Harte Zeiten auf der Straße Wie Deutschland Obdachlosen durch die Corona-Krise hilft
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Das Coronavirus hat Deutschland fest im Griff. Besonders Obdachlose trifft es härter denn je. Das Leben auf der Straße ist derzeit unzumutbar. Doch es gibt Lichtblicke in dieser dunklen Zeit.
Hamsterkäufe und ein zunehmend aggressives Verhalten beim Einkaufen zeigen: In der Corona-Krise denken viele Menschen offenbar nur an sich. Dabei leiden Bedürftige wie Obdachlose noch härter unter der Krise. Denn je weniger Menschen auf der Straße unterwegs sind, desto weniger Geldspenden kommen zusammen. Und auch Hygienevorschriften sind in Hilfseinrichtungen teilweise nur schwer einzuhalten.
In vielen Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe beziehungsweise der Kontakt- und Beratungsstellen ist bundesweit das Angebot eingeschränkt worden, wie beispielsweise in Dortmund und Köln. Diese Maßnahme musste eingeführt werden, "um das Infektionsrisiko zu vermindern", wie eine Sprecherin der Stadt Köln t-online.de auf Anfrage mitteilte.
Auch bei der Essensausgabe gibt es deutschlandweit Einschränkungen. Gemeinsame Mahlzeiten innerhalb der Einrichtungen sind nicht mehr erlaubt. Bei den Notschlafstellen versuchen die Städte, die Abstände der dort nächtigenden Personen zu verringern, was aber wohl auch eine Reduzierung der Plätze bedeuten würde.
Doch ohne Hilfe sind die Bedürftigen und Obdachlosen in der Krise nicht. Die Einrichtungen sind verstärkt über E-Mail und Telefon erreichbar. Die Stadt Köln betont, dass sie "mit Hochdruck" daran arbeitet, ein ergänzendes Angebot zur Verfügung zu stellen. So versucht die Verwaltung, leerstehende Wohnungen zu nutzen und ist mit Hoteliers in Gesprächen, heißt es.
Temperatur bei Obdachlosen gemessen
In Frankfurt wollen Stadt und Träger das Angebot für Obdachlose so lange wie möglich aufrechterhalten, sagte eine Stadtsprecherin t-online.de. Doch einzelne Einrichtungen der Obdachlosenhilfe hätten ihr Angebot wegen personeller Engpässe bereits etwas reduziert. Bei denjenigen, die eine Notunterkunft aufsuchen, werde vorab die Temperatur gemessen. Das sei eine Entscheidung des Trägers. Die Stadt suche derzeit eine Liegenschaft, in der Obdachlose in Verdachtsfällen separat untergebracht werden können.
Doch es brauche auch zusätzliche Hilfsangebote. "Wir rechnen damit, dass wir aufgrund der weggefallenen Verdienstmöglichkeiten zum Beispiel durch Flaschensammeln und Betteln zusätzliche Essensangebote machen müssen", so die Stadtsprecherin.
Forderung von "Vereinzelung" der Wohnungslosen
Auch in Düsseldorf versucht man, Obdachlose während der Coronavirus-Pandemie bestmöglich zu schützen. Die Stadt verfügt zwar über Notunterkünfte für Wohnungslose, zwei ehemals geschlossene Einrichtungen haben speziell wegen der Corona-Krise wieder geöffnet. Doch die Unterkünfte werden von den Obdachlosen aus Angst, sich infizieren zu können, gemieden.
"Die Wohnungslosen sind besonders betroffen, weil sie aufgrund ihrer Lebenssituation auf der Straße besonders abwehrgeschwächt sind", erklärt Hubert Ostendorf. Er ist Geschäftsführer und Gründer der Straßenzeitung "fiftyfifty", die von Obdachlosen in der Stadt verkauft wird. Deswegen setzt sich "fiftyfifty" für eine Vereinzelung der Obdachlosen ein. Ihnen sollen Zelte und Schlafsäcke zur Verfügung gestellt werden, damit sie nicht auf Übernachtungen in den Unterkünften angewiesen sind.
Mahlzeitenausgabe für Wohnungslose
Dafür sprechen sich auch Einrichtungen der Stadt Bonn aus. Wohnungslose können sich seit Kurzem kostenlos Schlafsäcke bei der Caritas abholen.
Auch die kostenfreien Mahlzeiten bietet die Bonner Caritas nach wie vor an. Das Essen wird vor den Einrichtungen mit vorgeschriebenem Abstand zueinander ausgegeben. In Dortmund gibt es statt der ursprünglichen Mahlzeitenausgabe innerhalb der Einrichtungen Lunchpakete, in München nennen die sich Care-Pakete. Zusätzlich ist die bekannte "Möwe Jonathan" im Münchner Stadtgebiet unterwegs: ein sogenannter Teebus, der warme Mahlzeiten und Getränke an Bedürftige verteilt.
Für das nötige Kleingeld wird in Dortmund weiterhin das Obdachlosenmagazin "Bodo" verkauft. Nicht mehr auf der Straße, dafür online. Eine digitale Ausgabe gibt es für fünf Euro, die Einnahmen werden den Wohnungslosen übergeben.
Medizinische Versorgung – "ArztMobil" macht weiter
Während die meisten Hilfsangebote für Obdachlose in Hamburg wegen Corona weggefallen sind, macht das "ArztMobil" weiter. Das ehrenamtliche Team aus Ärzten, Krankenpflegern und engagierten Helfern arbeitet von einem Kleinbus aus und kümmert sich um die medizinische Versorgung von Obdachlosen in Hamburg. Auch zu Zeiten von Corona wollen sie ihr Angebot weiterführen – "solange es geht".
Doch auch die "ArztMobil"-Mitarbeiter stehen vor einem Dilemma, wie sie es auf Facebook beschreiben: Zum einen wollen sie helfen, zum anderen auch sich und ihre Familien schützen, heißt es in einem Post. Darin beschreiben sie auch, wie derzeit ihr Alltag aussieht: "Dick vermummt, mit Masken und Overalls machen wir dann eine erstaunlich normale Sprechstunde". Unter den Patienten sei bisher "zum Glück niemand mit Verdacht auf eine Covid-19 Erkrankung".
- Mitteilung des Presseamts der Stadt Köln
- Telefonat mit "fiftyfifty"-Geschäftsführer Hubert Ostendorf
- Informationen der Stadt Frankfurt
- Eigene Recherchen