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Kiel: In diesem Theater spielt das Publikum mit – per Videochat


"Wie Escape-Room"
In diesem Theater spielt das Publikum mit – per Videochat

Von Sven Raschke

Aktualisiert am 14.11.2020Lesedauer: 4 Min.
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Sebastian Kreuzer bei der Probe: Das Kieler Theater will ein besonderes digitales Format ausprobieren.Vergrößern des Bildes
Sebastian Kreuzer bei der Probe: Das Kieler Theater will ein besonderes digitales Format ausprobieren. (Quelle: Theater Kiel)

Das Theater Kiel nutzt den Teil-Lockdown für ein Experiment. Statt Vorstellungen zu streamen, sollen Zuschauer den Helden des Stücks per Chat anleiten. Was steckt dahinter?

Wie praktisch alle Kulturbetriebe ist auch das Theater Kiel durch den Lockdown weitestgehend lahmgelegt. Statt die üblichen Vorführungen einfach zu streamen, hat man sich dort ein besonderes Programm überlegt, das die interaktiven Möglichkeiten des Internets nutzt. Seit 14. November führt das Ensemble des Jungen Theaters im Werftpark "Golem 24143" auf. Der Darsteller Sebastian Kreuzer filmt sich per Laptop-Kamera selbst. Die Zuschauer greifen von zu Hause aus per Videochat und Anrufen in die Handlung ein.

"Golem funktioniert ein bisschen wie Escape Room", erklärt Ulrike Eberle, Sprecherin des Theaters, das Konzept. Die Handlung ist an den Roman von Gustav Meyrink angelehnt. 24143 steht für die Postleitzahl von Gaarden. Der Held Athanasius Pernath hat sein Gedächtnis verloren und versucht, gemeinsam mit den Zuschauern die Handlung zu einem glücklichen Ausgang zu bringen. Dazwischen werden Aufzeichnungen von anderen Darstellern eingespielt. "Wir könnten mit den Mindestabständen zwar problemlos spielen“, sagt Eberle, "aber mehr als der Protagonist passen nicht vor die Laptop-Kamera".

"Wir tauchen da in ein ganz anderes Medium ein", sagt Darsteller Sebastian Kreuzer. "Im Internet ist die Aufmerksamkeitsspanne sehr kurz. Wir haben uns gefragt: Wie kann man sie halten? Unser Versuch ist, das in einem Spiel zu verpacken."

Die Idee, auf der das Ergebnis beruht, kam Kreuzer während des ersten Lockdowns. "Da haben wir fieberhaft überlegt, was man machen könnte, und ich habe vorgeschlagen: Man könnte doch mal was über Internet machen." Die konkreten Planungen liefen dann im September an, als noch niemand etwas vom kommenden Lockdown wusste. "Das war wirklich Zufall", sagt Sprecherin Eberle. "Gehofft hat das natürlich niemand. Es war ein bisschen Zufall, ein bisschen Glück und ein bisschen Planung – auch unter dem Gedanken: Wie könnte das Theater der Zukunft aussehen?"

"Eine andere Art des Erlebens"

"Es ist eine ganz andere Art des Spielens", beschreibt Darsteller Kreuzer die Erfahrung aus den Proben. "Normalerweise hat man ein Publikum. Die Leute im Chat reagieren auch, aber anders als im Theatersaal. Dort höre ich, wenn jemand hustet, lacht oder erschrocken ist. Jetzt hat man manchmal das Gefühl, es passiert grad gar nichts bei den Zuschauern – aber ich glaube, das täuscht. Es ist so nicht besser oder schlechter, es ist nur eine andere Art des Erlebens."

Auch mit der Technik hätten er und seine Kollegen sich erst einmal auseinandersetzen müssen. Kreuzer: "Wie kriegt man Töne und Einspieler integriert? Welche Programme benutzen wir? Und was müssen wir beim Datenschutz beachten? Dadurch war für mich als Schauspieler der Anteil des Spielens kleiner als der des Austüftelns und Organisierens."

Vormittags laufen die Vorstellungen für Schulklassen, abends und an den Wochenenden für den freien Verkauf. Pro Aufführung können 15 Zuschauer mitspielen. Termine sind zunächst für November, Dezember und, wenn es gut läuft, auch darüber hinaus geplant. Es gebe bereits einige Buchungen, so Sprecherin Eberle, aber auch noch viele offene Plätze.

Die Verluste durch die Schließung jedoch lassen sich angesichts der begrenzten Zuschauerzahl in keinem Fall auch nur ansatzweise ausgleichen. "Aber darum geht es dabei auch nicht", so Eberle. "Wir zeigen damit: Wir drehen nicht Däumchen und lamentieren über die Situation. Das Theater steht nicht still."

Die Kernkompetenz des Theaters bleibe aber das Spiel auf der Bühne vor Publikum, so Eberle. Normale Premieren werden deshalb bis auf Weiteres nicht im Internet gestreamt.

Das könnte sich allerdings ändern, falls der Lockdown über den November hinaus verlängert wird. Eberle: "Als öffentlich geförderte Bühne haben wir das Glück, dass die Stadt auf jeden Fall hinter uns steht – auch finanziell. Aber wir sind auch einer der wichtigsten Arbeitgeber für die freischaffende Kulturszene."

Das Theater – ein wichtiger Arbeitgeber

Das heißt: Wenn keine Vorstellungen gegeben werden können, haben Soloselbstständige wie Gastschauspieler, Kostümbildner, Bühnenbildner, Regisseure, Choreografen und Gastsänger keine Arbeit. Die Zwangsschließung kann man beim Theater Kiel deshalb nicht nachvollziehen. Eberle: "Die Theater haben sich genauso wie die Kinos und die Gastronomie extrem bemüht, Sicherheits- und Hygienekonzepte zu erstellen, die sicher sind. Das hat alles sehr gut funktioniert. Es gab in Theatern noch keine nachgewiesenen Ansteckungen. Wir sind sichere Orte."

Die Hoffnung des Theaters Kiel liegt jetzt darin, dass man ab 1. Dezember wieder spielen kann. Eberle: "Dann hätten wir die Chance, alles Geplante nachzuholen und auch unsere vertragliche Verpflichtung mit den Künstlern einzuhalten."

Zunächst einmal freuen sich alle Beteiligten aber auf die Premiere am Sonnabend. "Ich bin sehr gespannt und auch ein bisschen aufgeregt", sagt Kreuzer. "Wir hatten schon einen Durchlauf mit einem Testpublikum. Das Spannende ist auch, dass jedes Publikum anders reagiert – ich muss da immer sehr spontan reagieren – das hält wach."

Verwendete Quellen
  • Webseite der Veranstaltung
  • Gespräch mit Ulrike Eberle und Sebastian Kreuzer
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