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Leipzig: Fahrradfahrer filmt lebensgefährliche Aktion – Busfahrer: "Alles gut"


Gefährliche Aktion
"Das nächste Ghostbike geht auf euch": Radfahrer filmt Beinahe-Unfall mit LVB-Bus


Aktualisiert am 21.06.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ein sogenanntes Ghostbike (Archiv): Die weißen Fahrräder stehen an Orten, an denen Radfahrer bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen sind. (Quelle: Sebastian Kahnert/Archiv/dpa)

Es ist ein Horror, den kein Radfahrer erleben will: Ein Bus oder Lkw überholt links und zieht dann brutal nach rechts – genau das ist einem Radler in Leipzig passiert. Der entkam nur knapp einem Unfall. Aber er hatte eine Kamera dabei und stellte den Busfahrer zur Rede.

Keine Zeit für große letzte Worte hat, wer den Unfalltod stirbt. Meist dürfte es ein simples "Schei..." sein, das dem Todgeweihten in seiner letzten Sekunde über die Lippen kommt.

Ähnliches schießt Sirko H. in den Sinn, als er am Donnerstag mit seinem Fahrrad die Leipziger Jahnallee entlangfährt. "Ich sah den Bus die Räder nach rechts einschlagen und hab gedacht: Bremsen! Bremsen! Das wird gleich richtig kacke", sagt H. zu t-online.

Leipzig: Linienbus verfehlt Radfahrer nur um Haaresbreite

Video | Busvideo Leipzig
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Was war passiert? H. war auf dem Nachhauseweg auf der viel befahrenen Jahnallee in Leipzig, einer Straße, die für schwere Fahrradunfälle in der Stadt berüchtigt ist. Plötzlich schiebt sich von links ein Linienbus an ihm vorbei, 20 Meter lang, fast vier Meter hoch. Der Bus überholt und zieht erbarmungslos nach rechts, genau da hin, wo Sirko H. mit seinem Fahrrad ist – ohne zu blinken und ohne ihn zu beachten.

Nur um Haaresbreite verfehlt ihn der Linienbus der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) im Feierabendverkehr: Im letzten Moment bemerkt der Fahrer seinen Fehler und lenkt den Bus scharf nach links. Doch das Heck schwenkt dabei so weit aus, dass es den Fahrradfahrer streift. Der schlägt voller Wut auf die Rückseite des Busses. An einer roten Ampel kommt der Bus zum Stehen. Sirko H. fährt neben ihn und stellt den Fahrer zur Rede.

Jährlich sterben fünf bis sechs Radfahrer im Leipziger Straßenverkehr

Sirko H. hat noch einmal Glück gehabt. Sein Video von dem Beinahe-Unfall in Leipzig zeigt aber, wie schnell es für Radfahrer lebensgefährlich werden kann. Jedes Jahr sterben laut dem Fahrradbund ADFC etwa 30 Fahrradfahrer in Deutschland bei Unfällen mit rechtsabbiegenden Lkw und Bussen. Auch in Leipzig gab es in den vergangenen Jahren eine ganze Serie dieser tödlichen Unfälle.

In den vergangenen fünf Jahren starben laut Polizei Leipzig regelmäßig fünf bis sechs Radfahrer pro Jahr im Leipziger Straßenverkehr. Die meisten bei sogenannten Abbiege-Unfällen, bei denen die Fahrräder im toten Winkel großer Fahrzeuge verschwinden und von den Fahrern übersehen werden. Das Schlimme an diesen Unfällen: Sie enden für die Radfahrer fast immer tödlich.

Zahlreiche sogenannte "Ghostbikes", weiß angestrichene Fahrradwracks, markieren die Orte der Todesfälle. Besonders in stark wachsenden oder großen Städten wie Leipzig oder Berlin sind tödliche Fahrradunfälle inzwischen ein Politikum.

Die "Ghostbikes" sind auch als politisches Statement zu verstehen. Und die Diskussion zeigt erste Resultate: Ab dem 1. Juli sind Abbiegeassistenten in allen überlangen Lkw in Deutschland Vorschrift, Städte nehmen sich des Themas an. In Leipzig beispielsweise wurde unlängst ein extrabreiter Fahrradstreifen auf dem Innenstadtring angelegt.

Leipzig: "Alles guuut", sagt der Busfahrer nach dem Beinahe-Unfall

"Alles guuut", sagt derweil der Busfahrer, als H. nach der brenzligen Situation mit seinem Fahrrad neben ihm anhält. "Da bin ich erst richtig wütend geworden", sagt der Radfahrer zu t-online. "Gar nichts war gut! Er hat gemerkt, dass er einen Fehler gemacht hat", sagt H. über den Busfahrer. An der Ampel habe dieser dann die Tür geöffnet, wohl um sich zu entschuldigen oder zu beschwichtigen.

"Ich will dem Fahrer nichts Böses, niemand soll entlassen werden. Aber alles gut war das nun wirklich nicht", meint H. zur Reaktion des Busfahrers. Seit einigen Jahren hat H. ab und zu eine kleine Kamera an seinem Fahrrad. Er stellte das Video vom Beinahe-Unfall auf Twitter. Dazu schrieb er wütend: "Das nächste Ghostbike geht auf @LVB_direkt! Ob eure Fahrer noch alle Latten am Zaun haben!!!!"

Unter dem Tweet entspinnt sich eine Diskussion, in der sich auch andere empören. H. möchte darum nicht mit vollem Namen genannt werden – um sich vor dem "Internet-Mob zu schützen", wie er sagt.

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LVB: Vorfall "zeigt, wie anspruchsvoll überlange Fahrzeuge zu führen sind"

Auf eine erste Anfrage von t-online möchten die LVB den Fall zunächst prüfen. Schließlich senden sie ein schriftliches Statement: "Die LVB sind tagtäglich im anspruchsvollen Leipziger Verkehr für die Leipziger unterwegs, und der gezeigte Filmausschnitt beunruhigt, zum Glück wurde niemand verletzt", schreibt LVB-Sprecher Marc Backhaus auf Anfrage von t-online.

Er weist darauf hin, dass der Vorfall bislang noch nicht bei der Polizei angezeigt worden sei. "Mit dem betroffenen Kollegen werden wir diese Situation auswerten und weiter für die gegenseitige Rücksichtnahme sensibilisieren", verspricht Backhaus und merkt noch an: "Allen Verkehrsteilnehmern zeigt dies aber auch, wie anspruchsvoll überlange Fahrzeuge im gemischten Stadtverkehr zu führen sind."

LVB-Sprecher Backhaus wirbt für "gegenseitige Rücksichtnahme". Das liegt auch Radfahrer Sirko H. am Herzen. "Es ist ja ein Miteinander auf der Straße. Aber es gibt nicht nur Kraftfahrzeuge, ich bin auch noch da." Welche Konsequenzen der Leipziger ÖPNV-Anbieter nun tatsächlich aus dem Vorfall zieht, bleibt unklar. "Gemeinsam mit der Stadt Leipzig und der Polizei haben die Leipziger Verkehrsbetriebe eine Sicherheitskampagne gestartet", schreibt er. Und hofft wohl auch, dass niemand mehr simple letzte Worte sprechen muss im Leipziger Straßenverkehr.

Verwendete Quellen
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