Ulla Meinecke: Die Grand Dame des poetischen Deutschpop wird 70

Vor knapp 50 Jahren startete Ulla Meinecke ihre einzigartige Karriere. Auch heute ist die Wahl-Berlinerin noch live mit ihrer Musik unterwegs.

Als der Kalte Krieg allgegenwärtig war und unangepasstes deutsches Musikgut aus den Häusern Lindenberg, Reiser, Hagen und Müller-Westernhagen für Furore sorgte, stand auch der Name Ulla Meinecke hoch im Kurs. Mit Erfolgsalben wie "Überdosis Großstadt" und "Nächtelang", sowie unzähligen mitreißenden Konzerten erspielte sich die Wahl-Berlinerin in den Achtzigern eine große und treue Anhängerschaft. Heute feierte die einstige Büro-Leiterin von Panik-Pabst Udo Lindenberg ihren 70. Geburtstag.

Wenn Ulla Meinecke heute zurückblickt, dann erinnert sich die Sängerin an eine bewegte Jugend, eine wilde Zeit in der Frankfurter Hausbesetzer-Szene und das ständige Verlangen nach Musik mit Ecken und Kanten: "Als wir nach Frankfurt zogen, konnte ich plötzlich den amerikanischen Soldatensender AFN empfangen – und als ich diese Musik hörte, wusste ich: Da draußen sind noch mehr von diesen zotteligen, struppigen, schrägen Hunden wie mir. Da ist eine Welt und da will ich hin", verriet Ulla Meinecke im Frühjahr 2022 in einem Interview mit der "Apotheken Umschau".

"In Berlin brodelt es!"

Von Frankfurt aus ging es nach Hamburg, wo Meinecke Ende der Siebziger das Musik-Büro von Udo Lindenberg leitete. 1979 zog es sie dann in die Hauptstadt: "In Berlin brodelte es! Anette Humpe fing gerade mit Ideal an, und die Spliffer hießen noch Nina Hagen Band und wüteten da rum. Auch Nena tauchte damals da auf einmal auf. Es war ein Wahnsinn, und ich wusste: Da musst du hin! Das ist der Ort!"

In Berlin reifte Ulla Meinecke zur meinungsstarken Künstlerin. Erfolgreiche Alben wie "Wenn schon nicht für immer, dann wenigstens für ewig" und "Der Stolz italienischer Frauen" sorgten in den Achtzigern für volle Hallen und viel Aufmerksamkeit. Ulla Meinecke war aber mehr als "nur" eine weitere Sängerin, die sich ähnliche wie Annette Humpe oder Nina Hagen nie davor scheute, ihre Meinung lautstark kund zu tun. Neben der Musik begeisterte sich die gebürtige Hessin auch für Literatur. So setzte sie im Jahr 2003 ihr Lieblingsbuch, den Jugendbuchklassiker "Die Abenteuer von Tom Sawyer" als Hörbuch um. Nur zwei Jahre später folgte ihr erstes eigenes Buch mit dem Titel "Ulla Meinecke – Im Augenblick / Das Buch".

Spontan, neugierig, mutig

Es folgten Lesetourneen durch ganz Deutschland, ein zweites Buch ("Willkommen in Teufels Küche: Vom Glanz und Elend der Chaotiker") und verschiedene Theater-Engagements (Hamburger Kammerspiele, Renaissance Theater Berlin). Ulla Meinecke war stets auf dem Sprung. Spontan, neugierig und mutig: Wenn das Leben mit einer neuen Tür um die Ecke kam, dann spazierte Ulla Meinecke gerne als erste durch.

Auch heute, 50 Jahre nach ihren ersten Schritten im Showgeschäft, ist die Grand Dame der poetischen Deutschpop-Musik noch fleißig und viel unterwegs. Erst im vergangene März begeisterte sie ihre Hamburger Fans auf der Bühne des "Centralkomitee". Mit viel Liebe zum Detail und gewohnt klarer Kante präsentierte Ulla Meinecke ein musikalisches Potpourri aus fünf Dekaden.

"Mir geht's psychisch nicht gut"

Vier Monate später sorgt die Sängerin für ganz andere Schlagzeilen. Seit über vier Jahrzehnten wohnt Ulla Meinecke in einem Mietshaus am Rande des Berliner Viktoriaparks. Nie gab es Probleme – bis ein Investor direkt über ihr die im Krieg zerstörte Dachetage kaufte, um dort schicke Penthouse-Wohnungen einzurichten. Seitdem herrscht dicke Luft und Frust.

Decken und Wände sind durchnässt, viele Wohnungen ruiniert. Ulla Meinecke ist genervt. Eine provisorische Ersatzunterkunft musste her: "Mir geht's psychisch nicht gut. Was in meiner Wohnung noch drin ist, muss ich entrümpeln lassen. Es ist alles voller Schimmelsporen", erklärte sie der "Berliner Zeitung". Im Leben von Ulla Meinecke ist irgendwie immer was los. Heute feiert die einstige Sekretärin von Udo Lindenberg ihren 70. Geburtstag. Wir hoffen, sie sitzt dabei im Trockenen.