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Benetzte Freiheit | Sebastian Linda: Mio Iran


Benetzte Freiheit
Sebastian Linda: Mio Iran

Peter Glaser

24.11.2018Lesedauer: 2 Min.
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Quelle: Hersteller, Sebastian Linda

Auf die Frage, wie Poesie im 21. Jahrhundert aussieht, gibt es viele Antworten. Keine Feuerschlucker abends in der Fußgängerzone. „Was man erklären kann, ist keine Poesie“, schrieb der Dichter William Butler Yeats. Aber spätestens heute im Internet-Zeitalter haben nicht mehr nur die Dichter das Recht, zu erklären, was keine Poesie ist. Mit „Mio Iran“, dem Film von Sebastian Linda, haben wir immerhin schon eine Antwort: Poesie ist, Dinge zu tun, die man sonst nur im Traum schafft, etwa Widersprüche mit Leichtigkeit in einer Schwebe zu halten.

„Komm mit uns, wir zeigen dir die Welt, wie wir sie sehen“: Ein Erzähler listet auf, wovor ihn andere vor der Reise in das Land gewarnt hatten und erzählt – in Bildern aus Lichtern und Gesichtern – seine, eine andere Geschichte: Welcome to Iran! Große Bilder, enge Gassen, weite Landschaften, auf den ersten Blick fast zu pathetisch. Aber dann katapultieren einen Effektübergänge zwischen den Szenen manchmal wie übermütige Saltos in die nächste Einstellung, begleitet von Cartoon Noise –einem Geräusch, als würde ein unsichtbarer Superheld mit 'rüberzischen. Das erdet die schönen Bilder. Vom Netz befruchtet, neigen Dinge schnell mal dazu, übermäßig zu werden; das gilt auch für den Soundtrack.

Es ist dann eben doch keine Reiseprospektästhetik. Die Bilder sind auch nicht einfach nur gefilmt, sondern sie bewegen sich mit Netzgeschwindigkeit. Keine Zehntelsekunde an Aufmerksamkeit zu verschenken. Die Übergänge, die da kurz abzischen, sind dezente Hinweise von jemandem, der mit morphenden Musikvideos, Stargates und den Bewegungsabläufen in Games sozialisiert wurde und das YouTube-Universum in seinen Feinheiten kennt.

Die eigentliche Poesie von Mio Iran entfaltet sich aus einer rätselhaften Gegensätzlichkeit zwischen Öffentlichem und Höchstpersönlichem, fremdartig schönen Momenten aus Architektur, Alltag, Menschen und einer tagebuchhaften Intimität, Schwangerschaft, Geburt. Der Film ist dem Sohn gewidmet, der ein stiller ungeborener Begleiter der Reise war. Und gleichzeitig seine eigene Reise ins Leben antrat. Wie jeder in Freiheit geboren, wird ihm auch später immer wieder nach dieser Freiheit verlangen.

Der Begriff des Privaten schillert und changiert, das Video zeigt es an ungewöhnlichen Orten. Das Internet sorgt dafür, dass immer mehr vormals Privates nun öffentlich wird. Die Wände verschwinden, obwohl die engen Gassen bleiben. Es scheint nur noch so, als ob es Wände gäbe. In Wahrheit sonnt sich eine Gesellschaft im Wandel in einer zunehmenden Lust an der Geheimnislosigkeit.

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