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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Weiterer Kulturort dicht "Viele, viele Tränen": Burlesque-Bar in Berlin muss schließen

Nach zehn Jahren muss die Bar "Zum Starken August" schließen. Die Betreiberin sieht dafür viele kleine Gründe – und ein grundsätzliches Problem für die Kulturszene.
Am vergangenen Sonntag liefen einige Hundert schwarz gekleideter Menschen durch den Prenzlauer Berg. Was wie eine Trauerfeier inszeniert wurde, war gleichzeitig ein Abschiedsfest. Denn nach knapp zehn Jahren muss die Burlesque- und Erlebnisbar "Zum Starken August" an der Schönhauser Allee endgültig schließen.
Dafür gibt es vielfältige Gründe. Zunächst sei Anfang April 2020, kurz nachdem Sandra Hollweck die Bar von dem Vorbesitzer übernommen hatte, eine Familie in das Nachbarhaus eingezogen. Nach deren Einzug habe es unzählige Beschwerden wegen der Lautstärke während der Shows gegeben.
"Dann stand wochenlang die Polizei vor unserer Tür"
"Dann stand wochenlang die Polizei vor unserer Tür", sagt Hollweck. Zudem hätten die Nachbarn behauptet, die Bar sei ein "Striptease-Club". Das habe auch das Ordnungsamt auf den Plan gerufen. "Also wir sind Burlesque und das ist ein Unterschied". Sie hätten nach der Anzeige erstmal beweisen müssen, dass sie kein "Striptease-Club" seien.
Doch das war nicht der einzige Grund. Gleichzeitig habe sich die Gewerbemiete deutlich erhöht und die Kundschaft blieb nach der Corona-Pandemie aus. Zudem erschwerten es die eingeschränkten Öffnungszeiten bis 22 Uhr, weitere Shows anzubieten.
"Am Wochenende gab es viele, viele Tränen"
Sandra Hollweck erinnert sich noch an den Punkt, als ihr das Ende bewusst wurde. "Das war eine harte Entscheidung", sagt die Betreiberin der Bar. "Jeder der hier reinkommt, fühlt sich wohl. Das ist ein Wohnzimmer für viele." Bei ihren Stammgästen habe die Nachricht für Entsetzen gesorgt. "Am Wochenende gab es viele, viele Tränen", erzählt Betty, die für die Bar unter anderem für das Buchen von Performern zuständig war.
Hollweck ist sich sicher: Die Bar wird im Kiez fehlen. "Wir hatten da eine ziemlich große Community", sagt sie. Viele Menschen hätten sich hier entfalten können. "Das ist halt einfach noch ein bisschen Berlin hier", sagt sie weiter. Es gebe nicht viele Orte mit Burlesque-Shows, die so tief im Kiez verankert seien.
Das wurde auch am vergangenen Wochenende deutlich: Zwischen 250 und 300 Menschen beteiligten sich am Trauer- bzw. Abschiedsmarsch rund um die Schönhauser Allee. Einige reisten extra zum Abschiedsfest an. Mit dabei: Ein Sarg mit einer Puppe namens "August".
"Es würde wieder diesen einen Nachbarn geben"
Nachdem klar war, dass das "Zum Starken August" schließen muss, habe sich Hollweck kurz überlegt, woanders in Berlin etwas Neues aufzumachen. Das habe sie aber schnell verworfen, denn woanders würde es wieder das Gleiche passieren. "Es würde wieder diesen einen Nachbarn geben, die Behörden und diese Auflagen, die man aktuell hier hat".
Doch Hollweck sieht ein grundsätzliches Problem in der Kulturszene rund um die Schönhauser Allee. Mit dem großen Abschiedsfest und dem Trauerumzug wollten sie ein Zeichen setzen. "Viele Bars und Clubs gehen einfach viel zu leise in Berlin", sagt Hollweck. Man müsse auf das Kultursterben aufmerksam machen. Dabei richtet sie ihre Kritik an politische Akteure.
Sie wünsche sich, dass "von der Politik auch Geld zur Verfügung gestellt wird, um so spezielle Orte vor dem Ende zu schützen", sagt sie.
Zahlreiche Bars und Clubs in den letzten Jahren geschlossen
In der Schönhauser Allee seien schon so viele ähnliche Orte "kaputtgegangen", sagt Hollweck. Das White Trash zog sich 2014 aus dem Prenzlauer Berg zurück, der Bassy Club schloss 2018 seine Pforten. Wie auch beim "Zum Starken August" gab es viele Gründe, die zu den Schließungen geführt haben.
"Der Kiez verliert einen bunten Ort, noch einen", sagt Hollweck. Sie werde nach dem offiziellen Aus der Bar wieder in ihre Heimatstadt in Bayern gehen. Alles müsse auch ein Ende haben. Im "Zum Starken August" sei viel Erzählenswertes passiert, die Erinnerungen daran werden laut Hollweck und Betty weiter bestehen. "Berlin hat wieder eine Legende mehr, von der man reden kann", sagt Hollweck.
- Gespräch mit Sandra Hollweck und Betty vor Ort
- zumstarkenaugust.com: Webseite der Burlesque-Bar