1. FC Köln Baumgart: "Nicht hinstellen und sagen, ich bleibe ewig"
Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Steffen Baumgart muss den 1. FC Köln wieder auf Kurs bringen und gleichzeitig die neue Saison planen. Wie der 51-Jährige damit umgeht, verrät er im Interview.
t-online: Herr Baumgart, wie nehmen Sie das Umfeld des 1. FC Köln gerade wahr?
Steffen Baumgart: Alle sorgen sich, und das berechtigterweise. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass hier alle "on fire" sind.
Macht man sich beim FC auch intern Sorgen?
Wir wissen, wo wir hinwollen und trauen uns das auch zu 100 Prozent zu. Wir zittern nicht alle. Und ich habe auch nicht das Gefühl, dass im internen Kreis mit Christian Keller, Thomas Kessler und meinem Trainerteam jemand unruhig wird. Jeder weiß, was zu tun ist.
Sie haben Ihre Art von Fußball immer so beschrieben wie Jürgen Klopp. Die Lust am Gewinnen muss größer sein als die Angst am Verlieren. Ist es aktuell schwieriger, den Spielern das zu vermitteln?
Ganz klar, ja. Die Spieler wollen – das ist zu sehen. Jetzt merkt man aber schon, dass die Jungs sich Gedanken machen. Viele Sachen gehen nicht mehr so einfach von der Hand. Wir alle müssen uns da rausarbeiten – und einige Spieler sind auch persönlich nicht zufrieden. Das ist menschlich. Aber, und davon bin ich überzeugt: Es wird wieder funktionieren.
Was müssen Sie als Trainer jetzt tun?
Am Ende muss jeder in einer solchen Situation bei sich bleiben. Das hat mir auch als Spieler immer geholfen. Ich habe mich nicht beeindrucken lassen, bin vorausgegangen. Du musst dir Gedanken machen, was jetzt die wichtigen Elemente, die einfachen Sachen sind.
Das können manche Spieler besser als andere.
Wir schauen immer sehr genau hin, wen wir auf dem Platz haben wollen. Das hat nichts mit dem System zu tun, sondern damit, wem wir am meisten zutrauen, dass wir gegen Gladbach erfolgreich sein können. Welche Jungs sind in der Lage, das Einfache abzurufen, um wieder in ruhige Fahrwasser zu kommen? Darauf schauen wir sehr.
Unabhängig von der aktuellen Situation will man beim FC mit Ihnen verlängern. Wann ist es so weit?
Es ist alles besprochen. Wenn es dazu kommen sollte, dass der FC mit mir weitermachen will, wird es keine großen Gespräche geben. Das haben wir schon besprochen und es wird keine Verhandlungen mehr geben. Trotzdem sollten wir die aktuelle Situation nicht aus den Augen verlieren.
Das heißt, wenn der FC die jetzige Krise hinter sich lässt, werden Sie bis 2025 verlängern?
Richtig. Das heißt aber nicht, dass wir zum Freiburger Modell übergehen und jedes Jahr um ein weiteres Jahr verlängern. Wenn der FC will, werde ich bis 2025 verlängern. Danach möchte ich mir offenhalten, etwas anderes zu machen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich hier nicht gerne bin. Ich will mich nur nicht hinstellen und sagen: Ich bleibe ewig.
Sie waren vier Jahre in Paderborn. 2025 wären Sie vier Jahre in Köln. Sind vier Jahre die Zeitspanne, die Sie bei einem Verein sein wollen?
Davon sind wir ja noch weit weg. Vor vier Wochen hat jeder gehofft, dass der Trainer verlängert. Jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass einige sagen: Wartet doch noch ein bisschen ab! Aber grundsätzlich überlegst du nach vier Jahren natürlich, was du machen möchtest.
Mit Blick auf den Sommer müssen Sie auch den neuen Kader planen. Die Länderspielpause im März ist in der Regel ein Zeitpunkt, an dem einige Entscheidungen fallen. Auch beim FC?
Diese Dinge laufen das ganze Jahr über im Hintergrund. Der Prozess, eine Mannschaft zu entwickeln, zu gucken, wo man Potenzial sieht, ist nicht von einer Länderspielpause abhängig.
Nach welchen Qualitäten halten Sie denn bei potenziellen Neuzugängen Ausschau?
In erster Linie müssen die Spieler zu uns wollen. Die Art und Weise, wie wir Fußball spielen, musst du jeden Tag wollen. Wenn du jeden Tag auf diese Art und Weise trainierst, tut das weh. Die Spieler müssen darüber hinaus Fähigkeiten haben, die unserem Spiel entgegenkommen. Sie brauchen eine vernünftige Geschwindigkeit, Zweikampfhärte und das Vermögen, laufen zu können. Und dann kommt es auf die Position an.
Zum Beispiel?
Wie stellen wir uns einen Innenverteidiger vor? Muss er unbedingt schnell sein? Das wäre zwar gut, aber es wäre auch nicht schlecht, wenn er den Ball von A nach B bringen kann. Wir wollen auch keinen Zehner, der nur mit dem Arsch wackelt. Unser Zehner muss auch anlaufen können. Vorne haben wir mit Steffen Tigges, Davie Selke und Florian Dietz drei große Mittelstürmer. Vielleicht brauchen wir aber auch einen vierten, der noch andere Eigenschaften mitbringt. Als schnellen Spieler drumherum haben wir mit Linton Maina im Moment nur einen. Wir haben auch keinen guten Eins-gegen-Eins-Spieler. Wir denken also über einige Sachen nach.
Im vergangenen Sommer hat der FC mit Denis Huseinbasic eine echte Überraschung aus dem Hut gezaubert. Inzwischen ist er U21-Nationalspieler. Haben Sie schon den nächsten Huseinbasic gefunden?
Ich würde gerne hoffen, dass es den nächsten geben wird. Wir legen völlig zu Recht sehr großen Wert auf unsere Nachwuchsarbeit, aber wenn du wie jetzt in eine schwierige Phase kommst, brauchst du auch erfahrene Spieler wie Jonas Hector, Florian Kainz oder Benno Schmitz. Die Balance muss stimmen. Die Bundesliga hältst du nicht mit Nachwuchsspielern.
Hat der FC die Abgänge von Anthony Modeste und Salih Özcan sowie den Ausfall von Mark Uth unterschätzt?
Von den 52 Toren, die wir in der vergangenen Saison erzielt haben, waren Mark Uth und Anthony Modeste für die Hälfte verantwortlich. In dem Teich, in dem wir schwimmen, findest du auf Anhieb keinen Stürmer, der dir zehn bis 15 Tore garantiert. Mit Tiggi und Sargis haben wir zwei Spieler mit Potenzial geholt. Wenn ihnen dann auch noch der Spieler fehlt, der die Tore normalerweise vorbereitet, wird es schwieriger. Marks Ausfall wiegt richtig schwer. Einen Zehner zu haben, der das hat, was Mark hat, findest du nicht in der Bundesliga. Wenn der dir ein Jahr ausfällt, ist das nicht zu kompensieren.
Wenn man jetzt bedenkt, dass Uths Zukunft wegen seiner Verletzung noch unklar ist und im Sommer auch noch Ellyes Skhiri und Jonas Hector den Verein verlassen könnten, wird so manchem FC-Fan etwas mulmig. Wie wäre das für den Verein noch zu kompensieren?
Gar nicht. Allein die Charaktere bekommen wir auf keinen Fall aufgefangen. Ellyes ist ein Vorbild. Er läuft nicht durch die Kabine und macht Stimmung. Aber allein, wie und wann er arbeitet, wie ehrgeizig er ist, ist für alle eine Messlatte. Jonas ist nicht einfach nur wichtig. Er ist der Kopf. Es gibt Spieler, die stehen über den Dingen. So einen besonderen Spieler wie Jonas gibt es kein zweites Mal. Auch wenn er das gar nicht will: Er ist das Licht.
- Das vollständige Interview mit Steffen Baumgart erschien am 25. und 26. März 2023 zunächst beim GEISSBLOG.