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Wie viel Pornokonsum ist übertrieben?


Kolumne "Lust, Laster und Liebe"
Wie viel Porno verträgt das Hirn?

  • Jennifer Buchholz
MeinungEine Kolumne von Jennifer Buchholz

29.08.2018Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Frau mit Maske: Für viele sind Pornofilme der ideale Lustbringer.Vergrößern des Bildes
Frau mit Maske: Für viele sind Pornofilme der ideale Lustbringer. (Quelle: stock_colors/getty-images-bilder)

Wissenschaftler warnen: Wer zu viele Pornos guckt, stumpft ab und wird süchtig. Die übertreiben doch! Oder ist doch etwas Wahres dran?

Mal eben ein Sexfilmchen ins Vorspiel einbauen oder einen Porno einschalten, um sich Stimulation für den eigenen Solosex zu holen – das hat wahrscheinlich jeder schon einmal von uns gemacht. Alles halb so wild? Nein, denn Wissenschaftler haben unsere Pornokonsum einmal unter die Lupe genommen und sagen: Nicht immer ist Pornogucken gesund.

Was Wissenschaftler uns glauben machen wollen

Okay, so schädlich wie Nikotin und Alkohol für die Gesundheit sind Pornos zum Glück nicht. Aber sie sind auch nicht gerade ungefährlich für die uns und unser Umfeld, wie Studien zeigen:

1. Pornos stumpfen ab

Das zumindest will eine Studie der beiden Forscher Dr. Simone Kühn und Dr. Jürgen Gallinat zeigen. Sie untersuchten das Gehirn von mehreren Männern und stellten fest, dass bei den pornoaffinen Teilnehmern eine Region des Vorderhirns deutlich kleiner ist als bei den pornoabstinenten von ihnen. Auch fanden sich dort weniger aktive Hirnzellen. Und dieser Teil des Hirns, der weniger ausgeprägt ist, ist nicht gerade unwichtig: Er wird Nucleus caudatus genannt und bildet zusammen mit den Nervenzellen und Putamen (Region des Großhirns) das Striatum. Und dies wiederum zählt zu einem Teil des Belohungssystems. Laut Kühn "leiert" der regelmäßige Konsum von Pornografie das Belohnungssystem "gewissermaßen aus" und macht es träge. Je mehr Pornos wir konsumieren, desto schwieriger ist es also, unser Belohnungszentrum zu aktivieren.

Aber: Die beiden Forscher merkten selbst an, dass sie sich nicht ganz sicher sind, ob die Pornoaffinität dadurch ausgelöst wird, da das Striatum bereits klein ist. Also, wenn der Pornokonsument von vornherein schon weniger anfällig für Belohnungen war und deswegen auch ungezwungener zu Pornos als Anreiz greift als Nicht- oder Wenigkonsumenten. Hier wollen Sie noch weiter forschen.

2. Pornos machen süchtig

Im Jahr werden über 90 Milliarden Videos mit pornografischem Inhalt angeschaut. Da stellt sich doch die Frage: Ist so viel Pornokonsum überhaupt gesund? Wissenschaftler der Universität Laval in Kanada haben das untersucht und wenig Überraschendes festgestellt: Natürlich ist übertriebener Pornokonsum nicht gut für uns. Er kann schnell in eine Sucht ausarten und sich sogar negativ auf die Gesundheit auswirken. Denn die pornosüchtigen Teilnehmer gaben in der Studie an, stark darunter zu leiden, wenn sie ihrer Sucht nicht nachgehen können. Pornos sind schließlich eine einfache und bequeme Methode, sich zu belohnen. Der Pornokonsument weiß, wenn er den Film schaut, bekommt er einen Orgasmus oder kurz gesagt "Ein Klick führt zu einer Belohnung". Die Mühe ist klein, der Effekt groß.

Bei Sex im echten Leben ist das anders. Hier kommt ja erst einmal das Vorspiel, wo sich beide gegenseitig stimulieren. Dann der "anstrengende" Akt an sich und dann die Mühe, dass es auch beiden Spaß machen sollte. Am Ende weiß man ja nicht einmal, ob man selbst zum Höhepunkt kommt oder nicht. Legt man selbst Hand an, weiß man zumindest, wie das endet. Kein Wunder, dass die bequeme und erfolgreiche Variante "Ein Klick, eine Belohnung" süchtig macht.

Uff... Harte Kost! Kurz durchatmen und zum nächsten Punkt, der sich aus den beiden genannten Warnungen ergibt:

3. Pornos verzerren unser Bild von Sex

Es stimmt leider: Viele Pornos vermitteln uns ein vollkommen falsches Bild von Sex. Die Sexualpädagogen von profamilia schlugen schon mehrfach Alarm: "Pornobilder aus dem Internet verunsichern unsere Jugendlichen." Die Erotikfilme haben jedoch auch noch einen anderen Effekt: Sie können zur Aufklärung und Bildung beitragen. Viele Experten, darunter auch die amerikanische Sozialprofessorin Gail Dines, sind der Meinung, dass Pornos zu den wichtigsten Bildungsmitteln der Welt zählen. Laut Statista sieht das die Hälfte der Jungs ab 14 Jahren auch so. Schließlich sind für sie Sexfilme das, was für die Hälfte der Mädchen Beratungsseiten und -foren im Internet sind: Aufklärungsunterricht 2.0. Der Vorteil von YouPorn, Pornhub und Co. ist dabei, dass die Konsumenten nicht nur sehen, wie alles theoretisch aussieht, sondern auch, wie es angeblich funktioniert und Sex ablaufen soll. Der Nachteil ist aber auch, dass hierdurch realitätsferne Sexpraktiken und falsche Schönheitsideale vermittelt werden. Es soll sogar schon Fälle gegeben haben, wo 17-Jährige beim ersten Mal auf das Gesicht ihrer ebenso alten Freundin ejakuliert haben: "In Pornos machen die das doch auch immer so!"

Trail-and-Error ist besser als Sex nach Anleitung

Nun gut, Pornos stumpfen sicherlich ab. Je mehr von ihnen konsumiert werden, desto ansprechendere Bilder braucht das Hirn für entsprechende sexuelle Reize. Das ist wie bei Koffein, Alkohol und Nikotin: Nach einiger Zeit brauchen viele eine höhere Dosis für den "Kick".

Auch tötet ein zu hoher Pornokonsum womöglich die Fantasie. Denn diejenigen, die wenig Pornos gucken, beim Liebesspiel einfach loslegen und alles erst einmal ausprobieren, anstatt Angst vor Fehlern oder Defekten zu haben, kommen vielleicht langsamer voran, bleiben dafür aber neugierig und fantasievoll.

Aber: Ab und zu einen Porno zur Anregung und aus Lust konsumieren, ist trotzdem gut. Denn auch bei neuen Elektrogeräten schauen Sie doch schließlich auch manchmal nach, wofür diese oder jene Einstellung nützlich ist.

Jennifer Buchholz, Redakteurin bei t-online.de, schreibt in ihrer Kolumne "Lust, Laster, Liebe" über Liebe, Partnerschaft und Sex.

Verwendete Quellen
  • Profiles of Cyberpornography Use and Sexual Well-Being in Adults – Studie
  • Pornography Consumption and Relationship – Studie
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