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Umstrittener Einsatz in Dortmund: Grüne fordern Ende des Taser-Pilotprojekts


Umstrittener Einsatz
Grüne fordern Ende des Taser-Pilotprojekts

von David Peters

28.04.2021Lesedauer: 3 Min.
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EIn Polizist hält einen Taser in der Hand (Archivbild): Die Grünen fordern das Ende des Pilotprojektes in NRW.Vergrößern des Bildes
EIn Polizist hält einen Taser in der Hand (Archivbild): Die Grünen fordern das Ende des Pilotprojektes in NRW. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Seit Beginn des Jahres läuft in Dortmund eine rund einjährige Testphase zum Einsatz von Tasern bei der Polizei. Infolge eines umstrittenen Tasereinsatzes in der Nordstadt fordern die Dortmunder Grünen, die Testphase umgehend zu beenden.

Ein Bericht des WDR sorgte vergangene Woche in Dortmund für Diskussionen. Darin zu sehen: Das Video eines Tasereinsatzes in der Dortmunder Nordstadt. Mit einem Handy wurde die Szene gefilmt, in der zwei Polizisten einen alkoholisierten Mann am Boden fixieren. Dieser wehrt sich. Einer von mehreren umstehenden Polizisten kommt hinzu, zerrt erst am Kopf des Alkoholisierten und dann an einem seiner Kollegen. Sie lassen den Mann los, der hinzugekommene Beamte zieht seinen Taser und schießt ohne Vorwarnung auf den Mann.

Seit Januar sind in der Dortmunder Nordstadt die ersten Polizisten im Rahmen eines Pilotprojektes mit sogenannten Distanzelektroimpulsgeräten (DEIG) – umgangssprachlich Taser genannt – ausgerüstet. Dortmund ist neben Gelsenkirchen, dem Rhein-Erft-Kreis und Düsseldorf eine von vier Pilotstädten, in denen die Taser ein Jahr lang erprobt werden sollen. Bei erfolgreichem Test sollen die Taser landesweit angeschafft werden, erklärte NRWs Innenminister Herbert Reul zu Beginn des Projektes.

"Risiko tödlicher Verletzungen"

Taser stehen in der Kritik, weil sie teilweise zu schweren Verletzungen oder auch zum Tod führen können. Anfang 2019 starb bei einem Polizeieinsatz in Pirmasens ein 56-jähriger Mann infolge des Stromstoßes aus einem Taser. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht im Taser "eine Waffe, die das Risiko tödlicher Verletzungen mit sich bringt". In den USA, wo Taser regelmäßig von der Polizei eingesetzt werden, zählt die Nachrichtenagentur Reuters bereits über 1.000 Todesfälle nach Tasereinsätzen.

Zeugen des Vorfalls in der Nordstadt kritisieren im WDR-Bericht den Einsatz. Ihnen zufolge habe die Polizei den Einsatz des Tasers nicht angedroht, zudem seien genug Polizisten anwesend gewesen, um die Situation anders zu regeln.

Für die Dortmunder Polizei stellt sich die Situation anders dar: Das Opfer hätte zuvor in einem Hausflur versucht, Polizisten anzugreifen. Daraufhin sei schon mehrfach mit dem Taser auf den Mann geschossen worden – offenbar ohne Erfolg. Der Taser sei für die Beamten das beste Mittel gewesen, gab Polizeisprecher Oliver Peiler gegenüber dem WDR an. Ein Schlagstock oder "einfache körperliche Gewalt" hätte möglicherweise Verletzungen auf beiden Seiten hervorgerufen.

Die Grünen in Dortmund hatten von Anfang an Kritik an den Waffen geäußert. Darin sehen sie sich durch den Einsatz bestätigt: "Wir haben bereits zu Beginn der Testphase die Bedenken geäußert, dass Taser leichtfertig eingesetzt werden. Eben das haben wir auch in dem vorliegenden Fall gesehen", erklärt ihr Sprecher Michael Röls. Es seien genug Polizeikräfte vor Ort gewesen, um den Mann zu fixieren, dennoch wurde sich dazu entschlossen, die Person zu tasern – möglicherweise aus "Bequemlichkeitsgründen", bewertet er den Einsatz.

Innenminister Reul und weitere Befürworter hatten bei der Einführung der Taser eine abschreckende Wirkung des Geräts als besonders positiv hervorgehoben. "Das ist in dieser Situation überhaupt nicht möglich gewesen, weil zwischen dem Ziehen des Tasers und dem Abdrücken nur rund eine Sekunde lag", widerspricht Röls im Hinblick auf den Einsatz in der Nordstadt.

"Das verharmlost die Gefahr"

Das Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste (LZPD) leitet die Taser-Testphase. Den speziellen Einsatz will die Behörde nicht bewerten. "Generell lässt sich sagen, dass der Einsatz des DEIG in speziellen Einsatzsituationen das mildeste, geeignete Mittel zur erfolgreichen Lagebewältigung darstellen kann", so das LZPD. Dass die Polizei den Einsatz des Tasers als das mildeste Mittel darstellt, ärgert Röls: "Das verharmlost die Gefahr". Man könne froh sein, dass die Person keine gesundheitlichen Schäden davongetragen hat.

Besonders unter Einfluss von bestimmten Medikamenten, Vorerkrankungen oder bei Schwangeren könne der Taser lebensbedrohliche Folgen haben. Ob Personen einer solchen Risikogruppe angehören, sei bei einem Polizeieinsatz nicht immer zu erkennen, so der Sprecher der Dortmunder Grünen.

Erprobungsphase bis Ende des Jahres

Neben einer "lückenlosen Aufklärung" fordern die Dortmunder Grünen ein sofortiges Ende der Taser-Erprobungsphase. "Aus unserer Sicht gibt es bei dem Testlauf überhaupt kein Interesse an den tatsächlichen Erkenntnissen." Die bisherigen Tasereinsätze und die Ausstattung mit ihnen seien seitens der Polizei bereits als Erfolge gefeiert worden, obwohl die Erprobungsphase gerade erst am Anfang stehe. Die Polizei sei voreingenommen an das Pilotprojekt herangegangen, so Röls.

Eine Zwischenbilanz oder eine Anzahl der Tasereinsätze liegt seitens der LZPD nicht vor. Auf Anfrage von t-online heißt es: "Da wir uns bis Ende des Jahres in der Erprobungsphase befinden, können wir Details zu Einsatzzahlen zum jetzigen Zeitpunkt nicht nennen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Gespräch mit Michael Röls
  • Anfrage an das LZPD
  • WDR: "Anwohner filmt Tasereinsatz in Dortmunder Nordstadt"
  • Statistik zu Todesfällen in den USA
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