrgern" entlade sich Wut gegenΓΌber GeflΓΌchteten, die er unertrΓ€glich finde, sagte der SPD-Politiker Jung. Dem mΓΌsse man mit Haltung und Klarheit widerstehen und fΓΌr das Prinzip "Die WΓΌrde des Menschen ist unantastbar" gemeinsam einstehen.
Kretschmer (CDU) nannte die Beschimpfungen "unmΓΆglich und nicht akzeptabel". Der ΓΌbergroΓe Teil der sΓ€chsischen BevΓΆlkerung lebe SolidaritΓ€t. "Wir sind an so vielen Stellen auf wunderbare Weise Zeugen geworden, wie hier NΓ€chstenliebe praktiziert wird. Von daher verurteilen wir das. Es widert uns an und wir wehren uns dagegen."
- Beobachtungen vor Ort
- Telefonat mit der Polizei Leipzig
- Mit Material der dpa