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Köln: Peter Brings über ausbleibende Konzerte in der Corona-Krise


Brings – auf den Punkt
Leben wir noch, nachdem wir überlebt haben?

  • Peter Brings: Leadsänger der kölschen Rockband Brings
MeinungVon Peter Brings

Aktualisiert am 19.04.2021Lesedauer: 2 Min.
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Peter Brings' Schuhe und Hose im Karomuster bei einem Auftritt in Köln (Archivbild): Der Kölschrocker vermisst die alten Zeiten und fürchtet sich vor den kulturellen Folgen der Pandemie.Vergrößern des Bildes
Peter Brings' Schuhe und Hose im Karomuster bei einem Auftritt in Köln (Archivbild): Der Kölschrocker vermisst die alten Zeiten und fürchtet sich vor den kulturellen Folgen der Pandemie. (Quelle: Reichwein/imago-images-bilder)

Peter Brings ist Frontmann der Kölsch-Band "Brings" ("Superjeilezick") und schreibt über alles, was ihn bewegt. Diese Woche: Die unendliche, ungewohnte Stille, die Corona mit sich gebracht hat.

Heute mal aus meiner ganz eigenen Position. Ein Blick auf das, was seit über einem Jahr passiert, oder besser: nicht mehr passiert: Mit den Augen eines Musikers. Ganz alte Schule. Nix digital, nix YouTube, sondern Bühne, Konzerte.

Kommen Leute, gibt's Gage – kommen zu wenig, gibt's allenfalls Ruhm. Wir kennen als Band beides. In den 30 Jahren unseres Bestehens als "Brings" haben wir fast alles erlebt. Leere Clubs, volle Stadien, warmer Geldregen, ungedeckte Schecks, fliegende Bierkrüge, BHs und fliehende Veranstalter.

Auch wenn das nach Klischee klingt: Wir durften das gesamte Spektrum des Rock'n'Roll leben. Mit allem, was dazugehört. Was wir noch nie erlebt haben: Diese unendliche Stille. Dieses nicht endende Nichts. Die permanente Anwesenheit von Leere, Vakuum und kein Land in Sicht.

Da stellen sich existenzielle Fragen: Was wird aus unseren Leuten, unserer Crew? Wie lange können wir unseren Laden zusammenhalten und finanzieren? Werden wir nach diesem Kultur-Armageddon noch ein Publikum haben?

Der Gedanke an dein Publikum schreibt mit

Lassen wir all diese täglichen, dunklen Gedanken mal beiseite. Ich erlaube mir einfach, in meine Musikerseele zu schauen. Ganz auf mich, ganz egoistisch. Wenn du beginnst, ein Lied zu schreiben. Wenn du das tust, als ein Musiker, der mit genau dieser Tätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreitet, dann reflektierst du: Der Gedanke an dein Publikum schreibt und komponiert mit.

Das mag sich nach konsumorientiertem Arbeiten anhören, ist es ja auch. Das bedeutet aber nicht, dass du sinnentleert arbeitest. Du kannst dir treu bleiben dabei. Auch treu deinem Publikum gegenüber. Aber du brauchst die Reaktion. Du musst es fühlen, hören, spüren und sogar schmecken. So wie es all die Jahre war: schweißnass, laut, stickig in der Halle, zu kalt beim Open Air, die Leute voll bei uns – und Gelaber bei jeder Ballade. Aber es war da. Es war zu hören, zu fühlen, zu lieben und zu hassen.

Ist das die Zukunft?

Aber jetzt scheint diese endlose Stille Besitz von mir zu ergreifen. Sie beginnt die Erinnerung an das reale, dröhnende Leben zu verdrängen. Sie versucht mich glauben zu lassen, dass es auch ohne das alte Leben, ohne die alte Welt voller sich berührender, sich beim späten Gelaber an der Theke anspuckender, sich anbaggernder, liebeshungriger, tanzender und laut singender Menschen weitergehen kann.

Kann es? Kann es das wirklich? Verfluchte Schei...! Dann überleben wir vielleicht. Aber leben wir dann noch? Ist das ein mögliches Zukunftsszenario? Erinnert mich ein wenig an den uralten Film mit Charlton Heston "... Jahr 2022 ... die überleben wollen" ("Soylent Green"). Na dann Prost. "Hallo Köbes! Einen Kranz Kölsch und ein Schüsselchen Soylent Green!"

Ich weiß: Es gibt wichtigere und größere Probleme in der Welt. Darum sagte ich ja: die kleine, unbedeutende Seele eines Musikers in Zeiten der Pandemie.

"Wo gesungen wird, da lass dich nieder. Böse Menschen haben keine Lieder."
Euer Pitter

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