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Wuppertal-Kolumne "Scheuges Talfahrt": Corona verhindert Glühwein-Gelage


Kolumne "Scheuges Talfahrt"
Das Aus für die Weihnachtsmärkte ist nicht nur schlecht


03.12.2020Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Jürgen Scheugenpflug lehnt sich gegen eine Statue: Der Kabarettist kennt die Gepflogenheiten von Wuppertal in- und auswendig.Vergrößern des Bildes
Jürgen Scheugenpflug lehnt sich gegen eine Statue: Der Kabarettist kennt die Gepflogenheiten von Wuppertal in- und auswendig. (Quelle: Uli Kopka)

Für t-online schreibt der Wuppertaler Kabarettist Jürgen Scheugenpflug exklusiv die Kolumne "Scheuges Talfahrt". Diesmalige Themen: Die abgesagten Weihnachtsmärkte und eine kuriose Namenänderung.

Jetzt haben wir den Salat. Jahrelang waren die diversen Weihnachtsmärkte in Wuppertal stetes Ärgernis. Räudige Buden, in denen freudloses Personal ausgediente Waren an streunendes Fußvolk vertickte, nahezu leblose Tiere eng eingezäunt hinter Holzgattern, die von Kindern gestreichelt wurden und Fressbuden, die lieblos zubereitetes, angebranntes Räuberfleisch mit ungenießbarem Gemüse versetzt, zu unverschämten Preisen darboten, ist nur eine Auswahl dessen, was dazu gesagt oder geschrieben wurde.

Das ganze wild verteilt in den Fußgängerzonen der beiden Kleinstädte Barmen und Elberfeld bot alle Jahre wieder einen Anblick des Jammers. Einzig die Glühweinstände waren beliebte Treffpunkte für hartgesottene Trinker, die tapfer versuchten, sich Weihnachten schön zu trinken. Immer eine Handbreit Erbrochenes unter den dicken Schuhsohlen trafen sich dort Freunde für einen Abend und diskutierten in zunehmendem Nebel des alkoholischen Gesöffs die Probleme der Welt. All das gehörte Anno dazumal zur besinnlichen Vorweihnachtszeit. Insbesondere sei die bunt verzierte Bretterbude des Lions-Clubs erwähnt, wo man nicht nur der eigenen Hinrichtung beiwohnen konnte, sondern auch noch für den Frieden auf der Welt soff.

Und immer, wenn fröhlich das Glöckchen erschallte, weil jemand das überschüssige Kleingeld spendete, war Weihnachten so nah, wie sonst nie. Mit Wehmut erinnere ich mich sehr gerne an gesellige Abende dort, deren Ausgang bis heute ein Rätsel geblieben ist. Nur die von meiner Frau liebevoll eingeschweißte Telefonnummer der Taxizentrale bewahrte mich damals vor nächtlicher Obdachlosigkeit.

Hüttenzauber in Cronenberg

Nicht zu vergessen, der weihnachtliche Hüttenzauber im kleinen Cronenberg. Liebevoll ausgestattet von den Eingeborenen fühlten sich Mensch und Tier in eine andere Welt versetzt. Deftige Bratwurst oder wahlweise Reibekuchen dienten dem vorweihnachtlichen Gemetzel aus Eierpunsch, Glühwein mit Beleuchtung oder selbstgebrautem Bier als Unterlage. Und wenn dann noch der Posaunenchor "Alle Jahre wieder" blies, war die Welt in Ordnung.

Aber in diesem Jahr? Nichts dergleichen. Öde Innenstädte ohne die leiseste Ahnung vom bevorstehenden Fest. Was wurde in den letzten Jahren nicht alles über die Weihnachtsmärkte geschrieben. Unwürdig, eine Schande für den jeweiligen Stadtteil, so auf jeden Fall verzichtbar. Und dann stellt man fest, dass gerade die fehlen. Es ist wie so oft: Man bemerkt den Verlust erst so richtig, wenn das, was man eigentlich nie gemocht hat, nicht mehr existiert. Also trinken wir uns alle die Vorweihnachtszeit im eigenen Hobbykeller schön. Das geht für dieses Mal auch und erspart überdies das Taxi nach Hause.

Eine kuriose Namenänderung

Apropos sparen. Die Verwaltung der Stadt Wuppertal hat sich wieder mal was gespart. Und zwar das Nachdenken. Oder besser das Vordenken. Das historische Zentrum nämlich sollte umbenannt werden in MIK – Museum Industriekultur Wuppertal. Dass es sowas schon seit 1994 in Osnabrück gibt, darauf ist Kulturdezernent Matthias Nocke und sein tolles Team gar nicht erst gekommen. Warum auch? Nun hat Osnabrück kurz bevor Wuppertal dies in Erwägung gezogen hat, MIK patentieren lassen. Pech gehabt? Oder ist Corona schuld? Oder handelt es sich, wie meistens, um stümperhafte Ausführung "fabelhafter Ideen" im Tal? Das wird die Zeit zeigen. Und selbst das ist fraglich, denn bei der Aufklärung derartiger Dinge sind wir meistens im Tabellenkeller wie der WSV.

Den bereits investierten fünfstelligen Betrag für das Logo etc. übernehmen wir doofen Bürger als Steuerzahler neben dem fetten Gehalt des glücklosen Kultur-Dezernenten aber gerne und nicht zum ersten Mal. Von den bereits in Auftrag gegebenen, vorsorglich aber wieder stornierten Drucksachen ganz zu schweigen. Insgesamt bleibt wie so oft nur die bittere Erkenntnis: "Denke nie gedacht zu haben, denn das Denken der Gedanken ist ein gedankenloses Denken. Denn wenn du denkst, du denkst, dann denkst Du nur Du denkst, aber richtig denken tust du nie", Ehrenwort.

Jürgen Scheugenpflug ist seit 1989 als Kabarettist, Moderator, Autor, Sänger und Kolumnist tätig. 2007 rief er die "Bergische Akademie für Kabarett & Comedy" ins Leben. Aktuell ist er Leiter der bundesweiten Comedy-Serie "Comedy im Bett" und als künstlerischer Leiter der Kleinkunstbühne "Schatzkiste" in Wuppertals Nachbarstadt Remscheid tätig.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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