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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Kommentar zum Karneval der Kulturen Die Karl-Marx-Allee ist der perfekte Ort für den Umzug

Zum ersten Mal fand der Karnevalsumzug auf der einstigen DDR-Prachtstraße statt. Das sorgte im Vorfeld für Kritik. Doch es zeigt sich: Die Karl-Marx-Allee eignet sich gut dafür – aus mehreren Gründen.
So viel Leben wie an diesem Sonntag war schon lange nicht mehr auf der Karl-Marx-Allee: 750.0000 Menschen schauten in Friedrichshain dem Umzug des Karnevals der Kulturen zu – tanzten und feierten trotz des eher schlechten Wetters.
Im Vorfeld hatte es massive Kritik daran gegeben, dass der Umzug in diesem Jahr baustellenbedingt von der Gneisenaustraße in die Karl-Marx-Allee ausgewichen war. Achim Bahr, Vorsitzender des Vereins Stalinbauten e.V., sprach in der "Berliner Zeitung" davon, dass eine Veranstaltung dieser Art "mit dem Denkmalschutz nicht vereinbar" sei und zog Parallelen zur Biermeile, in der es Schäden an Grünanlagen und der Bausubstanz einiger Zuckerbäckerbauten gegeben hatte.
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Ganz unberechtigt war die Befürchtung nicht. Tatsächlich steht das gesamte Gebiet unter Denkmalschutz. Und in den 23 Jahren, in denen die Biermeile stattfand, gab es nach den drei Tagen mit viel Alkohol zahlreiche zertretene Beete, Schäden an den Häusern und Müllberge. Nicht selten blieben die Anwohner auf Reparaturkosten sitzen.
Karnevalsumzug dauert nur einen Tag
Und ja, Müll gab es auch nach dem Karnevalsumzug. Dennoch unterschied sich die Veranstaltung grundlegend von der Biermeile. Zum einen dauerte sie nur einen Tag, nicht drei Tage – schon das hatte weniger negative Auswirkungen auf das Areal. Zum anderen ist der Karneval der Kulturen eher eine Familienveranstaltung und keine reine Trinkmeile. Zwar wurde Bier konsumiert, die langen Reihen an urinierenden Menschen in den Seitenstraßen und die großen Urinlachen an den Durchgängen der Häuser wie damals blieben jedoch aus. Am Montagvormittag wirkte es, als habe dort nie eine Großveranstaltung stattgefunden.
Dagegen hat eine Verlegung des Umzugs mehrere Vorteile: Da die Karl-Marx-Allee 30 Meter breiter als die Gneisenaustraße ist, verlief sich die Menschenmenge mehr – das machte die Veranstaltung wesentlich entspannter als sonst. Und den Gastronomen auf der sonst sehr wenig frequentierten Straße dürfte der Umzug einen guten Teil des Jahresumsatzes beschert haben.
Ort für Militärparaden wird zum Ort für weltoffene Parade
Und schließlich wäre da noch eine symbolische Bedeutung: Die Karl-Marx-Allee diente einst als Ort für Militärparaden. Sie jetzt für eine bunte und weltoffene Parade zu nutzen, setzt ein Zeichen für das, was Berlin und die Welt mehr denn je brauchen: Frieden, Toleranz und Miteinander.
Wenn der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg künftig mit den Anwohnern ins Gespräch kommt und ein gutes Konzept für eine Veranstaltung unter Denkmalschutzgesichtspunkten vorlegt, dann könnten vielleicht sogar Kritiker davon überzeugt werden, dass die Karl-Marx-Allee genau der richtige Ort für den Karnevalsumzug ist. Und dann könnte sich die leere große Straße wieder mit Leben füllen – zumindest für einen Tag im Jahr.
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- berline-zeitung.de: Karneval der Kulturen erstmals in Friedrichshain: Kritik an Samba-Tänzen im Denkmalschutzgebiet
- mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa