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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zeugenaussagen bei Prozess in Düsseldorf Sie überlebten den Anschlag von Solingen

Eine Mutter und ihre Tochter schildern am vierten Prozesstag, wie sie den brutalen Messerangriff beim Solinger Stadtfest erlebt und überlebt haben.
Im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts in Düsseldorf ist der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter des Solinger Stadtfestes fortgesetzt worden. Im August 2024 soll der Angeklagte Issa al H. drei Menschen mit einem Messer ermordet und zehn weitere Besucher verletzt haben. Am vierten Verhandlungstag am Dienstag (17. Juni) stehen die Aussagen von zwei Opfern im Mittelpunkt, die als Mutter und Tochter den Anschlag überlebten.
Die beiden Frauen aus Solingen waren zum "Festival der Vielfalt" gekommen, um vor der Bühne des Fronhofs die Livemusik zu genießen. Während des Konzerts hatten sie die Augen meist geschlossen, bis die Tat folgte, die das Leben der 25-jährigen Lea und der 63 Jahre alten Bärbel V. veränderte.
Anschlag von Solingen: Täter sticht Lea mittig in den Hals
Dass Lea überhaupt noch lebt, grenzt an ein Wunder. Der Täter stach ihr mittig in den Hals, die mehrere Zentimeter lange Narbe ist beim Prozess deutlich sichtbar. Eine Arterie wurde durchtrennt, die Schilddrüse verletzt. Sie erzählt, dass sie keinen Stich empfand, sondern eher einen Stoß mit dem Ellbogen. Dann bemerkte sie das Blut als etwas "warmes Flüssiges" an ihrem Hals.
"Das Körperliche geht wieder", sagt Lea im Zeugenstand. Ihren Job als Veranstaltungstechnikerin kann sie aber bis heute nicht wieder ausüben. Sie ist weiterhin krankgeschrieben, doch die vorsichtige Wiedereingliederung steht kurz bevor, erzählt sie.
Einen Monat nach dem Anschlag besuchte die junge Frau schon wieder ein Konzert, fühlte sich bereit dazu. Doch die Tat aus dem August 2024 hat doch mehr Spuren hinterlassen als gedacht: Veranstaltungen sind für Lea unangenehm geworden, statt mittendrin steht sie bei Konzerten nun lieber hinten an der Wand. Seit Februar ist sie in therapeutischer Behandlung.
Todesfurcht setzt ein: "Hatte Angst um das Leben meiner Tochter"
Auch ihre Mutter war bei dem Konzert in die Musik vertieft, als der Täter sie angriff. Bärbel V. spricht auch eher von einem Schlag vor den Hals und davon, dass sie noch mit dem "Rüpel schimpfen wollte". Doch dann sah sie in dem Gesicht ihrer Tochter Blutspritzer, Todesfurcht setzte ein. "Ich hatte Angst um das Leben meiner Tochter", sagt die 63-Jährige.
Seit der Tat ist der rechte Arm der Mutter gelähmt, weil durch den Schnitt ein Nervenstrang durchtrennt wurde. Auch eine Stimmbandlähmung hat sie davongetragen, daher spricht sie nur leise.
Bärbel V. ist noch in verschiedenen Behandlungen, doch Aufgeben ist für sie trotz aller Einschränkungen keine Option. Die vielen Helfer hätten doch viel schlimmere Bilder als sie vor Ort gesehen, sagt sie. Und sie sei froh, dass nicht ihre Tochter, sondern sie selbst die schwereren Verletzungen erlitten habe.
Issa al H. hat den Messeranschlag bereits gestanden
Die Bundesanwaltschaft wirft dem Syrer Issa al H. (27) dreifachen Mord und zehnfachen versuchten Mord vor. Zudem soll er IS-Terrorist sein und der Terrororganisation "Islamischer Staat", die den Terroranschlag für sich reklamierte, die Treue geschworen haben. Der 27-Jährige hat den Messeranschlag vom 23. August 2024 gestanden, zur IS-Mitgliedschaft schweigt er.
- Reporter vor Ort