Sexualisierte Gewalt Pastor missbrauchte Minderjährige – Landesbischof räumt Fehler ein

Der frühere Pastor Klaus Vollmer der Landeskirche Hannover soll mehrere Jugendliche sexuell missbraucht haben. Ein neuer Bericht offenbart strukturelle Versäumnisse – und eine späte Entschuldigung vom Landesbischof.
Der prominente evangelische Pastor Klaus Vollmer der Landeskirche Hannover hat nach Erkenntnissen einer unabhängigen Kommission über Jahre hinweg sexualisierte Gewalt ausgeübt – auch gegenüber Minderjährigen.
Wie aus dem aktuellen Bericht hervorgeht, beging der 2011 verstorbene Geistliche in mindestens fünf Fällen sexuellen Missbrauch. Ein Betroffener war zum Zeitpunkt der ersten Übergriffe erst 13 Jahre alt.
Versäumnisse bei Aufarbeitung durch die Kirche
Bereits 2017 seien erste Vorwürfe gegen den früheren Pastor laut geworden – doch eine unabhängige Kommission sei damals nicht umgehend eingesetzt worden. Zudem sei eine Mail eines Betroffenen im Jahr 2019 von einer Führungsperson der Kirche nicht weitergeleitet worden, wie aus dem Bericht hervorgeht. Gegen diese Person läuft derzeit ein Disziplinarverfahren.
Die Untersuchung offenbart auch strukturelle Gewalt innerhalb der sogenannten Bruderschaft, die der Geistliche in Hermannsburg (Landkreis Celle) gegründet hatte. Laut Bericht wurde Vollmer nicht nur gegenüber Minderjährigen übergriffig, sondern auch gegenüber mindestens elf volljährigen Männern, zu denen ein seelsorgerisches Verhältnis bestand – sexuelle Kontakte sind in solchen Konstellationen nicht erlaubt.
Landesbischof bittet um Entschuldigung
Landesbischof Ralf Meister hat die Verantwortung früherer Kirchenführer eingeräumt. Seine Vorgänger Hanns Lilje und Horst Hirschler hätten den Mann gewähren lassen. Vollmer habe "unter dem Dach der Landeskirche" grundlegende Rechte außer Kraft gesetzt, so Meister: "Ich bitte im Namen der Landeskirche um Entschuldigung."
In einem Nachruf nach dem Tod des Beschuldigten im Jahr 2011 hatte die Landeskirche noch dessen "besondere Gabe, junge Menschen zu gewinnen" hervorgehoben. Die Leiterin der Aufarbeitungskommission, Ulrike Wagner-Rau, zeichnete nun ein anderes Bild: Der Mann habe seine seelsorgerische Stellung missbraucht. Gespräche, körperliche Nähe und Gebete seien miteinander verwoben gewesen – Frauen hingegen seien in der Gemeinschaft abgewertet worden.
Weitere Studien geplant
Bischof Meister kündigte an, auch die Rolle aller früheren Landesbischöfe seit 1945 untersuchen zu lassen – darunter auch seine eigene und die seiner Vorgängerin Margot Käßmann. Ziel sei es, den Umgang mit sexualisierter Gewalt und Macht in der Landeskirche systematisch aufzuarbeiten.
Der Bericht verweist zudem auf Zahlen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Laut der Anfang 2024 veröffentlichten Forum-Studie gab es mindestens 1.259 beschuldigte Mitarbeitende und über 2.200 betroffene Kinder und Jugendliche – die Autoren sprechen dennoch nur von der "Spitze der Spitze des Eisbergs". Die Landeskirche Hannover hatte ihre Zahlen im vergangenen Jahr auf mindestens 190 Betroffene in der Region seit 1945 korrigiert.
Kritik von Betroffenenvertretung
Eine Gruppe von Betroffenen hatte bereits mehrfach den Rücktritt von Bischof Meister gefordert – mit dem Vorwurf, er nehme die Aufarbeitung nicht ernst genug. Meister weist diese Kritik zurück und spricht von einem notwendigen Kulturwandel.
Nancy Janz, Betroffenenvertreterin im EKD-Beteiligungsforum, äußerte sich skeptisch: "Wer Kulturwandel predigt, muss ihn auch leben", sagte sie der dpa. Es fehle offenbar nicht nur an Haltung, sondern auch am Verständnis für echte Veränderung, wenn das Thema sexualisierte Gewalt beim Kirchentag mit Schweigen behandelt werde.
Janz selbst wurde 1997 als 17-Jährige Opfer sexualisierter Gewalt durch einen kirchlichen Mitarbeiter, der später ebenfalls Pastor der Landeskirche Hannover wurde. Sie arbeitet heute in Bremen.
- Nachrichtenagentur dpa
- Dieser Text wurde teilweise mit maschineller Unterstützung erstellt und redaktionell geprüft. Wir freuen uns über Hinweise an t-online@stroeer.de.