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Wuppertal-Kolumne "Scheuges Talfahrt": Noch eine Gesamtschule – für "nur" 5,6 Millionen Euro


Kolumne "Scheuges Talfahrt"
Noch eine Gesamtschule – Schnäppchen für 5,6 Millionen Euro


19.02.2021Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Jürgen Scheugenpflug lehnt sich gegen eine Statue: Der Kabarettist kennt die Gepflogenheiten von Wuppertal in- und auswendig.Vergrößern des Bildes
Jürgen Scheugenpflug lehnt sich gegen eine Statue: Der Kabarettist kennt die Gepflogenheiten von Wuppertal in- und auswendig. (Quelle: Uli Kopka)

Für t-online schreibt der Wuppertaler Kabarettist Jürgen Scheugenpflug exklusiv die Kolumne "Scheuges Talfahrt". Themen diesmal: der Karneval und die neu geplante Gesamtschule.

Stell dir vor, es ist Karneval, aber keiner geht hin. So war es in diesem Jahr in den Metropolen des Frohsinns. Auch in Wuppertal. Und diesmal nicht wie im vorigen Jahr, wo es hieß: "vom Winde verweht". Jetzt war Corona verantwortlich für den Ausfall. Und so mussten die paar Jecken im Tal allein feiern. Die Möhnen brachten sich mit Eierlikörschorle in Stimmung, um ihren eigenen Männern (falls vorhanden) ohne Bützchen den alten Schlips abzuschneiden. Der ehemalige Prinz saß wahrscheinlich einsam vor dem Spiegel, um traurige Fotos von seinem "kleinen Prinzen" zu schießen, und Sozialdezernent Stefan Kühn hockte im roten Piratenkostüm mit seiner gelben Quietscheente einsam in der Badewanne und rief dreimal "Wuppdika".

Die meisten Jecken aber lungerten leicht bekleidet im Homeoffice, mit einem lauwarmen Becher Fairtrade-Kaffee vor sich, um die Welt mit jedem Schluck wenigstens ein bisschen besser zu machen. Das klingt beklemmend, ist es auch. Immerhin: Am Aschermittwoch ist auch diesmal alles vorbei.

5,6 Millionen Euro für Gesamtschule

Im Schatten dieser Katastrophe haben sich aber die Wuppertaler Parteien geeinigt, dass – nun aber ganz sicher – die siebte Gesamtschule nach Heckinghausen kommt. Naja, genauer gesagt hinter Heckinghausen. Man ist dort sicher nicht am Arsch der Welt, aber man kann ihn von da aus ziemlich gut sehen. Da, wo der Stadtteil eigentlich schon am Ende ist (das meine ich natürlich nur räumlich) sollen künftig Schüler unterrichtet werden. Im ehemaligen ART-Hotel nämlich. "Das ist ein großer Erfolg", ließ sich der Stadtdirektor Slawig fröhlich ein.

Was genau, Herr Slawig, ist denn der große Erfolg? Ein Schnäppchen sind die 5,6 Millionen Ablöse doch eindeutig nicht, oder? Aber da schickt der Herr den Jockel aus, nämlich den OB Schneidewind. Und der erklärt geschwind, dass der Verkäufer (die Bethe-Stiftung) ein notariell beglaubigtes Angebot eines Dritten erhalten habe und somit der Preis nicht mehr verhandelbar ist. Punkt. Und dann haben die Herrschaften zugeschlagen. Quasi ein Black-Friday-Deal. "Das ist sicher ein Kaufpreis, der höher ist als man ihn für eine Schule erwartet", scherzte der Kämmerer dann noch, bevor es ans Feiern ging.

Aber ist das wirklich ein Grund zum Begießen? Mit dem letzten Satz der Presseinformation gibt es da berechtigte Zweifel: "Eine Quantifizierung zu vielen Fragestellungen gibt es noch nicht". Zu sehr erinnert das an andere Bauvorhaben der Stadt, wo die "Quantifizierung" erst später bekannt wurde. Und dann immer ein paar 100 Prozent obendrauf gekostet hat. Aber wir ham et ja, woll Herr Slawig?

Verkehrschaos durch Helikoptereltern?

Fragen wir mal ganz dumm nach den Nebenkosten. Was ist mit den im Hotel befindlichen, nicht beweglichen Kunstwerken, die erhalten bleiben sollen? Wird da kunstvoll drübergepinselt? Und was ist da an Altlasten auf dem Nachbargrundstück zu entsorgen? Ist das, wenn auch nicht quantifiziert, so aber schon qualifiziert worden? Wie läuft es mit dem Verkehr? Lkw-Fahrer müssen nämlich schon an der Kreuzung "Bleiche" die Außenspiegel einklappen, weil sie sonst nicht unfallfrei durch die Bockmühle fahren können. Wenn da Schwadronen von Helikoptereltern künftig ihren Nachwuchs ankarren, dürfte der Rückstau bis nach Barmen reichen. Ganz zu schweigen von Lehrern, die bei Wind und Wetter nun auf ihren Drahtesel angewiesen sind, weil es kaum Parkplätze gibt.

So betrachtet wird aber schon wieder ein Schuh aus dem Kauf. Denn natürlich benötigt OB Schneidewind da ein Verkehrskonzept. Und was eignet sich besser zur Teststrecke als der tiefe Osten? Entscheiden muss schon bald der Stadtrat. Und genau das macht mir, nach den Erfahrungen der Vergangenheit, erhebliche Kopfschmerzen, Ehrenwort.

Jürgen Scheugenpflug ist seit 1989 als Kabarettist, Moderator, Autor, Sänger und Kolumnist tätig. 2007 rief er die "Bergische Akademie für Kabarett & Comedy" ins Leben. Aktuell ist er Leiter der bundesweiten Comedyserie "Comedy im Bett" und als künstlerischer Leiter der Kleinkunstbühne "Schatzkiste" in Wuppertals Nachbarstadt Remscheid tätig.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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