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"Querdenken"-Gründer Michael Ballweg: Sagen Spender als Zeugen gegen ihn aus?


Umfangreiche Suche nach Zeugen
Ermittler nehmen sich jetzt Ballwegs Geldgeber vor

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 12.09.2022Lesedauer: 5 Min.
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Michael Ballweg (Archivbild): Seine Unterstützer sollen jetzt als Zeugen erklären, ob ihnen klar und recht war, wohin ihr Geld geht.Vergrößern des Bildes
Michael Ballweg (Archivbild): Seine Unterstützer sollen jetzt als Zeugen erklären, ob ihnen klar und recht war, wohin ihr Geld geht. (Quelle: Hettrich/imago images)

Staatsanwälte wollen Anhänger des "Querdenken"-Gründer massenhaft dazu bringen, gegen Michael Ballweg auszusagen. "Ungeheuerlich", finden seine Anwälte.

Ermittler in Stuttgart schreiben offenbar massenhaft frühere Unterstützer von "Querdenken"-Gründer Michael Ballweg an und fordern von ihnen Aussagen als Zeugen. Sie sollen erklären, wofür Ballweg das Geld verwendet hat und ob es in ihrem Sinn eingesetzt wurde. Ballweg wurde am 29. Juni festgenommen und sitzt seither wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs in Untersuchungshaft. Die Ermittler sind auf großer Suche nach Belastungszeugen, und die Verteidiger sind empört. Die Staatsanwaltschaft habe offenbar nichts in der Hand, sagen sie und fordern jetzt die Freilassung von Ballweg.

Der IT-Unternehmer hatte am 18. April 2020 in Stuttgart zur ersten angemeldeten Demo gegen die Corona-Politik eingeladen. Beim Auftakt waren nur zwei Dutzend Teilnehmer dabei. Daraus erwuchs jedoch eine Bewegung mit Großdemos und vielen Abspaltungen und Unterorganisationen – und zeitweise enormem Aufkommen an finanzieller Unterstützung, über die Ballweg bestimmte. Es geht um rund 1,3 Millionen Euro Einnahmen, von denen nur ein Teil zweckentsprechend verwendet worden sei.

Das steht so in Anhörungen, die die Polizei seit der vergangenen Woche an Personen verschickt, die Ballweg Geld als Schenkung überwiesen haben. Die Daten hat sie von Ballwegs Konto. Unklar ist, ob alle Geldgeber angeschrieben werden, es dürfte sich aber um Hunderte, wenn nicht Tausende Zeugenanhörungen handeln. Rund 9.000 Einzelspender – ohne Barspenden auf Demos – gab es.

Ballwegs Anwälte prüfen Strategie

Ziel ist offenbar, Zeugen zu finden, die den Vorwurf untermauern, dass Ballweg das eingenommene Geld nicht so eingesetzt hat, wie seine Geldgeber wünschten, sie sich also betrogen fühlen. Das ist der zentrale Vorwurf. Die Geldflüsse sind offenbar weitgehend nachvollzogen, jetzt kommt es zum Schwur: Lassen die Anhänger Ballweg durchgehen, wenn er Geld für sich abgezweigt haben sollte? Die Unterstützer müssen antworten.

Der Anwalt Alexander Christ, Sprecher von Ballwegs Verteidiger-Team, nennt das "ungeheuerlich". Es handele sich nach Einschätzung des Ballweg-Juristen um nicht statthafte Suggestivfragen. "Sie müssen dazu führen, dass hierdurch herbeigeführte Antworten nicht verwendet werden dürfen, wenn diese Ballweg belasten." Die Verteidiger haben nach seinen Angaben Haftbeschwerde eingereicht: Binnen drei Tagen muss das Amtsgericht entscheiden.

Auf die Zeugenanhörung hat Ralf Ludwig am Sonntag in seinem Kanal hingewiesen. Er ist der führende "Querdenken"-Rechtsanwalt und ein enger Vertrauter von Ballweg. In den Kommentaren postete ein Betroffener seine Anhörung. Als sie dort am Montagmittag gelöscht wurden, waren sie bereits in anderen Kanälen und anderen Netzwerken verbreitet.

Am Montag veröffentlichte ein Verein aus der "Querdenker"-Szene einen Aufruf, angeschriebene Geldgeber sollten sich bei dem Verein melden. Wer bei der Beantwortung der sechs Fragen Hilfe benötige, könne das in der E-Mail vermerken.

Das Anwaltsteam schrieb, es erwarte, "dass sich die nun erst befragten Zeugen deutlich in den Fragebogen äußern und sich die zweckungebundene Schenkungsabsicht der Zuwender bestätigt". Nach Darstellung von Christ melden sich bei Querdenken "wöchentlich Hunderte, die sagen, dass ihre Zuwendung für Michael Ballweg persönlich bestimmt war und er damit machen konnte, was er wollte."

Steht damit ein Versuch im Raum, die Anhänger zu falschen Aussagen zu bewegen? Auf Nachfrage erklärt die Staatsanwaltschaft Stuttgart nur, der Vorgang werde unter allen strafrechtlich relevanten Gesichtspunkten geprüft. Sie bestätigt die Echtheit der Zeugenanhörung, macht aber ansonsten wegen des laufenden Verfahrens keine weiteren Angaben.

2020 vom Schenkungskonto 430.000 Euro abgehoben

Die Vernehmungsbögen mit einer einleitenden Zusammenfassung der Erkenntnisse der Ermittler könnten manche aber in der Sicht auf Ballweg beeinflussen: Es stecken auch bisher nicht bekannte Details darin, die jetzt diskutiert werden.

  • Ballweg hob vom Konto für die "Querdenken"-Schenkungen zwischen 8. Juli 2020 und 3. September 2020 in vier Einzelabhebungen 430.000 Euro ab. Dabei sei nicht zu erkennen, dass auch in entsprechender Höhe Bargeld für Querdenken eingesetzt wurde.
  • Ballweg habe vom Schenkungskonto etliche Überweisungen in vielfach fünfstelliger Höhe auf private Konten, aufs Konto seiner Firma und aufs Konto seiner Familienstiftung getätigt, die "Herzensmenschen" heißt, aber mit Querdenken nichts zu tun hat. Ein fünfstelliger Betrag sei auch auf ein Bitcoin-Konto in Litauen gegangen.
  • Ballweg hat zwischen 8. März und 13. April 2022 Edelmetalle im Wert von 600.000 Euro verkauft und den Erlös auf ein Privatkonto transferiert.
  • Ballweg habe im Sommer nach Costa Rica umziehen wollen, dazu sein Haus verkauft.
  • Die Ermittlungen hätten nicht ergeben, dass Ballweg wie von ihm behauptet größere Summen aus seinem Privatvermögen in Querdenken gesteckt habe. Er hatte von einer gekündigten Lebensversicherung gesprochen.

Im Schreiben an die Zeugen heißt es auch, dass Ballweg erst am 17. Februar 2022 zum ersten Mal explizit um Schenkungen für sich selbst geworben hat. Zuvor wurde in Aufrufen erklärt, die Gelder seien ausschließlich für Zwecke von Querdenken 711 gedacht. Ballweg habe auch mehrfach erklärt, ausschließlich ehrenamtlich tätig gewesen zu sein.

Die Ballweg-Anwälte erklären in einer Mitteilung, es sei "unstatthaft", dass die Staatsanwaltschaft Details aus der Ermittlungsakte öffentlich mache, indem sie in den Schreiben an die Zeugen ausgeführt werden. Es würden deshalb Strafanzeigen wegen Geheimnisverrats geprüft.

In Kommentaren schreiben einzelne Geldgeber, sie hätten das Geld Ballweg natürlich für seinen enormen Einsatz zur freien Verwendung gegeben. Sie beklagen, Ballweg werde kriminalisiert. Viele weitere Akteure der Szene erhielten auch auf diese Weise größere Summen. Sie hatten aber auch meist keinen Zweifel daran gelassen, dass sie Schenkungen für sich erbitten.

In einzelnen Kommentaren zu den Zeugenbefragungen kommen aber auch kritische Stimmen: Wieso habe Ballweg erklärt, alles ehrenamtlich zu tun, wenn es jetzt anders aussehe? Man werde wahrheitsgemäß antworten. Es dürfte auch Unterstützer der ersten Stunde geben, die sich enttäuscht von der Bewegung abgewendet haben, die sich radikalisiert hatte.

Verteidiger argumentierten mit hohen Kosten

Ballwegs Anwalt Christ hatte im Juli gegenüber t-online bestritten, dass der Querdenken-Gründer sich nach Costa Rica absetzen wollte. Die Anwälte hatten bisher auch erklärt, die von Ballweg angegebenen Kosten seien so hoch gewesen, dass keine Mittel zur privaten Verwendung übrig sein könnten. Diese Kosten bestätigen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft so bisher nicht.

Ballweg hatte in einem von ihm vorgelegten "Transparenzbericht" für das Jahr 2020 behauptet, in dem Jahr Ausgaben von 1,044 Millionen Euro gehabt zu haben. Für 2021, als "Querdenken" deutlich weniger aktiv war, gab es keinen solchen Bericht. Christ kommt angesichts der groß angelegten Zeugenbefragung Monate nach der Festnahme zum Schluss, die Staatsanwaltschaft habe nichts Vorwerfbares gegen Ballweg in der Hand.

Anm. d. Red: Der Text wurde nach der ersten Veröffentlichung weitreichend ergänzt und aktualisiert, nachdem das Anwaltsteam eine Anfrage von t-online beantwortet und eine Pressemitteilung geschickt hat.

*An dieser Stelle hatten wir geschrieben, dass die Angabe wahrheitsgemäß sein muss. Falsche Aussagen gegenüber der Polizei sind jedoch nicht per se strafbar, wenn sie nicht mit anderen Straftat wie falscher Verdächtigung verbunden sind. Das ist ein Unterschied zu Aussagen vor einem Richter.

Verwendete Quellen
  • Telegram-Kanal Diskussion RA Ralf Ludwig
  • Anfrage an die Staatsanwaltschaft Stuttgart und an Rechtsanwalt Alexander Christ
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