Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Zwangsimpfung in Stuttgart: So geht es im Fall Inna Z. weiter
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Eine 85-jährige Ukrainerin soll in Stuttgart zwangsgeimpft werden – das Landgericht setzt das Urteil außer Vollzug und der Anwalt hofft auf Einigung. So geht es nun weiter.
Der Fall der vom Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt genehmigten Zwangsimpfung der 85-jährigen Ukrainerin und Holocaust-Überlebenden Inna Z. hat in der vergangenen Woche große Empörung ausgelöst. Nun äußern sich der Anwalt der Frau und das Landgericht Stuttgart zum aktuellen Stand und dem weiteren Verlauf des Verfahrens.
Nachdem der Hanauer Rechtsanwalt Holger Fischer als Verfahrensbevollmächtigter Beschwerde gegen das Urteil beim Landgericht Stuttgart eingelegt hatte, untersagte dieses den sofortigen Vollzug der Impfung per Eilantrag. Die zwangsweise Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung bleibe davon jedoch unberührt und könne weiter vollzogen werden, sagte ein Sprecher des Landgerichts t-online.
Darum geht es
Die 85-jährige Ukrainerin und Holocaust-Überlebende Inna Z. soll in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingeliefert und vorher zwangsweise geimpft werden. So hat das Betreuungsgericht des Amtsgerichts Stuttgart Bad-Cannstatt im Dezember geurteilt. Der entsprechende Beschluss war in der vergangenen Woche öffentlich geworden und hat vor allem unter "Querdenkern" und Impfskeptikern hohe Wellen geschlagen. Das ging sogar so weit, dass Aktivisten die Frau vor der Polizei versteckten.
Inna Z. leidet laut einem Gutachten unter schweren psychischen Problemen, die unter anderem ein gestörtes Sozialverhalten und Aggressivität umfassen. Ihre Berufsbetreuerin hat deshalb beim Betreuungsgericht eine Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrie beantragt. Gleichzeitig beantragte sie, dass die in Stuttgart wohnhafte Frau geimpft werden soll. Das Gericht stimmte den Anträgen zu.
Grund dafür, dass das Gericht die Zwangsimpfung vorerst untersagt hatte, ist, dass in der Kürze der Zeit keine Entscheidung getroffen werden könne, ob die Bewilligung zu Recht erfolgt sei. Das Verfahren kann Monate dauern, je nachdem ob der ganze Prozess möglicherweise neu aufgerollt werden muss – und eine neue Anhörung der Betroffenen sowie ein neues Gutachten nötig werden. "Von wenigen Wochen bis zu einigen Monaten ist alles denkbar", erklärte der Sprecher. Zudem könne eine Impfung ja nicht mehr aufgehoben werden, anders als etwa die zwangsweise Unterbringung.
Anwalt: "Richterin hat sich angreifbar gemacht"
Für den Anwalt Holger Fischer, der selbst erklärter Kritiker der Corona-Impfung ist, ist der Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt auf mehreren Ebenen nicht nachvollziehbar, sondern skandalös: "Einen Beschluss über eine Zwangsimpfung habe ich so noch gar nicht erlebt." Normalerweise seien Gerichte bemüht, allein das Wort schon tunlichst zu vermeiden. "Die Richterin hat sich dadurch angreifbar gemacht", glaubt Fischer. Zudem hätte sich das Gericht in dem Prozess nicht hinreichend mit dem aktuellen Stand der Forschung auseinandergesetzt. Die Unterlagen des Gutachtens lägen ihm allerdings noch nicht vor.
Fischer ist selbst als rechtlicher Betreuer tätig und kann allein schon deshalb nicht verstehen, wieso die Betreuerin von Inna Z. die Impfung unbedingt durchsetzen wollte – gegen den erklärten natürlichen Willen ihrer Klientin, den die Betreuerin eigentlich zwingend zu berücksichtigen habe. Das bestätigte auch der Bundesverband der Berufsbetreuer t-online.
Seine Spekulation: "Meiner Meinung nach ist das wohl dem Umstand geschuldet, dass geimpfte Patienten bevorzugt einen Platz in einem geschützten Pflegeheim erhalten." Das Krankenhaus Bad Cannstatt hatte in der vergangenen Woche auf Nachfrage von t-online jedoch ausdrücklich dementiert, dass eine Impfung Voraussetzung sei.
Anwalt hofft auf Entgegenkommen des Stuttgarter Gerichts
Der Rechtsanwalt hofft nun auch auf ein Entgegenkommen des Stuttgarter Landgerichts. Die Empörungswelle über den Beschluss habe gleichzeitig eine Welle an Hilfsbereitschaft ausgelöst, so Fischer: "Ich will dem Gericht vorschlagen, dass man die Hilfsangebote annimmt, und zeigen, dass es auch so funktioniert" – ohne Unterbringung in der Geschlossenen.
Eine Tendenz über den Ausgang des Verfahrens kann der Sprecher des Landgerichts indes nicht abgeben. Allerdings bezeichnet auch er die Impfung als sehr weitreichenden Eingriff, der genau geprüft werden müsse. Die Geschichte dürfte sich also noch eine Weile hinziehen.
- Telefonat mit Rechtsanwalt Holger Fischer
- Telefonat mit dem Sprecher des Landgerichts Stuttgart
- Weitere Recherchen auf Twitter
- Telefonat mit einer Vorständin des Bundesverbandes der Berufsbetreuer/innen
- Schriftliche Anfrage beim Krankenhaus Bad Cannstatt