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Prostitution in der Krise: Hotel statt Bordell


Problematische Entwicklung
Warum immer mehr Prostituierte die Bordelle verlassen

Von Stefan Simon

Aktualisiert am 23.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Luisa sitzt auf dem Bett in ihrem Zimmer: Sie spürt die Veränderungen seit Corona.Vergrößern des Bildes
Luisa sitzt auf dem Bett in ihrem Zimmer: Sie spürt die Veränderungen seit Corona. (Quelle: Stefan Simon/t-online)

Seit Corona haben viele Sexarbeiterinnen die klassischen Etablissements verlassen. Sie nutzen jetzt Hotels. Doch das bringt Probleme mit sich.

Die Corona-Pandemie hat die Arbeit von Luisa und Leyla verändert. Vielleicht sogar für immer. Luisa und Leyla heißen eigentlich anders. Sie wollen beide unerkannt bleiben, denn sie arbeiten in einer Branche, die mit vielen Tabus und Vorurteilen behaftet ist: Luisa ist Prostituierte, Leyla Betreiberin einer Terminwohnung, also einer Wohnung, in der sie Zimmer an Prostituierte vermietet.

Während der Corona-Pandemie waren in Hessen Laufhäuser, Bordelle, Massagestudios und Terminwohnungen über ein Jahr geschlossen. Allerdings hatte die Verordnung in Hessen eine entscheidende Lücke, die das Geschäft mit der Prostitution verändern sollte. Prostitutionsstätten wie Bordelle oder Terminwohnungen mussten schließen. Die Prostitution an sich war jedoch nicht verboten. Also verlagerte sich das Geschäft von den Bordellen in die Hotels. Dort sind die Frauen jedoch schutzlos. Niemand ist dort, um ihnen im Zweifelsfall zu helfen.

Die Frauen bemerkten, dass sie in Hotels oder Airbnb-Appartements weitaus weniger für die Zimmer zahlen mussten als in Bordellen. Der Tagespreis liegt zwischen 40 und 60 Euro, je nachdem, in welchen Häusern die Frauen verkehren, die Monatspauschale liegt bei 1.000 Euro. In den Laufhäusern beträgt der Tagespreis 150 Euro. Weil die Frauen in den anderen Unterkünften also mehr verdienen, kehrten nur wenige in die üblichen Häuser zurück. Und das hat Folgen für Betreiber und für Prostituierte.

Video | Prostituierte: In der Corona-Krise fallen viele von uns durchs Raster
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Quelle: t-online

Monatliche Verluste von bis zu 7.000 Euro

So wie etwa für Leyla. Sie betreibt im Süden von Frankfurt seit über 15 Jahren eine Terminwohnung. Man kann ihr Haus in etwa mit einer Pension vergleichen, nur, dass Leyla kein Frühstück anbietet, sondern fünf Zimmer mit jeweils einem Bondage-Stuhl, der aussieht wie ein gynäkologischer Stuhl beim Frauenarzt sowie ein Sadomasostudio. Dass sich das Geschäft in Hotels und Airbnb-Wohnungen verlagert hat, spürt sie sehr. "Vor der Pandemie waren meine Zimmer für einen Monat komplett ausgebucht. Jetzt habe ich gerade mal zwei Zimmer vermietet", sagt sie im Gespräch mit t-online.

Im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie verliert sie jetzt jeden Monat bis zu 7.000 Euro. In guten Zeiten nahm sie monatlich 13.000 Euro ein. "Ich erwirtschafte mittlerweile so viel, dass ich alle Kosten decken kann", sagt sie. Leyla vermietet die Zimmer in der Regel für sieben Tage. Prostituierte aus ganz Europa kommen zu ihr, mieten sich für 550 Euro in der Woche ein, arbeiten und schlafen auch hier – wenn sie das möchten. Leyla sagt, wenn es so weitergehe, dann müsse sie zum Ende des Jahres ihre Terminwohnung schließen. Und damit sei sie wohl nicht die Einzige. "Alle haben Probleme. Die Zimmer in den Laufhäusern im Bahnhofsviertel sind nur zur Hälfte belegt", sagt Leyla. Doch das ist nicht nur für Wohnungs- und Bordellbetreiber ein Problem, sondern auch für Prostituierte.

Um Prostituierte vor Gewalt und Zwang zu schützen, wurde am 1. Juli 2017 das Prostituiertenschutzgesetz eingeführt. Es wurde eine Anmeldepflicht und die gesundheitliche Beratung geregelt. Prostituierte werden seitdem registriert und bekommen eine Bescheinigung mit Namen, Foto und Meldeadresse, den sogenannten Hurenpass. Bordelle benötigen eine Betriebserlaubnis, dafür gelten Mindestanforderungen, wie etwa ein Notrufsystem in den Zimmern. Außerdem gilt eine Kondompflicht. Gehen die Prostituierten aber lieber in ein Hotel, fällt all das weg. Da Prostitution grundsätzlich nicht strafbar ist, bewegen sich Prostituierte hierbei in einer Grauzone.

In Frankfurt gibt es laut Ordnungsamt insgesamt 24 Prostitutionsstätten mit einer entsprechenden Konzession. Dazu zählen vier Massagestudios, 17 Laufhäuser, eine Terminwohnung sowie zwei FKK-Clubs.

In Hotels gibt es keinen Schutz für Prostituierte

Als die Häuser während der Pandemie geschlossen blieben, hat Luisa von Ersparnissen und Hartz-IV gelebt. Die Prostituierte sitzt neben Leyla am Tisch in der Küche. In ein Hotel wird sie auch in Zukunft nicht gehen. Sie kommt schon seit vielen Jahren zu Leyla. Hier gibt es Regeln. Es ist sauber. "Ich habe hier keine Probleme mit Kunden. Es ist sicher für mich, denn hier wird genau geschaut, wer reinkommt", erklärt Luisa. In den Hotels ist das nicht der Fall. Dort sind die Frauen schutzlos. Luisa kennt einige, die nun in Hotels arbeiten. "Dort verdienen wir mehr, klar. Du zahlst ja viel weniger für ein Zimmer, aber du kannst abgezockt werden", sagt sie. Wer kontrolliert die Männer in den Hotels? Niemand.

Leyla erzählt die Geschichte einer jungen Asiatin. "Nachdem die Arbeit getan war, wollte sie das Geld von dem Mann. Doch der sagte ihr, dass sein Geld in seiner Jackentasche war und nun weg sei. Er drohte ihr mit der Polizei und ging einfach. Die wissen genau, dass die Frauen in den Hotels illegal arbeiten und nutzen das aus."

Wie hat sich die Arbeit für Luisa verändert? Sie überlegt kurz und schnauft. "Die Gäste sind schwieriger geworden. Ich glaube, dass sie sich an die Frauen in den Hotels gewöhnt haben", erzählt sie. Manchmal erhält Luisa Anfragen, ob Analsex ohne Kondom möglich sei, andere wollen über feste Preise verhandeln oder gar nicht bezahlen. Luisa lächelt. "Die Stunde kostet 150 Euro. Einer sagte mal zu mir: 'Wenn du mir die Stunde für 100 gibst, dann komme ich zweimal die Woche.' Ok, erzählen kannst du viel", sagt sie. "Nicht mal den Stammgästen kommst du so entgegen."

Doch was müsste sich ändern, damit das Geschäft nicht komplett in die Illegalität abdriftet? "Hotels und Appartements müssen kontrolliert werden. Ganz einfach", sagt Leyla. Doch Kontrollen finden kaum statt. Dasselbe gilt für Prostitutionsstätten. Dazu gibt es Terminwohnungen ohne Konzession. "Seit das Prostituiertenschutzgesetz eingeführt wurde, 2017, wurde ich siebenmal kontrolliert", erzählt Leyla. Sieben Kontrollen in sechs Jahren.

Das Ordnungsamt hingegen scheint machtlos zu sein. Das liegt an den Regelungen der Sperrgebietsverordnung. Sie unterteilt Städte in Sperrzonen, gemischte Sperrzonen und Toleranzzonen. Der größte Teil Frankfurts ist gemischte Sperrzone. Dort sind Großbordelle, Massagesalons oder Clubs nicht gestattet. Wohnungsprostitution ist im Allgemeinen zulässig, allerdings sind die Vorschriften der Hessischen Bauordnung zu beachten.

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Kontrollen finden statt, doch Zahlen nennt das Ordnungsamt nicht

Auf Anfrage von t-online teilt das Ordnungsamt mit, dass Kontrollen stattfinden. Doch wie viele Prostituierte sich in Hotels oder Airbnb-Wohnungen einmieten, darauf gibt das Ordnungsamt keine Auskunft. Wenn die Stadtpolizei bei Kontrollen fündig wird, dann liegt meist ein Verstoß gegen die Bauordnung vor oder eine Ordnungswidrigkeit nach der Ferienwohnungssatzung.

Befindet sich ein Hotel in einer Toleranzzone, dann kann das Ordnungsamt hier wenig machen. Denn Wohnungsprostitution sei "nicht per se unzulässig", heißt es. Sprich: Die Prostituierten bewegen sich in einer Grauzone.

Für Leyla steht fest, dass mehr Kontrollen etwas verändern könnten. "Ich denke, dass würde vielleicht mal die Frauen abschrecken, die in den Hotels sitzen. Denn die wissen genau, dass niemand kommt."

Verwendete Quellen
  • Gespräch vor Ort mit Leyla und Luisa
  • Eigene Recherche
  • fr.de: Prostitution im Bahnhofsviertel: Das Geschäft läuft weiter
  • prostituiertenschutzgesetz.info: Zusammenfassung der Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe
  • Anfrage an das Ordnungsamt Frankfurt
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