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Jazz-Virtuosen - Experimentierfreude pur: Brad Mehldau und Mark Guiliana


Jazz-Virtuosen
Experimentierfreude pur: Brad Mehldau und Mark Guiliana

Von dpa
22.05.2019Lesedauer: 3 Min.
Brad Mehldau hat intensiv die Bibel studiert.Vergrößern des BildesBrad Mehldau hat intensiv die Bibel studiert. Foto: Michael Wilson. (Quelle: dpa)
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Berlin (dpa) - Als Duo "Mehliana" brachten sie 2014 das Elektro-Jazzrock-Album "Taming The Dragon" heraus. Seither verknüpften Brad Mehldau und Mark Guiliana zwar nicht mehr ihre Namen zu einem gemeinsamen Projekt, blieben aber in engem Kontakt.

Was man nun auf Mehldaus großartiger neuer Platte "Finding Gabriel" (Nonesuch) hören kann, auf der der Power-Drummer aus David Bowies später "Blackstar"-Band prominent mitwirkt. Kurz davor erschien von Guiliana selbst mit "Beat Music! Beat Music! Beat Music!" (Motéma/Pias) ein spannendes Solo-Werk.

Doch zunächst zum aktuellen Album von BRAD MEHLDAU, weil es selbst in der verzweigten Diskografie dieses Jazz-Virtuosen ein Solitär sein dürfte. Ja, es handelt sich um ein Opus magnum des 48-jährigen US-Amerikaners - aber eines, das seine Hörerschaft ähnlich irritieren könnte wie vor fünf Jahren das Mehliana-Experiment.

Nicht nur ist Mehldaus neue, mit Chören, Bläsern, Streichern und viel Elektronik aufgeladene Musik äußerst komplex, sondern auch der thematische Hintergrund. "'Finding Gabriel' entstand nach genauem, mehrjährigem Lesen der Bibel", erzählt Mehldau, der diesmal Flügel, E-Piano, Synthesizer, Schlagzeug/Percussion und sogar seine Stimme zum monumentalen "Wall of Sound" beisteuert.

"Die Bibel las sich wie eine Schlussfolgerung und bisweilen wie die Anleitung zur Gegenwart: Ein langer Albtraum. Oder wie ein Wegweiser...", so fährt der mit seiner Familie in New York oder bei Amsterdam lebende Pianist und Komponist fort. "Eine Erklärung für das Chaos musste gefunden werden."

Mehldau hatte sich schon mit seinem Trio-Album "Seymour Reads The Constitution!" (2018) gegen die US-Politik unter Donald Trump positioniert. Ein Jahr später wird er im Rahmen seiner Möglichkeiten als weitgehend instrumentaler Musiker noch deutlicher.

So wächst sich das zentrale Stück "The Prophet Is A Fool" zu einem gruseligen Hörspiel aus - mit eingestreuten Demo-Soundschnipseln ("Build that wall! Build that wall!") und erschütternder Vater-Sohn-Konversation in einer Art Endzeit-Szenario, das an Cormac McCarthys Roman "Die Straße" erinnert. "They have guns. Lots of guns. And they are not for hunting", warnt der Mann sein Kind vor der potenziellen Mordbereitschaft der aufgeputschten Masse gegen Andersdenkende.

Das für "The Prophet..." entworfene Klanggemälde - mit wilden Trompeten- und Saxofon-Soli (Ambrose Akinmusire/Joel Frahm) sowie Mark Guilianas kraftstrotzendem Getrommel - ist wohl eines der intensivsten, wütendsten in Mehldaus rund 25-jähriger Karriere, deren Musik oft von feingesponnen romantischem Wohlklang geprägt war. Den gibt es auch auf "Finding Gabriel" gelegentlich zu hören, etwa in der gospeligen Ballade "Make It All Go Away" mit den wunderbaren Wortlos-Sängern Becca Stevens und Kurt Elling.

Von warmen, beruhigenden Sounds (oft mit solch soundtrack-artigen Chor-Arrangements) über kühle Synth-Passagen bis zu aufwühlend schrillen Instrumental-Attacken deckt dieses Mehldau-Album ein enormes Spektrum ab. Das Klavierspiel des Meisters ist hier nicht so prominent vertreten wie zuletzt in seinen Aufnahmen mit Larry Grenadier (Bass) und Jeff Ballard (Schlagzeug). Nach deren eindrucksvoller Trio-Souveränität ist das 55-minütige "Finding Gabriel" ein Wagnis - und eines der stärksten Mehldau-Werke.

Der Rahmen, den MARK GUILIANA für sein neues "Beat Music!"-Album wählt, fällt enger aus - und doch zeigt diese Platte viele Facetten eines der besten Drummer unserer Zeit. Aus Jazzrock, Elektro-Dancebeats, Dub-Reggae und Spoken-Word-Elementen zündet der 38-Jährige aus New York hier ein rhythmisches Feuerwerk.

Guiliana, der erstmals im gefeierten Jazz-Trio des israelischen Kontrabassisten Avishai Cohen (2003 bis 2008) ein großes Publikum erreichte, spricht von seiner "Beat-Music-Familie". Dazu gehören Chris Morrissey, Stu Brooks, Jonathan Maron und Tim Lefebvre (alle Electric Bass), Jason Lindner, BIGYUKI, Jeff Babko, Troy Zeigler und Steve Wall (alle Keyboards/Synthesizer/Electronics) - aber auch Guilianas Ehefrau, die Sängerin Gretchen Parlato.

Besonders für Fans von "Blackstar", dem phänomenalen letzten Bowie-Album vor seinem Krebstod Anfang 2016, ist "Beat Music!" hochinteressant. Denn die experimentelle Laissez-faire-Haltung der schwerkranken Pop-Legende mit den vergleichsweise jungen Jazzern Donny McCaslin (Saxofon), Guiliana, Lindner und Lefebvre spiegelt sich auch auf dieser kühnen Elektro-Jazz-Platte, die gleich drei "Blackstar"-Bandmitglieder wieder vereint.

"Im gleichen Raum mit David zu sein und zu sehen, wie er seine Vision verwirklichte - das war eine riesige Sache für mich", sagt Guiliana voller Respekt. Auf "Beat Music!" ist naturgemäß nicht jeder Track ein so großer Wurf wie Bowies "Blackstar"-Meisterwerk - aber die Frische, Spielfreude und Aufgeschlossenheit dieses Fusion-Projekts eines Ausnahme-Schagzeugers begeistern allemal.

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