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Hamburger Behörde bleibt hart: Mann muss weiter Vorname von Adolf Hitler tragen


Hamburger wollte anders heißen
Staat pocht auf Vorname: Der Adolf bleibt

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 19.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Adolf Hitler: Sein Vorname ist nicht untrennbar mit den Gräueltaten des Nazi-Regimes zu verknüpfen, meinte das Standesamt in Hamburg – Namensänderung abgelehnt.Vergrößern des Bildes
Adolf Hitler: Sein Vorname ist nicht untrennbar mit den Gräueltaten des Nazi-Regimes zu verknüpfen, meinte das Standesamt in Hamburg – Namensänderung abgelehnt. (Quelle: imago images)

Ein Mann muss weiter "Adolf" heißen, weil ihn der Name nicht nachweislich krank macht. Die Begründung geht zurück auf ein Gesetz unter Adolf Hitler, das Justizminister Buschmann jetzt ändern will.

Unterschiedlicher als in Taiwan und Hamburg könnten Probleme in Bürgerämtern kaum sein: In Taiwan machen Namensänderungen den Beamten viel Arbeit, wenn Einwohner in Massen spontan lieber wie ein Fisch heißen wollen. Im Februar 2021 löste eine Restaurantkette mit einer PR-Aktion eine Welle von Namensänderungen aus, die als "Lachs-Chaos" bekannt wurde: Wer "Lachs" im Namen führte, durfte umsonst essen. Seitdem gibt es in Taiwan in dreistelliger Zahl neuer Herr und Frau Lachs – zumindest wenn sie sich nicht schon wieder umbenannt haben. Es ist ja ganz einfach.

In Hamburg muss ein Mann dagegen mit zweitem Vornamen weiterhin Adolf heißen, obwohl er das absolut nicht will. Da macht Verwaltungsmitarbeitern die Begründung viel Arbeit, warum er den verhassten Vornamen wegen eines Gesetzes behalten muss, das unter Adolf Hitler beschlossen wurde. Das Gesetz von 1938 sollte verhindern, dass Juden sich durch nicht-jüdische Namen der Stigmatisierung und Verfolgung entziehen. Wegen eines Antrags nach dem Informationsfreiheitsgesetz musste Hamburgs Innenbehörde die Begründung jetzt veröffentlichen. Sie ist auf dem Transparenzportal "fragdenstaat.de" erschienen.

Name sollte prominenten Ahnen ehren

Die Vorgeschichte ist schnell erzählt und stand schon mal im "Stern": "Felix Adolf" wurde vor mehr als 40 Jahren ein Hamburger mit Vorname getauft. Es gab einen prominenten Ahnen "Adolf", der über Generationen so gewürdigt wurde. Papa Adolf war deshalb auch nicht verdächtig, mit der Namensgebung für Adolf Junior Hitler huldigen zu wollen. Aber genau diesem Verdacht sieht sich Felix Adolf ausgesetzt. Schon mit 18 Jahren nach Vaters Ableben wollte er erstmals den Namen ablegen, hatte aber damals bereits keinen Erfolg.

Doch wann begegnet man schon mal seinem zweiten Vornamen? Felix Adolf passiert das nach seinen eigenen Angaben seit wenigen Jahren Hunderte Male im Monat. Das ist sehr oft, und deshalb schreiben wir zumindest in diesem Text nur noch Felix A.

Der Unternehmer macht für seine Firma die Buchführung und hat da naturgemäß ständig mit Bankunterlagen zu tun. "Als Folge geänderter gesetzlicher Vorschriften" führt das kontoführende Institut bei allen Kontoauszügen und Überweisungen sämtliche Vornamen auf, erklärte er. Und da lässt sie auch nicht mit sich reden. Geschäftspartner hätten ihn auch schon gefragt, ob er wirklich diesen zweiten Vornamen trage und warum.

Bis zu 410 Euro Gebühren für Änderung

Felix A. wollte also den A. loswerden und fragte das Land Hamburg an.

Da wollte man aber lieber gar nicht entscheiden und warnte im Vorbescheid: Wenn er wirklich eine Entscheidung wolle, dann werde er eine Ablehnung bekommen, und die sei teuer dazu: Die Verwaltungsgebühr könne bis zu 410 Euro betragen, Gebühren für andere nötige Dokumente nicht eingerechnet – und bei Rücknahme oder Ablehnung werde mindestens die Hälfte trotzdem fällig.

Felix A. war es das wert. Er brachte die geforderten Unterlagen. Und das sind in so einem Fall:

  • Eine beglaubigte Abschrift aus dem Geburtenregister ("aktuell, nicht älter als vier Wochen"),
  • eine Meldebescheinigung über die Wohnsitze der letzten fünf Jahre ("lückenlos, aktuell, nicht älter als vier Wochen"),
  • ein Führungszeugnis ("Belegart 0, aktuell, nicht älter als drei Monate, Quittung als Nachweis genügt"),
  • die Geburtsurkunde des minderjährigen Kindes (in Kopie),
  • und gegebenenfalls ärztliche Atteste im Original.

Doch es darf nicht irgendein Attest sein. Sein Kardiologe hatte Felix A. bestätigt, dass er immer wieder erhöhten Blutdruck hat ohne entsprechende organische Krankheiten. Der "A." treibt dem Mann den Blutdruck nach oben, es gibt eine psychosomatische Erklärung. Damit es Felix A. gut gehe, müsse der A. weg.

Sah man in der Amtsstube nicht so. Man drückte zwar dem beauftragten Anwalt Bedauern aus, "dass Ihr Mandant unter gesundheitlichen Problemen leidet". Aber um den A. zu tilgen, reiche der Verwaltung die Expertise des Herzspezialisten nicht. "Es wäre das Attest eines Facharztes für Psychiatrie oder eines psychologischen Psychotherapeuten erforderlich."

Und beim Namen an sich dramatisiere Felix A., fand man in der Verwaltung. Schließlich gebe es doch auch gute "A.s", Wissenschaftler und Künstler und sogar Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus, heißt es in der Antwort.

Schaut man in Wikipedia nach, dann reißt dort die große Zeit der Männer mit diesem Namen 1945 abrupt ab: 162 prominente Namen sind aufgeführt, nach 1945 wurden nur sechs davon geboren. Gefühlt sind die alle Österreicher und haben was mit Fußball zu tun.

Im Amt fand man dennoch, Felix betrachte seinen "A." "bewusst zu eindimensional". Der Name sei nicht "explizit und ausschließlich mit Adolf Hitler in Verbindung zu bringen und untrennbar [mit den] (...) Greueltaten (sic) des Nazi-Regimes zu verknüpfen".

Namensänderungsgesetz richtete sich gegen Juden

Für die Entscheidung kommt jetzt das Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5. Januar 1938 zum Tragen. Eine Analyse des Landes Berlin dokumentiert die Entstehung: Als das Gesetz nach langem Drängen der größten Antisemiten beschlossen war, hielt es fest, was bis dato nur in einem Ministerialblatt für die Verwaltung zu lesen war: Jede Namensänderung verschleiere die blutmäßige Abstammung. Juden mit jüdischen Namen könnten unverdächtige nicht-jüdische Namen annehmen und so die Rassengesetze unterlaufen. "Eine Namensänderung kann daher nur dann erfolgen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Namensänderung rechtfertigt."

Es braucht also seither einen "wichtigen Grund". Und den konnte die Hamburger Verwaltung gut 80 Jahre später bei Felix A. nicht sehen. Das Interesse des Staates, dass Felix mit seinem zweiten Namen weiterhin A. heißt, liegt also höher als sein schutzwürdiges Interesse. A., er ist weiter da.

Als die Ablehnung in Hamburg kam, lag in Berlin im Bundesjustizministerium bereits anderthalb Jahre ein Eckpunktepapier zur Reform des Namensrechts. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Lehre, Justiz und Verwaltung hat ihre Vorschläge im Februar 2020 vorgelegt. "Bürgerinnen und Bürger wünschen sich klare Regeln und einfachere Möglichkeiten zur Namensänderung", heißt es in der Vorlage.

Justizminister Marco Buschmann arbeitet an Änderung

Statt eines "wichtigen Grundes" soll für die Namensänderung ein "anerkennenswerter Grund" genügen. Der Vorschlag geht sogar so weit, dass schon der Wunsch anerkennenswert sein könnte, einmal binnen zehn Jahren seinen Namen zu ändern.

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Davon war sehr lange nichts mehr zu hören. Im September 2022, bei der ersten Lesung des Haushalts für das Justizministerium im Bundestag, kündigte Justizminister Marco Buschmann (FDP) an: "Wir werden (...) im Namensrecht und vor allem im Familienrecht in den kommenden Monaten daran arbeiten, das Recht endlich auf die Höhe der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu bringen." Und am Sonntag kündigte Buschmann an, bald tatsächlich bald einen Gesetzentwurf für eine Reform des Namensrechts vorzulegen. Er spricht vor allem von Nachnamen, will Eheleuten ermöglichen, ihre Verbundenheit durch einen gemeinsamen Doppelnamen zum Ausdruck zu bringen.

Aber vielleicht muss dann auch niemand mehr staatlich verordnet Adolf heißen.

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