Motorboote unter Strom
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Peter Heistracher baut exklusive Boote - in einem Familienbetrieb, der schon seit 1957 den Schiffsverkehr elektrisiert. Aus den Bleibatterien von einst sind lΓ€ngst Lithium-Ionen-Akkus geworden. Ein Werftbesuch auf der Insel Frauenchiemsee. Bilder der Boote gibt's in unserer Foto-Show.
Der Schiffsdiesel hustet. Das zΓ€he SchΓΌtteln eines betagten Arbeitstiers. Kurz nur, dann findet der Motor zurΓΌck in den Takt, knattert von Gstadt hinΓΌber zur Fraueninsel, wie Frauenchiemsee von den Einheimischen nur genannt wird. Der KapitΓ€n der kleinen Arbeitsjolle ist ein Einheimischer: Peter Heistracher, Betreiber einer Bootswerft mit Firmengeschichte seit 1890.
Boote mit Hightech
Bald ankert der alte Kahn am Nordufer der Insel und der KapitΓ€n zeigt ein aktuelles Projekt. Eine Motorjacht mit dem Charisma der Sechzigerjahre, mahagoniverkleidet, elektrisch angetrieben und kohlefaserleicht. 250.000 Euro ist dem Besitzer eines SeegrundstΓΌcks am Starnberger See dieses Achteinhalbmeterboot wert. 100.000 kostet alleine der Antriebsstrang mit den koreanischen Lithium-Ionen-Akkus. Peter Heistracher wird die Jacht in ein paar Wochen ausliefern - und weiterhin mit seiner betagten Arbeitsjolle ΓΌber den Chiemsee knattern. >>
DrauΓen an der Wand hΓ€ngen zwei Chiemsee-PlΓ€tten. Verwitterte Holzmodelle, gut 30 Zentimeter lang. In den FΓΌnfzigerjahren, als immer mehr Touristen auf die Fraueninsel kamen und immer weniger Fischer mit diesem traditionellen Arbeitskahn in See stachen, haben Vater und GroΓvater diese Modelle gebaut. Als Touristensouvenir, wenn in der Werft mal keine Boote gebaut wurden.
Und wenn Boote gebaut wurden? Dann bauten sie robuste Rettungsjollen fΓΌr die bayerischen Voralpenseen, Rennboote mit amerikanischen V8-Motoren, holzverkleidete Segeljachten und elektrische Motorboote seit 1957.
Schiffsdiesel wurde verboten
In diesem Jahr wurde auf den oberbayerischen Voralpenseen das vergnΓΌgliche Umherjagen mit dem Schiffsdiesel verboten. >>
Nur die Fischer und Bewohner der Fraueninsel dΓΌrfen seitdem noch im Viertaktrhythmus ΓΌber den Chiemsee knattern. Auch die typischen Boote der Fraueninselbewohner, mit denen diese jeden Morgen zu den PendlerparkplΓ€tzen am Seeufer schippern, stammen aus Heistrachers Werft. Pragmatische Schiffchen mit Aluminiumrumpf und einer kleinen Kohlefaserkabine. LΓ€ngst zu klein geworden ist indes die Bootswerft mit den beiden Schuppen; Furnierplatten und KohlefaserblΓΆcke stapeln sich zwischen den halbfertigen Booten. Γber allem der Geruch von frischem Lack, ein sattes Royalblau, das seit dem Morgen ein kleineres Elektroboot kleidet.
Familienwerft besitzt eigenen Stil unter den Bootsbauern
Ob dessen eleganter KΓΆrper nicht sehr an die legendΓ€ren Riva-Boote erinnert? Aber Peter Heistracher hat seine eigene Tradition, zitiert die Motorjachten der Familienwerft - nur dass diese in den Sechzigerjahren ihre Kraft noch aus schweren Bleibatterien zogen, wie sie noch, buchstΓ€blich bleiern, in einer Ecke der Werft lagern. Er kΓΆnne das ZΓΆgern und Hadern der Automobilindustrie nicht nachvollziehen, sagt Heistracher, der Elektropionier.
Und redet doch von dem GlΓΌck, dass die Ausfahrt mit der Motorjacht ein SchΓΆnwetter-
vergnΓΌgen ist: "Die groΓen Boote leisten vielleicht 50 Kilowatt, das reicht fΓΌr 40 km/h und genΓΌgend Stunden auf dem See. Allerdings weiΓ ich auch, wie sehr die Leistungsdauer der Akkus bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in die Knie geht."
Know-how und Ideen holt man sich aus Asien
Dennoch: Da baut ein FΓΌnf-Mann-Betrieb auf einer kleinen Insel wie selbstverstΓ€ndlich Boote mit leistungsstarken Lithium-Ionen-Akkus, ΓΌber die ein befreundeter Elektrotechniker - den Heistracher inzwischen halbtags angestellt hat - stetig in Asien recherchiert. >>
So viel Hightech hinter vom Seewind verwaschenen Holzschuppenfassaden: Peter Heistracher, Jeans, Sweatshirt und ein wetterfester Anorak, der so alt sein dΓΌrfte wie die knatternde Arbeitsjolle, ist gut fΓΌr Γberraschungen.
Fertigung einer Jacht benΓΆtigt bis zu 800 Arbeitsstunden
Und fΓΌr Kunden, denen es tatsΓ€chlich um Boote geht. "Heute, wo lΓ€ngst jeder Kia-HΓ€ndler einen polierten Schauraum braucht, wundern sich manche schon, dass in meiner Werft kein Ledersofa steht." Den anderen baut Heistracher Elektroboote fΓΌr kleine Ewigkeiten. So wie auch die Motorjachten seines Vaters noch immer in See und Seen stechen.
Kunden, die verstehen, warum in einer Heistracher-Jacht bis zu 800 Arbeitsstunden stecken. Und die schΓ€tzen, dass der Bootsbauer von der Fraueninsel Unikate baut. Von Automobilbauern, auch von den luxuriΓΆsesten, kann man das - Elektroantrieb hin oder her - lΓ€ngst nicht mehr erwarten.
Sehen Sie Boote von Peter Heistracher in unserer Foto-Show.