"Erbe der Ausbeutung": Was bleibt von Katar-WM?

Der Emir von Katar lachte zufrieden, als er sich neben den FIFA-Boss Gianni Infantino auf die TribΓΌne setzte. Links und rechts von Tamim bin Hamad Al Thani sangen und tanzten mehr als 88.000 Fans im Finalstadion Lusail.
Mehr als die HΓ€lfte von ihnen trug ein Argentinien-Trikot. Das Endspiel fiel auch noch genau auf den Nationalfeiertag Katars. Die BoulevardstraΓe zum Stadion war prΓ€chtig geschmΓΌckt.
Es war genau das, was dem FuΓball-Weltverband und den WM-Organisatoren wichtig ist: Bilder. Und Geschichten wie der von Lionel Messi und seinem fΓΌnften Versuch, endlich Weltmeister zu werden. Sie sollen den Eindruck erwecken, dass dies eine normale WM wie alle anderen zuvor ist. Und diese Bilder haben es zumindest in der zweiten TurnierhΓ€lfte geschafft, dass die Kritik an den VerhΓ€ltnissen in Katar immer mehr ΓΌberlagert wurde.
Kritik von Menschenrechtsorganisationen
Auch deshalb erinnerten Menschenrechtsorganisationen am Finalwochenende noch einmal daran, dass dies eben keine normale WM war. Als Katar den Zuschlag dafΓΌr erhielt, mussten Stadien und Infrastruktur erst neu gebaut werden. Wie viele Gastarbeiter dabei starben, weiΓ niemand genau. Es ist die UrsΓΌnde dieses Turniers.
Ein "Erbe der Ausbeutung und Schande" befΓΌrchtet Rothna Begum von Human Rights Watch deshalb. Markus N. Beeko, GeneralsekretΓ€r von Amnesty International in Deutschland, sagte: Die auslΓ€ndischen Arbeiter seien die groΓen Verlierer des Finales.
Vor allem seine Organisation hatte von der FIFA gefordert, mit einem Teil der WM-Einnahmen einen EntschΓ€digungsfonds fΓΌr Gastarbeiter zu finanzieren. Dass der Weltverband dies ablehnte, nannte Beeko "beschΓ€mend".
Die Einordnungen des Emirats und der FIFA klingen ganz anders. "Was wir tun kΓΆnnten, um die Gesetzgebung zu Γ€ndern, um die Gesundheit und Situation der Arbeiter zu schΓΌtzen, das haben wir getan", sagte Infantino. Es gehe darum, die WM und die dadurch gewonnene Aufmerksamkeit zu nutzen, "um das Leben von Menschen zum Positiven zu verΓ€ndern". So soll die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ein dauerhaftes BΓΌro in Doha beziehen.
So wie Infantino sehen und vertreten das viele Menschen. Noch im November wΓΌrdigte die VizeprΓ€sidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, in einer Rede die vermeintlichen Fortschritte Katars. Die FuΓball-Legende David Beckham sagte am Sonntag: "Das Zusammenkommen der Fans und das Niveau des FuΓballs hier zu sehen - das war gewaltig!"
VizeprΓ€sidentin des EU-Parlaments abgesetzt
Die Sache ist nur: Kaili wurde mittlerweile abgesetzt, weil sie unter dem Verdacht steht, von Katar korrumpiert worden zu sein. Und Beckham kassiert fΓΌr seine Rolle als WM-Botschafter Katars einen dreistelligen Millionenbetrag. Und so bleibt von dieser WM auch der Eindruck, mit Geld alles kaufen zu kΓΆnnen: neue Stadien, bezahlte Fans, lobende Stimmen.
Mehr als 200 Milliarden Dollar betrΓ€gt nach Medienberichten das Investitionsvolumen des Emirats fΓΌr diese WM. 2006 in Deutschland waren es nach offiziellen Angaben "nur" 4,3 Milliarden.
Und was bleibt? Die Arbeitsgruppe der EuropΓ€ischen FuΓball-Union, die sich in der Debatte um die "One Love"-KapitΓ€nsbinde mit der FIFA angelegt und verloren hatte, wird im kommenden Jahr eine Art Inspektionsreise unternehmen. Was hat sich in Katar wirklich verΓ€ndert? In den vor Ort praktisch nicht mehr gebrauchten Prachtstadien werden aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren einige Top-Nationen zu Testspielen vorbeischauen.
Keine laute Kritik aus Politik und Wirtschaft
Von Politik und Wirtschaft erwarten Fachleute wie der Golfstaaten-Experte Nicolas Fromm von der Helmut-Schmidt-UniversitΓ€t in Hamburg keine laute Kritik mehr. Deutschland und Katar haben sich erst wΓ€hrend der WM auf einen langfristigen Liefervertrag ΓΌber FlΓΌssiggas geeinigt.
Auch deshalb Γ€rgerte sich der frΓΌhere Nationaltorwart und heutige Vorstandschef des FC Bayern MΓΌnchen, Oliver Kahn, darΓΌber, dass von FuΓballern in Katar Dinge erwartet wurden, die von Ministern und Wirtschaftsvertretern auch nur selten zu hΓΆren sind. "Die Politisierung, die im FuΓball stattfindet, wird immer extremer und grΓΆΓer. Damit ΓΌberfordert man die Spieler und ich finde, man ΓΌberfordert auch den FuΓball langsam", sagte Kahn im Podcast bei OMR.com.
Der deutsche Rekordmeister ist selbst durch das Sponsoring der staatlichen Fluglinie eng mit dem Emirat verbunden. Eine VerlΓ€ngerung des auslaufenden Vertrages ist noch nicht beschlossen, trotz massiver Fankritik aber weiterhin mΓΆglich. "Der FuΓball kann ein Mosaikstein sein, wenn er ein Zeichen setzt, aber der FuΓball kann nicht Aufgaben ΓΌbernehmen und nicht die Rolle ΓΌbernehmen, die eigentlich andere ΓΌbernehmen mΓΌssten", sagte Kahn. DafΓΌr sei die Politik verantwortlich.
- Nachrichtenagentur dpa