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Festsitzende Plastikdeckel: Verbraucherschützer kritisiert EU


Der Ärger mit den neuen Deckeln
"Seltsam montierte Käppchen"


Aktualisiert am 15.02.2024Lesedauer: 3 Min.
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Plastikflaschen mit festhängenden Kappen: Ab dem 3. Juli 2024 müssen alle Einwegplastikflaschen in der EU solch einen Deckel haben. (Quelle: IMAGO/Zoonar.com/Klaus Ohlenschläger/imago-images-bilder)

Eine sinnlose EU-Regelung oder eine Entlastung für die geschundene Umwelt? t-online hat Experten zu den neuen festsitzenden Plastikdeckeln befragt.

Der Schraubdeckel geht nicht ab, da hilft kein Ziehen und kein Reißen. Viele haben sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass Deckel an Plastikflaschen und Tetrapaks mittlerweile festhängen. Das kann beim Trinken und Ausgießen stören, und es ist auch manchmal eine Fummelei, wenn die Flasche wieder verschlossen werden soll.

Die Maßnahme, die per EU-Richtlinie ab 3. Juli 2024 für Einwegflaschen verpflichtend und von vielen Herstellern schon eingeführt worden ist, mag Verbraucher im Alltag ärgern. Sie erinnert an die Umstellung der Getränkedosen von abreißbaren Laschen auf feste Verschlüsse Anfang der 1990er-Jahre. Sie löste damals extreme Diskussionen aus – heute redet keiner mehr darüber.

Was für die Dosen galt, soll nun auch bei Einwegplastikflaschen und Tetrapaks greifen: Weniger kleinteiliger Müll, der achtlos weggeworfen und nicht recycelt wird und die Umwelt belastet.

700 Müllteile auf 100 Meter Nordseestrand

Ein Beispiel: Bei Untersuchungen an der Nordsee fand der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) im Schnitt mehr als 700 Müllteile auf 100 Metern Küstenlinie – 560 davon aus Plastik. "Darunter Deckel, Korken und Verschlüsse aller Art", erklärt die Nabu-Meeresschutzreferentin Michelle Breitbach t-online. Sie hätten eigentlich mit der Flasche im Pfandautomaten oder im Recyclingcontainer landen müssen. Stattdessen vermüllen sie aber unsere Küsten – und bilden eine tödliche Gefahr für Fische und Seevögel.

Circa 20.000 Tonnen Plastikmüll landen nach Angaben des Nabu jedes Jahr in der Nordsee, davon haben sich Schätzungen zufolge bereits 600.000 Kubikmeter am Grund abgelagert. Weltweit gelangen jedes Jahr bis zu 13 Millionen Tonnen Plastikabfall in die Meere, das ist eine Lkw-Ladung pro Minute, rechnet Breitbach vor. Sie hält die Deckel- und Kleinplastikregelung der EU deshalb "für absolut sinnvoll. Es ist wichtig, eine größtmögliche Menge an recyclebarem Plastik im Kreislauf zu erhalten." (Hier werden die neuen Einwegrichtlinien kurz erklärt.)

Eissturmvogel: Er gehört zur Familie der Sturmvögel.
Eissturmvogel: Er gehört zur Familie der Sturmvögel. (Quelle: IMAGO/imageBROKER/alimdi / Arterra / Sven-Erik Arndt/imago-images-bilder)

Die Qualen des Eissturmvogels

Der an deutschen Küsten heimische Eissturmvogel gilt als Indikator für die Belastung der Meere mit Plastikabfall. Er stirbt überdurchschnittlich häufig an den Folgen des Verschluckens von Kunststoffmüll, den er mit Nahrung verwechselt. In 95 Prozent der untersuchten verendeten Tiere wurden im Magen-Darmtrakt Plastikteile gefunden, berichtet der Nabu.

Aber nicht nur Strände und Meere verdrecken, auch Wälder, Straßen und Parks. Noch haben die Straßenreinigungsfirmen in Deutschland keine belastbaren Zahlen zur Wirksamkeit der Deckel-Verordnung ermittelt. "Grundsätzlich ist aber natürlich jede Maßnahme oder gesetzliche Regelung zu begrüßen, die geeignet ist, den Verpackungsabfall auf den Straßen zu reduzieren", sagt Stefan Röttele von der FES Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH.

 
 
 
 
 
 
 

Verbraucherschützer: "Gut gemeint, aber nicht gut"

Das Problem mit dem Straßenabfall sieht auch Tristan Jorde, der bei der Hamburger Verbraucherzentrale den Fachbereich Umwelt und Produktsicherheit leitet. Er hält die EU-Regelung aber für keine Lösung, wenn es um das große Müllproblem geht.

"Ich erkenne die gute Absicht der EU an, halte es aber für eine nicht wichtige Maßnahme. Gut gemeint, aber eben nicht gut", sagt Jorde im Gespräch mit t-online. "Klar, die kleinen Plastikkappen fliegen zum Beispiel bei Wind weg und landen im Straßenkehricht. Das Ausmaß ist im Vergleich zu unserem riesigen Müllproblem durch Baustoffe, die Textilherstellung, die Reifen- oder Möbelindustrie aber wirklich klein."

Lieber Mehrweg statt "seltsamer Käppchen"

Und was wäre eine angemessene Maßnahme, um unsere Umwelt zu entlasten? "Viel wichtiger als die Plastikkappen-Regelung wäre es, das Mehrwegsystem wieder auszubauen", fordert Jorde. Früher waren wir in Deutschland schon mal so weit, dass 80 bis 90 Prozent der Wasser- und Bierflaschen Mehrwegflaschen waren. Bei diesem System werden Flaschen innerhalb eines regionalen Kreislaufes unzählige Male für die Wiederbefüllung aufbereitet.

Wie werden Einwegflaschen und deren Plastikkappen recyelt?

Im Gegensatz zu Mehrwegflaschen aus Glas bestehen Einwegflaschen aus Polyethylenterephthalat (PET). Ihre Deckel werden aber aus einem anderen Kunststoff hergestellt, aus Polypropylen. Der Recyclingprozess läuft so ab: Man gibt die Flasche samt Kappe bei einer Pfandrückgabestelle ab. Hier werden die Flaschen zusammengepresst, dann schreddert der Entsorger die gepresste Flasche gemeinsam mit dem Deckel. Im Schwimm-Sink-Verfahren werden daraufhin die beiden Kunststoffe voneinander getrennt. PET sinkt nach unten, während Polypropylen oben schwimmt. So können die Fetzen separat weiterverarbeitet und zu neuen Kunststoffprodukten werden.

Zurzeit seien in Deutschland in diesen Getränkebereichen gerade einmal 40 Prozent der Flaschen im Mehrweg. Jorde: "Das ist ein dramatischer Einbruch. Ein Mehrweggebot würde in Zehnerpotenzen mehr Umweltentlastungen bringen als diese seltsam montierten Käppchen."

Verwendete Quellen
  • telefonisches Gespräch mit Tristan Jorde, Verbraucherzentrale Hamburg, Fachbereich Umwelt und Produktsicherheit
  • telefonisches Gespräch mit Michelle Breitbach, Referentin für Meeresschutz beim NABU
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