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Streik in Kiel: Was treibt die Menschen wieder auf die Straße?


Streik legt Stadt lahm
Kieler gehen auf die Straße – "das Angebot ist frech und traurig"

Von Sven Raschke

19.10.2020Lesedauer: 3 Min.
Nachrichten
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Hildegard Voß: Für sie geht Wertschätzung nicht nur über Worte.Vergrößern des Bildes
Hildegard Voß: Für sie geht Wertschätzung nicht nur über Worte. (Quelle: Sven Raschke)

In Kiel wurde am Montag erneut gestreikt. Coronabedingt war die Demo stark eingegrenzt – über 1.000 Menschen gingen dennoch auf die Straße. Von Erzieher bis Azubi

Zu Beginn der Woche stand in Kiel wegen einer erneuten Demonstration im öffentlichen Dienst vieles still. Ab kurz vor 9 Uhr morgens waren die Demonstranten von Stadtwerken, Städtischem Krankenhaus und Verdi-Zentrale aus im Sternmarsch zum Exerzierplatz gezogen. Zwar wäre der Protest auf dem Kieler Exerzierplatz ohne die Corona-Beschränkung womöglich größer ausgefallen.

Dennoch haben Bewohner den landesweiten Streik zu spüren bekommen. Geschlossene öffentliche Kitas, längere Wartezeiten auf den Ämtern oder gleich ganz geschlossene Türen, ungeleerte Abfalltonnen. Auch Busfahrer, Krankenhaus- und Rettungsdienstmitarbeiter, Sparkassen-, Theater- und Stadtwerke-Beschäftigte sowie viele weitere städtische Angestellte beteiligten sich daran und legten die Arbeit nieder.

Doch was treibt die Angestellten dazu? t-online hat mit den Menschen vor Ort gesprochen.

Petrick Paproth, 30, Erzieher

"Es heißt immer, wir sind systemrelevant und müssen den Laden am Laufen halten. Auf der anderen Seite kommt nichts außer Applaus dabei rum. Es ist ja nicht nur das Finanzielle. Es sind auch die Bedingungen in den Kitas. Die sind mehr belastend als fördernd, auch für die Kinder. Und wir fordern auch mehr Anerkennung und Respekt für unsere Arbeit."

Martin Junggeblut, 43, Informatiker bei den Stadtwerken

"Die Einstellung der Arbeitgeber ist: Küsst uns die Füße und seid froh, dass ihr einen Job habt. Aber wir lassen uns nicht über den Tisch ziehen. Wir wollen ein faires Angebot. Und bei der Ausbildung muss sich was tun. Da müssen sich die Bedingungen verbessern."

Zoe Eller, 24, Auszubildende Elektronikerin bei den Stadtwerken

"Ich bin im dritten Lehrjahr und bald fertig. Der Sparzwang sorgt dafür, dass immer weniger von uns übernommen werden, beziehungsweise nur befristet für 18 Monate. Das ist total absurd. Es ist zwar grade Krise, aber das bedeutet nicht, dass wir zukünftig keine Fachkräfte brauchen. Wir wollen unbefristet übernommen werden."

Hans-Martin Glashoff, 59, Industriekaufmann bei der Müllverbrennung

"Mich stört vor allem der Personalabbau. Die Anlage wird im Moment mit zu wenig Menschen betrieben. Der Arbeits- und Zeitdruck wird immer größer. Wenn jemand ausfällt, dann wird’s schwierig. Irgendwie ging es bisher trotzdem immer, aber so kann es nicht weitergehen."

Umut Yaprak, 35, Prüfstatiker:

"Ich bin vor allem aus Solidarität hier. Wir haben Kollegen in der Stadt, die ein duales Studium machen und nicht wie die regulären Auszubildenden im Tarifvertrag mit abgedeckt sind. Die sind praktisch in einem Knebelvertrag, und wenn sie ihre Ausbildung abbrechen oder nicht schaffen, müssen sie sogar Geld zurückzahlen. Ich persönlich bekomme von der Stadt 70 bis 80 Prozent von dem, was ich in der Freien Wirtschaft kriegen würde. Da will ich zumindest die 4,8 Prozent, die wir fordern."

Hildegard Voß, 56, Krankenschwester:

"Wir sind der Meinung, dass wir das verdient haben. Wertschätzung geht nicht immer nur über Worte. Ich finde, dass die Krankenpfleger im öffentlichen Dienst während Corona extrem viel geleistet haben. Und dass wir jetzt so ein Angebot bekommen, das auch noch so spät kommt – das finde ich geradezu frech und auch traurig."

Dirk Schwerin, 44, Verwaltungsfachangestellter

"Wir wollen faires Geld für faire Arbeit. Und wir wollen auch für unsere Kollegen im Osten endlich gleiches Geld für gleiche Arbeit. Die müssen immer noch eine Stunde mehr in der Woche arbeiten. Das Angebot ist eine Frechheit. Ich weiß nicht, was das für Leute sind, dass sie so etwas überhaupt vorschlagen."

Bund und Kommunen haben den Angestellten zuletzt eine Lohnerhöhung um 3,5 Prozent innerhalb von drei Jahren angeboten. Für die Gewerkschaften ist das deutlich zu wenig. Sie fordern für die rund 2,3 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen unter anderem eine Anhebung der Einkommen um 4,8 Prozent, beziehungsweise einen Mindestbetrag von 150 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Ausbildungsvergütungen und Praktikantenentgelte sollen um 100 Euro monatlich angehoben werden. Am Donnerstag gehen die Verhandlungen in die dritte Runde.

Verwendete Quellen
  • Gespräche vor Ort
  • Eigene Recherche
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