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Discounter-Wein: Das Erfolgsgeheimnis der günstigen Weine


Leben
Luxus vom Discounter?

Uwe Kauss

Aktualisiert am 19.01.2017Lesedauer: 4 Min.
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Kann der Name auf dem Etikett eine Aussage über die Qualität treffen? (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Etwa ein Drittel aller Weinflaschen in Deutschland wird im Discounter gekauft. Doch inzwischen finden sich in den Regalen auch Flaschen, auf deren Etikett die Namen von Star-Winzern und renommierten Weingütern prangen. Preise um zehn Euro sind keine Seltenheit. Wie kommen die da hin? WANTED.DE klärt auf.

Neonlicht, Steinfußboden, Stahlregal und der Baron Philippe de Rothschild. Das Etikett auf der Flasche führt den Namen des 1988 verstorbenen französischen Adligen, der sein renommiertes Bordeaux-Weingut Château Mouton-Rothschild zur weltweiten Luxusmarke machte. Für eine gute Flasche Mouton zahlen Weinfreunde derzeit etwa 500 Euro. Der Preis auf der Flasche im Aldi-Regal: 8,99 Euro. Auch die italienischen Top-Weingüter Frescobaldi aus der Toskana und Falesco aus Umbrien, die deutschen Starwinzer Fritz Keller vom Kaiserstuhl und Raimund Prüm von der Mosel sowie der österreichische Wein-Hipster Leo Hillinger gehören inzwischen zum Aldi-Sortiment. Bei Netto findet sich seit einiger Zeit der "Spätburgunder S" des hoch renommierten Rheingauer Winzers August Kesseler für 7,99 Euro, dessen Topweine aus dieser Rebsorte mehr als 100 Euro kosten. Echte Schnäppchen also? Nö. Denn so funktioniert das Weingeschäft mit Discountern nicht.

Das steckt hinter den vermeintlichen Schnäppchen

"Große Namen machen einen Wein für wenig informierte Kunden attraktiv, weil sie eine gewisse Sicherheit bei der Qualität vermitteln", erklärt Markus Del Monego den Mechanismus. Der "Master of Wine" und Sommelierweltmeister (1998) berät mit seinem Weinconsulting-Unternehmen Caveco schon seit langem Aldi Süd und Nord bei der sensorischen Qualitätskontrolle von Wein, Kaffee und Spirituosen.

"Kunden die Wein beim Discounter kaufen, verfügen unter Umständen nur über wenig Fachwissen. Meistens gehen sie nicht gerne zum Weinfachhändler, denn dort könnten sie bei einem eventuellen Fachgespräch überfordert sein", erklärt er die Auswahlkriterien beim Discounter. "Dies ist ein Grund, warum auf den Weinetiketten im Sortiment meist nur ausgesuchte Angaben, beispielsweise die Rebsorte, das Land, die Anbauregion und maximal eine Besonderheit genannt werden. So wird dem Kunden die Auswahl erleichtert. Zudem finden sich viele zusätzliche Informationen auf dem Rückenetikett." Diese Weine werden zum möglichst günstigen Preis von teilweise namhaften Kellereien erzeugt, deren Namen für den Konsumenten keine Rolle spielen. Da zählt nur: Schmeckt oder schmeckt nicht.

Geschmack fällt durch

Doch auch dabei sind viele Kunden offenbar nicht sehr wählerisch: Der Vergleichstest der Branchenzeitschrift "Weinwirtschaft" vom März 2016 mit 1297 Weinen, die aus jeweils zwei Filialen der sechs führenden Discounter stammten, brachte ein ernüchterndes Ergebnis. Fast ein Drittel der Weine bewertete die Jury als geschmacklich enttäuschend oder fehlerhaft. Doch die Discounter wollen ihr Image ändern: Weg vom "Alles-Billig" hin zum Nahversorger mit attraktiven Produkten. Da dürfen ein paar Weine mit guten Produzentennamen nicht fehlen, auch wenn sie etwas teurer sind.

So kommt die Menge für den Discounter zusammen

Die Fusion von Premium-Renommée und Discounterpreis schaffte 2008 erstmals der renommierte VDP-Winzer Fritz Keller vom Kaiserstuhl in Kooperation mit Aldi Süd. Doch die Weine, die den Namen "Edition Fritz Keller" tragen und exklusiv bei Aldi zu haben sind, stammen nicht aus seinem Weingut. Die Trauben stammen von über 430 Winzern und Winzergenossenschaften in ganz Baden. Sie werden nach Qualitätsvorgaben angebaut, die Fritz Keller definiert hat. Der Ausbau bislang von Riesling, Rosé, Weiß-, Grau- und Spätburgunder geschieht ebenfalls nach diesen Vorgaben in einer großen, gemieteten Genossenschaftskellerei. Nur so lässt sich die Weinmenge erzeugen, die Aldi jährlich benötigt.

"Die Weine werden handwerklich sehr gut gemacht und bieten für den Preis um sechs Euro eine angemessene Qualität", sagt Markus Del Monego. Die gelieferte Flaschenzahl ist ein Aldi-Betriebsgeheimnis, aber in der Branche sind ein paar Zahlen bekannt geworden: Nach demselben Geschäftsmodell lässt auch der deutsche Starwinzer Raimund Prüm vom weltbekannten Weingut S.A. Prüm an der Mosel einen Riesling für Aldi produzieren. Dem "Trierischen Volksfreund" berichtete er, dass er zum Start seiner Kooperation dem Discounter 300.000 Flaschen lieferte. Das ist deutlich mehr als die gesamte Jahresproduktion eines größeren deutschen Familienbetriebs.

Der Österreicher Leo Hillinger, eines der großen Marketing-Talente in der österreichischen Szene, soll auf diese Weise jährlich sogar rund 2,5 Millionen Flaschen Wein nur für Aldi und seine Österreich-Tochter Hofer produzieren lassen. Auch er nutzt das offenbar erfolgreiche Geschäftsprinzip mit seinem zugkräftigem Namen, außergewöhnlichem Etikett und einem trinkbaren Wein, der nach dem Genossenschaftsprinzip in riesiger Menge erzeugt wird. So arbeitet auch der Rheingauer VDP-Topwinzer August Kesseler: Sein "Spätburgunder S" bei Netto kommt, offiziell deklariert, von Vertragswinzern – und aus der Pfalz.

Kein Luxus – auch wenn der Name es vermuten lässt

Auf diese Weise funktioniert auch das Discount-Geschäft der italienischen Weingüter Frescobaldi und Falesco, die an Aldi liefern. Die Weingüter sind international agierende Weinunternehmen, die zur Markenpflege teure Weine der Weltspitze erzeugen, andererseits im Kundenauftrag hunderttausende günstige Flaschen liefern können. Das französische Unternehmen Baron Philippe de Rothschild S.A. im Bordelais etwa produziert den Markenwein Mouton-Cadet und neben vielen weiteren auch den günstigen Wein mit dem Namen des legendären Gründers. Nach Unternehmensangaben liefern dazu 450 Weinbauern die Trauben aus rund 1500 Hektar Anbaufläche – das ist die Hälfte des gesamten Anbaugebiets Rheingau. Ausgebaut werden die Weine in hochmodernen, computergesteuerten Kelleranlagen – auch mit dem Geschmacksprofil, das ein Kunde definiert. Die Produktion solcher Mengen erbringt niemals Luxusweine: "Wir kontrollieren die geschickten Proben, die Weine aus der Flasche und oft auch die aus dem Tank vor der Füllung, um Abweichungen zum definierten Profil zu vermeiden. Sollten sie entstehen, müssen die Betriebe nacharbeiten", erzählt Del Monego.

Doch solche Kooperationen hätten zumindest in Deutschland große Vorteile für alle Beteiligten, weiß der Weinexperte: "Die beteiligten Betriebe und Genossenschaften erzeugen damit deutlich mehr Umsatz, als wenn sie direkt an eine Discountkette verkaufen. Zudem erhalten sie Unterstützung bei der Qualitätssicherung – und der Kunde kauft einen Wein mit fairem Preis-Genussverhältnis."

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