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Kölner war als Soldat in Afghanistan: "Kameraden sind umsonst gestorben"


Krise in Afghanistan
Ex-Bundeswehrsoldat: "Die Kameraden sind umsonst gestorben"

Von Florian Eßer

Aktualisiert am 22.08.2021Lesedauer: 3 Min.
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Henning B. sitzt in einem Einsatzfahrzeug der Bundeswehr: Der Ex-Soldat war 2013 in Masar-e Scharif stationiert.Vergrößern des Bildes
Henning B. sitzt in einem Einsatzfahrzeug der Bundeswehr: Der Ex-Soldat war 2013 in Masar-e Scharif stationiert. (Quelle: privat)

Die Taliban haben die Macht in Afghanistan übernommen. Der ehemalige Bundeswehrsoldat Henning B. aus Köln war im Land stationiert. Nun ist er am Boden zerstört.

In den letzten 20 Jahren waren rund 150.000 Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz. Einer von ihnen war Henning B. 2013 verließ der damals 21-Jährige sein Kölner Elternhaus und bestieg ein Transportflugzeug in Richtung Naher Osten. Sein Ziel: die Stadt Masar-e Scharif im Norden Afghanistans. Vier Monate lang waren der Hauptgefreite und seine Kameraden dort mit dem Schutz des militärischen Fliegerhorstes beauftragt – eine prägende Zeit.

Nach dem Abzug der ausländischen Truppen wurde Masar-e Scharif nun vor wenigen Tagen von den Taliban eingenommen. "Als ich hörte, dass die Soldaten abgezogen werden, habe ich direkt gedacht: Jetzt dauert es nicht lange, bis die Taliban wieder aus ihren Verstecken kommen", erzählt der ehemalige Präzisionsschütze im Gespräch mit t-online. Die Gründe für den raschen Vormarsch der Terroristen sieht B. dabei auch in den strukturellen Verhältnissen vor Ort: "In Afghanistan gibt es nicht nur ein Volk – dort werden über 40 Sprachen gesprochen und die einzelnen Dörfer bekriegen sich auch untereinander", erzählt der Ex-Soldat.

Viele Fehden innerhalb der Bevölkerung und Drogenbanden

Geführt werden die einzelnen Dörfer dabei von einem sogenannten Malik, dem Ältesten im Ort. "Durch die vielen kleinen Fehden innerhalb der Bevölkerung ist die Lage in Afghanistan ohnehin sehr instabil", erklärt B. "Einmal wurde ein Zug von uns von Drogendealern beschossen, weil er in ihr Territorium eingedrungen war." Ums Leben kam dabei zum Glück keiner der deutschen Soldaten.

Durch die territorialen Streitigkeiten aber hätten die Taliban nun ein leichtes Spiel gehabt: "Hinzu kommt, dass die Menschen dort zumeist aus einfachen Verhältnissen stammen", erzählt B. "Wenn dann Geld auf den Tisch kommt, lässt sich vieles regeln."

"Die Truppenmoral der Afghanen ist im Keller"

So halte es B. durchaus für möglich, dass die afghanischen Streitkräfte bestochen wurden und sie sich deshalb kampflos ergeben haben: "Sie verdienen mehr Geld, wenn sie sich schmieren lassen. Da denken sich viele: Warum sollte ich mich jetzt hier über den Haufen schießen lassen?"

Die Afghanen seien durch die jahrzehntelangen Konflikte und Stellvertreterkriege in ihrem Land des Kampfes müde geworden, meint der Kölner. Als B. von den Entwicklungen in Afghanistan gehört hat, habe er erst einmal innegehalten und verdauen müssen, was er in den Nachrichten sah.

Denn auch wenn B. schadlos aus dem Binnenstaat zurückkehrte, hatten dieses Glück nicht alle seiner Kameraden: 59 Soldaten der Bundeswehr ließen am Hindukusch ihr Leben, viele weitere wurden verletzt oder leiden bis heute an psychischen Problemen: "Einige meiner ehemaligen Kameraden haben noch heute mit einer posttraumatischen Belastungsstörung zu kämpfen", weiß der Ex-Soldat: "Ich habe mit einigen Kameraden gesprochen, und sie sehen die Entwicklungen in Afghanistan alle als ein Unding an."

"Unser Einsatz ist umsonst gewesen"

Viele hätten nun das Gefühl, ihre Leben für nichts und wieder nichts riskiert zu haben: "Der Einsatz, alles was wir geleistet haben, ist umsonst gewesen. Die Kameraden sind umsonst gestorben."

Henning B. und seine Kameraden wurden mit Mörsergranaten beschossen, mehr als nur einmal fast von improvisierten Sprengfallen in die Luft gejagt. Die Afghanen sollen ihr Land selbst verteidigen – dieses Argument hört und liest man in der Bundesrepublik derzeit häufig.

Henning B. aber hat für derartige Sprüche nichts übrig: "Die Menschen dort haben nur selten ein Gefühl von 'das ist mein Land'. Das eigene Dorf ist das 'Land' – und wenn das Dorf dann gefallen ist, packt man seine Sachen und geht", erzählt der ehemalige Präzisionsschütze: "Und ich hab vollstes Verständnis dafür, wenn jemand nicht in Afghanistan bleiben will und sich von den Taliban erschießen lassen möchte."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Henning B.Eigene Recherche
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