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Naturschutzbund-Hof in Leer: Tiere sterben qualvoll - das ist passiert


Tierskandal in Ostfriesland
Rinder verenden auf Nabu-Hof: Tragödie mit Ansage?

Von Steffen Koller

Aktualisiert am 30.05.2023Lesedauer: 4 Min.
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Ein Rinderkalb wird vom Muttertier gesäugt (Symbolfoto): Es ist nicht das erste Mal, dass der Nabu-Hof in die Kritik gerät.Vergrößern des Bildes
Ein Rinderkalb wird vom Muttertier gesäugt (Symbolfoto): Es ist nicht das erste Mal, dass der Nabu-Hof in die Kritik gerät.

Zwei Rinder sterben qualvoll und das ausgerechnet auf dem Hof des Naturschutzbundes (Nabu). Bereits vor Jahren gab es einen ähnlichen Fall.

Der Aufschrei um die toten Rinder auf einem Hof des Naturschutzbundes (Nabu) ist weiter groß. Nachdem vor kurzem öffentlich wurde, dass zwei Heckrinder-Kälber qualvoll starben, hat sich nun auch der zuständige Landkreis eingemischt und dem Hof strenge Auflage erteilt. Sogar die Schließung des Areals wird diskutiert. Denn: Der Hof steht nicht zum ersten Mal in der Kritik.

Wie die Kreisverwaltung des Landkreises Leer in einer Stellungnahme mitteilt, hat sich nach Erkenntnissen der Behörde der aktuelle Vorfall wie folgt abgespielt: Der Nabu hatte laut Kreisverwaltung bereits im April mitgeteilt, dass die Rinder des Hofes untersucht werden müssten. Daraufhin habe die Verwaltung diese angeordnet und eine Frist gesetzt. Zudem sei vereinbart worden, dass sich der Nabu melde und den Termin der Untersuchung ankündige. Das sei jedoch nicht passiert.

Landkreis mit konkreten Auflagen

Dennoch sei die Blutuntersuchung begonnen worden. Dazu fand am 10. Mai eine Separierung der Rinder statt. Dabei sei es jedoch zu "gravierenden Problemen" gekommen, sodass die Aktion auf Anweisung eines Veterinärmediziners abgebrochen werden musste. Einen Tag später ging die Nachricht ein, dass ein Kalb eingeschläfert worden sei. Es hatte sich bei der Separierung zu schwer verletzt und sei entsprechend erlöst worden. Wieder einen Tag später habe das Amt dann die Nachricht über ein weiteres Kalb erhalten, das lahme. Auch dieses Tier musste eingeschläfert werden.

Das Veterinäramt hat, wie in der Stellungnahme aufgeführt, aufgrund der Verstöße mehrere konkrete Auflagen angeordnet. Demnach müssten folgende Maßnahmen umgesetzt werden:

  • Der Nabu muss verantwortliche Betreuer für die Rinder- und Pferdehaltung auf der Weidefläche benennen.
  • Zudem müssen Nachweise vorgelegt werden über: Kotuntersuchungen auf Parasiten, tierärztliche Behandlungen und ein Konzept für die Tierhaltung.
  • Der Nabu muss die Kontrollen verbessern und zweimal täglich nach den Tieren auf der Weide sehen. Die Beobachtung erfolgt von einem Traktor aus, um möglichst nahe und gefahrlos an die Tiere heranzukommen.
  • Die Tiere sind so stark verwildert, dass eine Annäherung für Menschen nicht ohne Gefahr ist. Durch Zufütterung mit schmackhaftem Futter sollen die Tiere wieder daran gewöhnt werden, Menschen näher an sich heranzulassen. Auch muss Tränkewasser zur Verfüg gestellt werden.

Zusammenfassend sei der Landkreis Leer der Auffassung, "dass die Heckrinderhaltung unter den gegenwärtigen Umständen nicht möglich ist, die angeordneten Maßnahmen sind vom Nabu sofort umzusetzen". Es würden daher "engmaschige amtliche Kontrollen" erfolgen.

Lügt der Nabu?

Das am Montag getötete Rind kam zur Untersuchung in die Tierpathologie nach Oldenburg. Dadurch soll geklärt werden, ob Verstöße gegen das Tierschutzrecht vorliegen oder nicht. Zudem sei festgestellt worden, dass die Tiere keine vorgeschriebenen Ohrmarken getragen hatten. Das stelle eine Ordnungswidrigkeit dar und werde ebenfalls untersucht.

Anders, als es eine Stellungnahme des Nabu Niedersachsen von Mittwoch suggeriere, sei die geplante Blutabnahme keine gemeinsame Aktion von Nabu und Veterinäramt gewesen. "Das ist nicht korrekt", so der Landkreis Leer. Es sei zwar vereinbart worden, dass sich der Nabu melde, doch das habe dieser nicht getan.

Zudem sei das Veterinäramt nicht bereits am 10. Mai vom verletzten Tier informiert worden, sondern erst später. In einer Mitteilung des Nabu wird jedoch etwas anderes behauptet. Der Nabu selbst entschuldigte sich am Mittwoch für den Verlust der Tiere und gelobte Besserung. Man leide seit langem unter Personalnot, teilte der Nabu mit. Zudem hieß es: "Fakt ist, dass das Aufeinandertreffen mehrerer ungünstiger Faktoren zu diesen bedauerlichen Unfällen führte." Mehr zur Stellungnahme lesen Sie hier.

Steht der Nabu-Hof vor dem Aus?

Wie die "Bild"-Zeitung und der NDR berichten, rufe das Verhalten der Verantwortlichen nun auch andere Tierschutzvereine auf den Plan. Hero Schulte vom Friesischen Verband für Naturschutz sagte dem NDR: "Wieder einmal der Nabu. Wieder einmal hat der Nabu nichts gelernt." Solche Projekte gehörten seiner Meinung nach in die Hände von "Profis" und "das sind halt Landwirte".

Der "Bild" sagte Fachanwalt für Agrarrecht, Christian Teppe: "Mein Mandant wird alle Mittel ausschöpfen, die uns das Tierschutz- und Umweltrecht an die Hand geben. Die Behörden werden hier sicherlich nicht mit zweierlei Maß messen, sodass mit strafrechtlichen Konsequenzen und gegebenenfalls mit einem Tierhaltungsverbot zu rechnen ist." Teppe vertritt den Friesischen Verband für Naturschutz im aktuellen Fall.

Bereits 2008 starben zahlreiche Tiere

Das vom Nabu betriebene Projekt steht indes nicht zum ersten Mal in der Kritik: 2008 verendeten auf dem Areal insgesamt 16 Heckrinder, ein Kalb ertrank in einem See. Spätere Untersuchungen hatten ergeben, dass die Zustände auf dem Hof katastrophal gewesen waren.

Nach übereinstimmenden Medienberichten waren zwei obduzierte Kühe "regelrecht abgemagert", schrieb unter anderem die "taz" damals. Die Tiere bekamen dem Bericht zufolge weder ausreichend Nahrung, noch sei das Futter kontrolliert worden. Das Heu, welches die Betreuer verfüttert hatten, sei zudem verschimmelt gewesen. Der zuständige Veterinär schrieb dazu in einem Bericht: "Es ist davon auszugehen, dass sich der Zustand der Tiere über einen Zeitraum von mehreren Wochen bzw. Monaten entwickelt hat."

Da die Mutterkühe unterversorgt waren, hätten sie kaum Milch an ihre Kälber geben können. Mindestens zwei Kälber seien daraufhin an Unterernährung gestorben. Der Nabu Niedersachsen äußerte sich damals zu den Vorwürfen so: "Unsere Kontrolle hat versagt." Dem einstigen Leiter war das Projekt entzogen worden, er habe den Angestellten "nicht richtig auf die Finger geschaut". Damals wie heute argumentiert der Nabu, es habe Personalnot gegeben. Die Tiere seien deshalb unterversorgt gewesen.

Der Naturschutzbund gelobte damals Besserung und versprach, die insgesamt 60 Tiere besser zu versorgen. Offenbar hat das wieder einmal nicht funktioniert.

Verwendete Quellen
  • ndr.de: "Verletzte Rinder: Droht NABU-Weideprojekt das Aus?"
  • bild.d: "Anwalt will alle Mittel gegen den NABU ausschöpfen"
  • niedersachsen.nabu.de: Stellungnahme vom 25. Mai 2023
  • landkreis-leer.de: Stellungnahme vom 25. Mai 2023
  • taz.de: "Im Artenschutz verhungert" (2008)
  • laves.niedersachsen.de: Mitteilung von 2008
  • Eigene Recherche
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