Wie wird mein Kind ein guter Mensch?
Manche Eltern fΓΌrchten, dass sie bei der Erziehung versagen. Wie funktioniert es, die richtigen Werte zu vermitteln und welche sind besonders wichtig?
In unserer Gesellschaft ist eine Vielzahl von Werten gefragt. Teilweise solche, die miteinander konkurrieren. So werden im Berufsleben hΓ€ufig ganz andere Werte verlangt als in der Familie.
Macht es insofern ΓΌberhaupt Sinn, Kindern bestimmte Ideale menschlichen Verhaltens zu vermitteln? Auf jeden Fall! Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Kinder, in deren Familie bestimmte Werte gelten, glΓΌcklicher sind. Sie erleben mehr Herzlichkeit in ihrem Leben, sind bei Problemen und Misserfolgen belastbarer und haben meistens auch eine optimistischere Haltung.
Zehn wichtige Werte fΓΌr Kinder
Wayne Dosick, Religionswissenschaftler, Psychologe und Autor des Buches "Kinder brauchen Werte. 10 Lebensregeln, die Kindern Halt und Orientierung geben", hat eine Liste an Werten erstellt, die Eltern ihren Kindern unbedingt mitgeben sollten:
- Respekt
- Wahrhaftigkeit
- Fairness
- Verantwortungsbewusstsein
- MitgefΓΌhl
- Dankbarkeit
- Freundschaft
- Friedfertigkeit
- Streben nach persΓΆnlicher Reife
- die FΓ€higkeit, an etwas zu glauben
FΓΌr Dosick sind das zeitlose Werte, die das Leben der Kinder genauso wie den Umgang der Menschen miteinander erleichtern werden. Einige dieser Werte finden sich auch in den Vorstellungen der Kinder selbst wieder, zeigen Studien.
Beim Geolino-Unicef-Kinderwertemonitor etwa nennen die befragten Kinder regelmΓ€Γig besonders hΓ€ufig Familie und Freunde. Aber auch Vertrauen, ZuverlΓ€ssigkeit, Geborgenheit und Ehrlichkeit stehen bei ihnen hoch im Kurs.
Kleinkinder mΓΌssen MitgefΓΌhl erst lernen
Die moralische Entwicklung vom affektbestimmten Kleinkind zum verantwortungsbewussten Erwachsenen ist ein langer Prozess, der sich ΓΌber mehrere Stufen zieht: So sind Werte wie Fairness, Respekt vor anderen und deren Eigentum, Wahrhaftigkeit, Friedfertigkeit oder MitgefΓΌhl im Kindergartenalter noch nicht ausgeprΓ€gt.
Konflikte werden hier noch sehr oft handgreiflich ausgetragen, es wird viel geschwindelt und wenn man etwas haben will, wird selten RΓΌcksicht darauf genommen, dass das "Objekt der Begierde" jemand anderem gehΓΆrt.
Es braucht ein ausgeprΓ€gtes Gewissen, damit das Kleinkind diese unerwΓΌnschten Verhaltensweisen nach und nach ablegt. Das unterstΓΌtzen Eltern am besten, indem sie die FΓ€higkeit ihres Kindes zur Empathie stΓ€rken. Ein mitfΓΌhlendes Kind wird schon bald versuchen, so zu handeln, dass es keinem anderen absichtlich Schaden zufΓΌgt.
Um das MitgefΓΌhl der Kleinen zu stΓ€rken, empfehlen Experten Eltern die Methode der Induktion: Dabei sollen Kleinkinder mithilfe ihrer Eltern entdecken, dass andere die gleichen GefΓΌhle empfinden wie sie selbst.
Eltern bewerkstelligen das durch eine ΓΌbertriebene Reaktion auf das negative Verhalten ihrer Kinder. Haut das Kind seiner Mutter beispielsweise auf den Arm, wΓΌrde diese sich mit betrΓΌbtem und traurigem Blick den Arm halten und dabei "Aua, aua! Das tut weh!" rufen. Nach kurzer Zeit wird das Kind einen Γ€hnlichen Blick aufsetzen und im besten Falle beginnen, die Mutter zu trΓΆsten und zu streicheln.
Die eigenen GefΓΌhle werden so fΓΌr das Kind sichtbar und nachfΓΌhlbar und allmΓ€hlich begreift es, dass bestimmte Verhaltensweisen negativ besetzte Reaktionen beim anderen zur Folge haben. Hierbei sollten Eltern ihrem Kind ihre GefΓΌhle nur in ΓΌbertriebener Form darstellen, sie sollten sie allerdings nicht versuchen zu erklΓ€ren oder dem Kind sogar SchuldgefΓΌhle bereiten.
Γhnlich gehen auch viele KindergΓ€rten bei der Vermittlung von Werten vor: Dort werden bestimmte Programme eingesetzt, in denen die soziale Kompetenz der Kids zum Beispiel mithilfe von Handpuppen erhΓΆht werden soll. In Schulen geschieht das unter anderem in Form von Streitschlichter-Programmen und in Sportvereinen durch die Richtlinien des "Fair Play".
Grundschule: Wie du mir, so ich dir!
Bis zu Beginn des Grundschulalters haben Kinder normalerweise schon viele Wertvorstellungen verinnerlicht. Trotzdem sind Fairness und Hilfsbereitschaft in diesem Alter oft noch wenig ausgeprΓ€gt. Nachgeben oder freiwillig mit weniger als der andere zufrieden sein β das kann man in dieser Altersgruppe selten beobachten.
Stattdessen bestimmt meistens der Sinn fΓΌr ausgleichende Gerechtigkeit das Verhalten der Kids: Geht es darum, SΓΌΓigkeiten miteinander zu teilen, muss aufs Milligramm genau abgewogen werden. Und wenn beim Spielen nur ein Bobby Car zur VerfΓΌgung steht, muss sich jedes der Kinder auf die Sekunde genau gleich lang mit dem "Auto" beschΓ€ftigen dΓΌrfen. Ansonsten ist Streit programmiert.
Um auch diese Phase zu ΓΌberwinden, raten Kinderpsychologen Eltern dazu, an eine hΓΆhere Motivation zu appellieren: Muss der siebenjΓ€hrige Bruder beim AufrΓ€umen oder im Haushalt mehr helfen als die vierjΓ€hrige Schwester, obwohl er das nicht einsieht, kΓΆnnten Eltern das zum Beispiel so erklΓ€ren: "Ich mΓΆchte, dass du das machst, weil du nun mal der groΓe Bruder bist!" Oder: "Deine Schwester ist jΓΌnger als du, deshalb kannst du ihr ruhig etwas mehr helfen. In unserer Familien helfen wir uns nΓ€mlich gegenseitig."
Auf diese Weise geht es fΓΌr das Kind nicht mehr nur um die spezielle Arbeit, die getan werden muss, sondern um ΓΌbergeordnete Werte wie Verantwortungsbewusstsein oder Hilfsbereitschaft.
Im spΓ€teren Grundschulalter lassen sich die meisten Dinge bereits mit einfachen Worten erklΓ€ren: So kΓΆnnen Eltern mit ihren Kindern schon ΓΌber die GefΓΌhle anderer sprechen oder die Folgen von bestimmtem negativen Verhalten wie Faulheit, UnhΓΆflichkeit oder fehlender Hilfsbereitschaft aufzeigen.
NatΓΌrlich werden Werte auch durch das gute Beispiel der Eltern vermittelt: Der Umgang miteinander β auch wenn es zu Streit kommt β sollte respektvoll und fair sein. Auch GesprΓ€che ΓΌber Dritte sollten nicht herablassend oder beleidigend auf das Kind wirken. Zudem kann soziales und ehrenamtliches Engagement der Eltern als wunderbares Vorbild fΓΌr Kinder dienen. In Sportvereinen, als Messdiener oder beispielsweise bei den Pfadfindern haben Kinder die MΓΆglichkeit, sich selbst fΓΌr einen guten Zweck einzusetzen.
Medienkompetenz ist wichtig
Entwicklungsforscher gehen davon aus, dass die moralische Entwicklung und damit die Wertevermittlung etwa mit Beginn der PubertΓ€t abgeschlossen ist. Ab diesem Zeitpunkt geht es darum, dass die Kinder das Gelernte nicht wieder vergessen. Ein Unterfangen, das wegen des immer grΓΆΓeren Einflusses von Clique und Schulklasse, aber auch Fernsehen, Computer, Smartphone und Internet, nicht leicht ist. WΓ€hrend Eltern an die Friedfertigkeit ihrer Kinder appellieren, wird Gewalt durch Computerspiele oder Horrorfilme verharmlost.
An dieser Stelle ist Medienerziehung gefragt: Zweifellos ist es schwer fΓΌr Eltern, immer zu wissen, was sich ihre pubertierenden Kinder im Fernsehen, auf dem Smartphone oder am Laptop anschauen. Jedoch sollten sie ihre Kinder nicht gΓ€nzlich den Medien ΓΌberlassen.
Sie sollten kontrollieren, dass der Handy- und Internetkonsum nicht ins Unermessliche steigt und gleichzeitig Interesse an den Sendungen und Spielen ihrer Kinder zeigen. Sind sie mit den Inhalten nicht einverstanden, kΓΆnnen sie gemeinsam darΓΌber sprechen. Und mit dem Nachwuchs auch ΓΌber dessen BeweggrΓΌnde, sich so etwas anzuschauen, diskutieren.
- Wayne Dosick: "Kinder brauchen Werte: 10 Lebensregeln, die Kindern Halt und Orientierung geben", Scherz Verlag, 1996
- ipsos.com: "Die Welt der Kinder β ihre Werte, Γngste und Rechte" (Geolino-Unicef-Kinderwertemonitor)