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Körperverhüllung in Schulen: "Burkinis sexualisieren Kinder"


Körperverhüllung in Schulen
Burkinis sexualisieren Kinder

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

Aktualisiert am 29.06.2018Lesedauer: 3 Min.
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Musliminnen in Ganzkörper-Badeanzügen (Symbolbild): Eine Schule in Herne hat Burkinis angeschafft, damit die Schülerinnen am Schwimmunterricht teilnehmen können.Vergrößern des Bildes
Musliminnen in Ganzkörper-Badeanzügen (Symbolbild): Eine Schule in Herne hat Burkinis angeschafft, damit die Schülerinnen am Schwimmunterricht teilnehmen können. (Quelle: Rolf Haid/dpa)

Eine Schule in Nordrhein-Westfalen hat sich einen Vorrat an Burkinis zugelegt. Bei vielen Nicht-Muslimen stößt das auf Unverständnis. Auch aus islamischer Sicht ist ein Burkini zweifelhaft.

Ein Burkini ist streng genommen ziemlich paradox. Er soll konservative Islamvorstellungen erfüllen, doch gerade aus dieser Sicht ist das Kleidungsstück wenig rechtskonform. Folgt man jener Auslegung religiöser Schriften, die eine Verhüllung des Köpers als zeitloses, ortsungebundenes Gebot erkennen will, verstößt der Burkini gegen elementare Vorgaben.

Burkinis sind vergleichsweise eng geschnitten, und wenn sie nicht schon im trockenen Zustand die weiblichen Rundungen konturieren, betonen sie spätestens im nassen Zustand recht eindeutig die Silhouette ihrer Trägerinnen. Bei der islamischen Köperverhüllung geht es jedoch nicht darum, fremde Blicke auf das Haar oder eine Hautpartie zu verhindern. Das ist nur der Nebeneffekt der eigentlichen Absicht: nämlich die sexuellen Reize einer Frau abzuschirmen.

Wenn der Koran von Verhüllung spricht, geht er von langen, wallenden Tüchern aus. So empören sich konservative Gläubige gerne über Frauen, die ein Kopftuch mit hautengen, vielleicht bauchfreien Kleidungsstücken kombinieren.

Diese Widersprüchlichkeit ist symptomatisch für die Debatten in Deutschland über Kopftuch, Vollverschleierung oder Burkinis, die nun wieder Teile der Gesellschaft beschäftigen, weil sich eine Schule in Nordrhein-Westfalen einen Vorrat an Burkinis zugelegt hat.

Debatte dreht sich fast nie um die Betroffenen

Halbwissen trifft auf Vorurteile mit dem Ziel, populistische Aufmerksamkeit zu erheischen. All diese Debatten haben immer denselben Grundcharakter: "islamkritische" oder religiös-fundamentalistische Vorstellungen unters Volk zu bringen. Die mühselige Aufgabe, dies zu verhindern, fällt dann anderen zu. Um die Betroffenen geht es dabei fast nie.

Für die einen klingt es prima, wenn jemand schreit: "Burkinis sind mies!", für andere, wenn es heißt: "Burkinis sind super!" Doch man muss Burkinis weder rundweg verteufeln, noch muss man sie promoten – im Schulbetrieb schon gar nicht. Aber der Reihe nach.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat vergangenes Jahr geurteilt, dass Kinder nicht aus religiösen Gründen vom Schwimmunterricht abgemeldet werden dürfen. Eltern können also offiziell gegen die Teilnahme ihrer Töchter am Schwimmunterricht gar nichts unternehmen; wobei an dieser Stelle anzumerken ist, dass das Narrativ, muslimische Eltern würden ihre Kinder massenhaft vom Schwimmunterricht abmelden, schon immer vor allem vom rechtspopulistischen und islamfeindlichen Milieu ausgegangen ist.

Gefahr von Ausgrenzung und Diskriminierung wegen Burkinis

Wenn Schulen somit in einer Art vorausseilendem Gehorsam Burkinis anbieten würden, nach dem Motto: "Das ist bei Muslimen halt so", ginge das zu weit. Burkinis sexualisieren Kinder, wenn auch von den Eltern ungewollt, da die Textilien darauf abzielen, religiös unerlaubten Kontakten vorzubeugen. Burkinis heben Kinder von anderen ab, sie exponieren sie und setzen sie der Gefahr von Ausgrenzung und Diskriminierung aus, dabei haben gerade Kinder den natürlichen Wunsch nach Gruppenzugehörigkeit und Anerkennung. Burkinis signalisieren den Trägerinnen fälschlicherweise, Ganzkörperverhüllung sei Normalität, doch selbst innerhalb des Islam stellt sie eine fundamentalistische Randposition dar.

Wenn Schulen nun aber Burkinis im Schulschrank hätten, um damit im Zweifelsfall den Schulfrieden zu sichern, dann wäre das durchaus legitim. Oder wäre es etwa moralisch besser, Burkinis zu verbieten und so in Kauf zu nehmen, dass man Mädchen das Schwimmenlernen erschwert? Burkinis können eine Ultima Ratio sein, wenn Eltern, die religiöse Vorbehalte gegen den schulischen Schwimmunterricht haben, zuvor in die Aussprache genommen werden – gerne mithilfe islamischer Religionslehrer oder örtlicher Imame sowie den Schulsozialpädagogen oder Schulpsychologen.

Sie können im Zweifelsfall verdeutlichen, dass sich Mädchen bis zur Pubertät selbst nach konservativem Islamverständnis nicht verhüllen müssen, und dass man dem Kind durch die Verhüllung möglicherweise schadet und es Benachteiligungen etwa im Klassenverbund aussetzt. Wenn Eltern trotzdem darauf beharren, aber einen Burkini als Kompromiss akzeptieren, wäre das eine pragmatische Lösung, die weitere behördliche Auseinandersetzungen mit den Eltern vermeidet und den Lehrbetrieb vor Reibungen schützt. Das ist eine einfache Güterabwägung.

Schulen sollten Umgang mit Diversität lernen

Da es sich bei Problemen mit islamischer Bekleidung laut Stimmen aus Lehrerverbänden und Gewerkschaften um Randphänomene handelt, sollten Schulen solche Angelegenheiten, wenn sie denn auftreten, selbst lösen dürfen. Zurufe von der Seitenlinie stören nur den Schulbetrieb. Bildung ist das A und O. Statt überflüssige budgetneutrale Verbote zu ersinnen, sollte die Politik vielmehr investieren und die materiellen sowie personellen Rahmenbedingungen schaffen, damit Schulen ihre zunehmend vielfältigeren Aufgaben erledigen können.

Dazu gehört allerdings auch, endlich den Umgang mit Diversität zu lernen. Die deutsche Gesellschaft ist nun einmal "bunt", auch wenn manche das nicht wahrhaben wollen. Und in einer bunten Gesellschaft muss man auch mit Dingen zurechtkommen, die man selbst ablehnt – etwa wenn Schülerinnen sich aus freien Stücken für religiöse Kleidung entscheiden.

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