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Gil-Ofarim-Prozess in Leipzig: Spielt dieser Zeuge eine wichtige Rolle?


Prozess gegen Gil Ofarim
Hotelgast erbost über Befragung: "Ungeheuerlich"

Von Yannick von Eisenhart Rothe

Aktualisiert am 15.11.2023Lesedauer: 3 Min.
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Gil Ofarim im Gerichtssaal: Wer sagt die Wahrheit?Vergrößern des Bildes
Gil Ofarim im Gerichtssaal: Wer sagt die Wahrheit? (Quelle: ArcheoPix )

Der dritte Verhandlungstag im Prozess gegen Gil Ofarim brachte wenig neue Erkenntnisse. Ein befragter Zeuge geriet mit der Verteidigung aneinander und fühlte sich selbst verdächtigt.

Wegen eines Vorfalls vor zwei Jahren steht der Musiker Gil Ofarim derzeit in Leipzig vor Gericht. Er hatte einen Hotelmanager beschuldigt, ihm wegen seiner Davidsternkette den Check-in verweigert zu haben und dem Mann Antisemitismus unterstellt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das nicht stimmt – und hat Ofarim angeklagt.

Am dritten Verhandlungstag am Dienstag sagten mehrere Hotelgäste vor Gericht aus, die sich an jenem 4. Oktober 2021 in der Lobby des Hotels "Westin" in Leipzig aufgehalten hatten. Eine antisemitische Äußerung oder eine Aufforderung an Ofarim, seine Kette abzulegen, hat den Aussagen zufolge niemand wahrgenommen.

Einer der Zeugen geriet bei seiner Befragung mit Ofarims Anwälten aneinander. Der 58-jährige Flugbetriebsingenieur schilderte, wie er an dem Abend ins Hotel habe einchecken wollen. Aufgrund technischer Probleme habe sich eine lange Schlange gebildet.

"Der war auf 180"

Ofarim habe sich in der Schlange direkt hinter ihn gestellt, erinnerte sich der Zeuge. Er habe dem Musiker erklärt, dass das Check-in-System nicht funktioniere, woraufhin dieser "Auch das noch" gesagt habe. Der Zeuge selbst habe nach einiger Zeit in einer nahen Sitzecke Platz genommen, um dort weiter zu warten.

Danach wurden zwei Stammgäste aus der Schlange vorgelassen, weil deren Karten bereits vorbereitet waren. Auch sie sagten an diesem Prozesstag aus, waren im entscheidenden Moment aber schon auf ihren Zimmern. Der Flugbetriebsingenieur berichtete weiter, dass Ofarim sich am Check-in-Schalter und beim Hotelmanager beschwert habe. Den Inhalt des Gesprächs habe er nicht genau verfolgen können. Kurze Zeit später sei der Hotelmanager noch einmal auf Ofarim zugegangen, der wild gestikulierend und sichtlich aufgebracht telefoniert habe. "Der war auf 180", so der Zeuge. Kurz darauf habe Ofarim das Hotel verlassen und dem Hotelmanager dabei noch so etwas wie "Scheißservice" oder "Scheißhotel" zugerufen.

Der Zeuge machte in seiner Aussage klar, dass er Ofarim nicht glaubt. Als er am nächsten Tag in den Nachrichten von den Antisemitismusvorwürfen gehört habe, habe er zu einem Kollegen gesagt: "Ich habe das anders wahrgenommen." Der Richter fragte ihn, ob der Musiker nicht theoretisch wegen einer antisemitischen Beleidigung auf 180 gewesen sein könnte. Der Zeuge antwortete, dass das vielleicht eine Möglichkeit sei, aber "meiner Wahrnehmung nach passte das nicht". Der Hotelmanager sei die ganze Zeit sehr defensiv gewesen.

"Ich bin alles, aber kein Antisemit"

Ofarims Verteidiger nahmen den Zeugen hart in die Mangel. Sie hielten ihm eine Frage vor, die er einem Anwalt gestellt hatte, der Zeugen für eine Untersuchung des Hotels befragt hatte. Der Flugbetriebsingenieur hatte den Anwalt um die juristische Einschätzung gebeten, ob das, was Ofarim in den Raum gestellt habe, nicht auch so etwas wie Volksverhetzung sei. "Also vom Gefühl ist es das Gleiche, wie wenn ich rausgehen und sagen würde: 'Alle Juden müssen vergast werden.'"

Das sei überspitzt formuliert gewesen, so der Zeuge. Der Vorfall habe ihn sehr bewegt, der Hotelmanager habe ihm leidgetan. Ofarims Anwalt Philipp Müller fragte den Zeugen mehrmals, ob er vielleicht etwas durch die Lobby gerufen habe. Damit spielte er auf die Aussage Ofarims an, dass ihn zunächst ein von ihm unerkannter Umstehender laut dazu aufgefordert habe, seinen Davidstern wegzupacken.

Der Zeuge verneinte die Frage entrüstet. "Das finde ich eigentlich ungeheuerlich, dass sie mich in eine Ecke drängen wollen, wegen einer Frage." Es gebe für ihn "nichts Schlimmeres als den Holocaust". Er sei alles, aber kein Antisemit.

Nachdem der Zeuge den Saal verlassen hatte, gab Verteidiger Müller eine kurze Erklärung ab. Die Aussage, die der Mann in seiner anwaltlichen Befragung getätigt habe, mache ihn betroffen. "Das sollte uns alle zum Nachdenken anregen." Der Richter erwiderte lediglich, dass er das zur Kenntnis nehme.

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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